Liraglutid – Hoffnung auf Betazellprotektion
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Mit der Kombination eines Immunmodulators mit dem GLP-1-Analogon Liraglutid konnte in einer Population von Patienten mit neu diagnostiziertem Typ-1-Diabetes der Verlust an Betazellen zumindest über ein Jahr verlangsamt werden.
Rationale hinter Betazellprotektion
Im Rahmen einer Erkrankung an Typ-1-Diabetes kommt es zu einem massiven Angriff des Immunsystems auf die Betazelle, an dem T-Zellen ebenso beteiligt sind wie B-Zellen, die Antikörper unter anderem gegen Glutamatdecarboxylase oder gegen Insulin bilden. Als Ursache dieser Autoimmunreaktion wird eine Kombination aus genetischen und externen Faktoren (wie zum Beispiel Virusinfektionen) vermutet. Sind rund 80% der Betazellen zerstört, kommt es zu einem absoluten Insulinmangel und der Diabetes wird klinisch manifest. Im Gegensatz zu anderen Autoimmunerkrankungen sind bei Diabetes Typ 1 bislang alle Versuche gescheitert, mit immunmodulierenden Therapien in dieses Geschehen einzugreifen.
Die Ursachen dafür dürften in der besonderen Pathophysiologie der Erkrankung liegen, so Prof. Dr. Chantal Mathieu von der Katholischen Universität Leuven. Offenbar wirke die Betazelle nämlich an ihrer eigenen Zerstörung mit. Daraus ergibt sich die Rationale für Therapieversuche mit Kombinationen von immunmodulierenden und Betazell-protektiven Substanzen. Dies wurde nun im Rahmen einer klinischen Studie untersucht. Dabei kam eine Kombination eines Anti-IL-21-Antikörpers, der die IL-21 mediierte Inflammation reduzieren soll, mit dem GLP-1-Analogon Liraglutid zum Einsatz, von dem eine protektive Wirkung auf die Betazelle gegen zytokinmediierte Apoptose erwartet wird,. Die Hypothese war, dass diese Kombination die Immuntoleranz erhält, die Betazellmasse vor dem Untergang schützt und deren Erholung ermöglichen kann. Das alles sollte idealerweise in einer Aufrechterhaltung der physiologischen Insulinproduktion resultieren, so Mathieu.
Insulinproduktion steigt unter Kombination von Liraglutid und Anti-IL-21
Die multizentrische, doppel-dummy, doppelblinde, randomisierte Wirksamkeits-, Sicherheits- und Pharmakokinetik-Studie wurde in einem vierarmigen Design durchgeführt. Die rund 300 Patienten erhielten über 54 Wochen entweder den Anti-IL-21-Antikörper, Liraglutid, die Kombination von Liraglutid und Anti-IL-21 oder Placebo. Einschlusskriterien waren eine rezente Typ-1-Diagnose und ein postprandialer C-Peptid-Peak ≥0,2nmol/l. Nach 54 Wochen erfolgte die Auswertung des primären Endpunkts – C-Peptid nach einer Mahlzeit (gemessen als „area under the curve“ über 4 Stunden). Nach diesen 54 Wochen wurde die Behandlung beendet, die Patienten wurden jedoch über weitere 26 Wochen nachbeobachtet.
Nach 54 Wochen wurde im Kombinationsarm eine signifikante Verbesserung der postprandialen C-Peptid-Sekretion um 48% im Vergleich zu Placebo gemessen. Auch der Insulinbedarf der Patienten war in der Kombinationsgruppe signifikant um 32% (0,13U/kg) reduziert. Darüber hinaus zeigte sich unter Kombinationstherapie über die 54 Behandlungswochen ein Trend in Richtung besserer glykämischer Kontrolle und reduzierter Hypoglykämien. Mathieu: „Mit weniger Insulin wurde eine bessere glykämische Kontrolle erreicht.“ C-Peptid wurde im Verlauf der Studie mehrmals gemessen, sodass sich die Entwicklung der Betazellfunktion über die Zeit verfolgen lässt. Die Kurve deutet auf einen deutlichen Anstieg der Insulinproduktion in den ersten 12 Wochen unter der Kombinationstherapie hin, der die Überlegenheit nach 54 Wochen erklärt. Nach den ersten 12 Wochen folgt auch in dieser Gruppe ein Abfall der Sekretion von C-Peptid und damit auch von Insulin. Nach dem Absetzen der Therapie kommt es jedoch zu einem steilen Abfall, der über die folgenden 26 Wochen zum Verschwinden des Vorteils führt. Mathieu interpretiert diesen Befund als Beleg für eine anhaltende, wenn auch nicht ausreichende Betazellprotektion durch die Kombination von Anti-IL-21 und Liraglutid.
Die Therapie wurde gut vertragen. Nebenwirkungen traten in den Verumarmen vergleichbar häufig wie im Placeboarm auf. Insbesondere wurden keine Fälle von Pankreatitis beobachtet. Gastrointestinale Nebenwirkungen traten in den Liraglutid-Gruppen häufiger auf – interessanterweise im Kombinationsarm seltener als im Liraglutid-Monotherapiearm.
Quelle:
Mathieu C et al.: Efficacy and safety of anti-interleukin (IL)-21 in combination with liraglutide in adults recently diagnosed with type 1 diabetes. Presented at EASD 2020, OP 48
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