„Fully closed loop“-Systeme: Die Evolution geht weiter
Bericht: Reno Barth
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Sogenannte „Hybrid closed loop“-Systeme für die Insulintherapie sind seit einigenJahren verfügbar und werden von zahlreichen Menschen mit T1D genützt. Doch die Evolution des künstlichen Pankreas geht weiter. Systeme für vollautomatische Insulinabgabe ohne Zutun der Patient:innen drängen auf den Markt und zusätzlich wird „closed loop“ auch im Management des Typ-2-Diabetes Thema.
Hybrid closed loop‘-Systeme sind in vielen Ländern der Standard im Management von T1D geworden, da sie die Zeit im Zielbereich vergrößern, ohne zu vermehrten Hypoglykämien zu führen“, so Prof. Dr. Moshe Phillip vom Schneider Children’s Medical Center in Petah Tikva, Israel. Wichtige Meilensteine in der Diabetestherapie waren die Entwicklung erster Insulinpumpen in den 1980er-Jahren sowie die Einführung des ersten Sensors zur Messung von Glukose aus der Interstitialflüssigkeit im Jahr 1999.
Im Oktober 2011 wurde erstmals eine Gruppe israelischer Patient:innen über eine Nacht mit einem „artificial pancreas“, also der Kombination von Pumpe und Sensor samt automatisierter Steuerung, versorgt.1‚Hybrid closed loop‘-Systeme verlangen allerdings nach wie vor ein hohes Maß an Mitarbeit durch die Patient:innen, und dies funktioniert bei Weitem nicht immer und überall“, führt Dr. Charlotte Boughton, University of Cambridge, Großbritannien, aus. Bolusinsuline werden häufig falsch berechnet oder der Bolus wird überhaupt vergessen. Vollständig automatisierte Systeme („fully closed loop“) haben das Potenzial, diese Probleme zu lösen. Diese Systeme müssen das Berechnen der konsumierten Kohlenhydrate ebenso überflüssig machen wie Anpassungen bei Sport und Bewegung.
Weniger Stress: „Closed loop“ kann die Lebensqualität verbessern
Einige solche Systeme sind bereits verfügbar oder befinden sich in klinischen Studien. An der Universität Cambridge wurde das CamAPS-HX-System entwickelt, bestehend aus einer Insulinpumpe, einem Dexcom-G6- oder FreeStyle-Libre-3-Sensor und einem Android-Smartphone, auf dem der CamAPS-HX-Algorithmus läuft. Das System benötigt keine Ankündigung von Mahlzeiten und reagiert auf Veränderungen des Blutzuckers, die mittels künstlicher Intelligenz in Prognosen und damit Insulindosen umgesetzt werden. Sowohl schnellwirksame als auch ultraschnell wirksame Insuline können eingesetzt werden. Das System trägt mittlerweile das CE-Zeichen und wurde 2023 in einer Kohorte von erwachsenen Patient:innen mit Typ-1-Diabetes und schlechter glykämischer Kontrolle (HbA1c 9,2 ± 1,1%) mit einer konventionellen sensorbasierten Pumpentherapie verglichen. Dabei wurde eine signifikante Verbesserung der „time in range“ (TIR;50% vs. 36%) erreicht. Dies entspricht zusätzlichen drei Stunden im Zielbereich pro Tag. Hyperglykämien wurden reduziert, ohne dafür mehr Hypoglykämien in Kauf zu nehmen.2 Besonders deutlich war jedoch der Effekt auf die Lebensqualität der Patient:innen.
In Interviews berichteten sie von geringerer Belastung durch die Erkrankung, besserer Stimmung und besserem Schlaf. Das CamAPS-HX-System wurde mittlerweile auch in einer Kohorte von Jugendlichen erfolgreich evaluiert.
Boughton betont, dass sichauch andere „Closed loop“-Systeme, die auf unterschiedlichen Konzepten basieren, in weit fortgeschrittenen Studien befinden. So wird in den Niederlanden ein bihormonales System untersucht, das zusätzlich Glukagon applizieren kann. Über ein Jahr wurde mit diesem künstlichen Pankreas die TIR der Probanden von 55,5% auf 80,3% verbessert.3 Auch Versuche, „Closed loop“-Systeme über neuronale Netzwerke zu steuern, werden durchgeführt.4
Nicht zuletzt berichtet Boughton auch von einer Indikationserweiterung für das „artificial pancreas“: Typ-2-Diabetes. Bedarf bestehe, da nicht zu erwarten sei, dass mit GLP-1-Analoga oder SGLT2-Inhibitoren Insulintherapien bei T2D obsolet werden. Da bei T2D die glykämische Kontrolle von Tag zu Tag stark variiert, bietet sich „closed loop“ in dieser Population als mögliche Problemlösung an. Tatsächlich konnte die TIR unzureichend kontrollierter Patient:innen mit T2D durch ein CamAPS-HX-System annähernd verdoppelt werden.5
Quelle:
„How close are we to fully closed loop systems?“, Symposium im Rahmen des 61. EASD-Kongress, 16. September 2025, Wien
Literatur:
1 Phillip M et al.: Nocturnal glucose control with an artificial pancreas at a diabetes camp. N Engl J Med 2013; 368(9): 824-33 2 Boughton CK et al.: Fully closed-loop glucose control compared with Insulin pump therapy with continuous glucose monitoring in adults with type 1 diabetes and suboptimal glycemic control: a single-center, randomized, crossover study. Diabetes Care 2023; 46(11): 1916-22 3 van Bon AC et al.: Bihormonal fully closed-loop system for the treatment of type 1 diabetes: a real-world multicentre, prospective, single-arm trial in the Netherlands. Lancet Digit Health 2024; 6(4): e272-80 4 Pryor EC et al.: Miniaturized neural networks for deploying fully closed loop Insulin delivery systems: a pilot study featuring flexible meal announcement options. J Diabetes Sci Technol 2025: doi: 10.1177/19322968251364283 5 Daly AB et al.: Fully automated closed-loop insulin delivery in adults with type 2 diabetes: an open-label, single-center, randomized crossover trial. Nat Med 2023; 29(1): 203-8
Das könnte Sie auch interessieren:
Neue Daten aus dem VERTIS-Studienprogramm
Die kardiovaskuläre Sicherheitsstudie VERTIS CV mit dem SGLT2-Inhibitor Ertugliflozin verlief weniger günstig als andere Endpunktstudien zu dieser Substanzgruppe. Die Hintergründe dafür ...
Liraglutid - Hoffnung auf Betazellprotektion
Mit der Kombination eines Immunmodulators mit dem GLP-1-Analogon Liraglutid konnte in einer Population von Patienten mit neu diagnostiziertem Typ-1-Diabetes der Verlust an Betazellen ...
DAPA-CKD: Dapagliflozin schützt die Nieren und reduziert die Mortalität
Im Rahmen des EASD-Kongresses wurden erfreuliche Daten zur Nephroprotektion des SGLT2-Inhibitors Dapagliflozin präsentiert. Dieser reduzierte in der Studie DAPA-CKD in einer Population ...