
Klimaschutz und Dermatologie
Autor:
Dr. med. Dennis Niebel
Arbeitsgemeinschaft Nachhaltigkeit in der Dermatologie, Freiburg
E-Mail: office@agderma.de
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Zu Beginn des 107. Kongresses der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV) in St. Gallen präsentierte ich einen kompakten Überblick zum Thema «Climate Protection and Dermatology: A Global Inventory». Da der Klimawandel bereits heute die medizinische und dermatologische Versorgung beeinflusst und demgegenüber diese selbst zum Klimawandel beiträgt, thematisierte ich in meinem Vortrag insbesondere Klimaschutzaktivitäten innerhalb dermatologischer Fachgesellschaften weltweit.
Keypoints
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Der Klimawandel beeinflusst die globale Dermatologie direkt und indirekt: Veränderte Temperatur- und Niederschlagsmuster sowie verändertes Vorkommen von Krankheitsvektoren beeinflussen die Epidemiologie von Hauterkrankungen, während Extremwetter und klimatisch bedingte Migrationsbewegungen die Versorgung beeinträchtigen können.
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Das Gesundheitswesen verursacht 4–6% der weltweiten CO₂-Emissionen; die Dermatologie trägt durch energieintensive Verfahren, Gebrauch von Einmalmaterialien und hohe Ressourcennutzung zum ökologischen Fussabdruck der Medizin bei.
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In den letzten Jahren haben sich Initiativen für ressourceneffiziente Dermatologie innerhalb nationaler und internationaler Fachgesellschaften aufgestellt; diese arbeiten aktiv an Klimaschutz- und Anpassungsstrategien.
Klimawandel im Jahr 2025 – wo stehen wir?
Gemäss Daten des Copernicus Climate Change Service (C3S) war der April 2025 der zweitwärmste April weltweit seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Temperaturen lagen 0,60°C über dem langjährigen Mittelwert des Zeitraums 1991–2020. Betrachtet man den Jahreszeitraum Mai 2024 bis April 2025, so betrug die Temperaturabweichung weltweit sogar 1,58°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau. Das ursprünglich im Klimaabkommen von Paris 2015 formulierte Ziel einer Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C scheint in Anbetracht global weiter steigender Treibhausgasemissionen kaum noch erreichbar zu sein. Daraus folgt, dass die bereits heute spürbaren Veränderungen in Bezug auf Temperatur- und Niederschlagsmuster sich zukünftig noch verstärken dürften. Abhängig von der Klimazone kann der Klimawandel die Wahrscheinlichkeit unter anderem folgender Wetterphänomene erhöhen: Hitzeperioden, Dürren, Starkregenereignisse, Gewitter und (Tropen-)Stürme. Dies kann Waldbrände und Überschwemmungen begünstigen, andere Effekte umfassen in gemässigten Breiten eine verlängerte Pollensaison mit erhöhter Allergenlast sowie die Ausbreitung (sub)tropischer Krankheitsvektoren.1
Gesundheitliche Aspekte des Klimawandels in Mitteleuropa
Für Zentraleuropa prognostizieren Klimaforscher – bei erheblicher meteorologischer Unsicherheit – bis Mitte des Jahrhunderts eine Verdopplung der Hitzetage (definiert als Höchsttemperatur über 30°C) im Sommer, weniger Frosttage im Winter sowie veränderte Niederschlagsmuster mit trockeneren Sommern und feuchteren Wintern (Regen statt Schnee). Insgesamt wird von weniger Bewölkung und somit höherer Gesamtsonnenscheindauer und steigender UV-Intensität ausgegangen. Somit können epidemiologische Effekte und potenziell steigende Belastungen für das Gesundheitssystem durch die Zunahme hitzebedingter Erkrankungen sowie eine Aggravation chronischer Erkrankungen extrapoliert werden.2,3 Auch die Dermatologie könnte eine Zunahme bestimmter Erkrankungen durch veränderte klimatische Bedingungen erleben, dazu gehören unter anderem bestimmte Infektionen, keratinozytärer/melanozytärer Hautkrebs und Photodermatosen (Abb.1).4–12 In diesem Kontext ist erwähnenswert, dass das Gesundheitswesen selbst erheblich zum Klimawandel beiträgt.
Abb. 1: Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Dermatologie (modifiziert nach Parker ER et al. 2025)12
Klimawandel und das Gesundheitswesen
Global stammen etwa 4–6% der CO2-Äquivalente (CO2-eq, Mass für Treibhausgasemissionen) aus dem Gesundheitssektor. Auf die Schweiz bezogen ist dieser Wert sogar noch höher. Dies ist deutlich mehr als der globale Flugverkehr. Medikamente, Verbrauchsmaterialien und deren Lieferkette sowie Gebäude und deren Energiebedarf machen einen Grossteil der Emissionen aus. Ins Gewicht fallen energieintensive Diagnostik- und Therapieverfahren, Einmalmaterialien und klimaschädliche Gase wie z.B. Desfluran.13–15 Die Dermatologie weist mit ihrem sehr breiten Spektrum spezifische Merkmale auf, unter anderem die Nutzung topischer Präparate, hochenergetischer Lichtquellen und kosmetischer Verfahren. Für viele dieser Faktoren liegen keine umfänglichen Lebenszyklusanalysen vor, sodass die Einschätzung des klimatischen Fussabdrucks schwierig ist. Im Jahr 2025 wurde eine amerikanische Studie veröffentlicht, die die Gesamtemissionen einer dermatologischen Poliklinik mit etwa 30000 Patienten im Jahr auf über 300 Tonnen CO2-eq berechnete.16 In einer anderen Arbeit wurde dargelegt, dass die CO2-eq durch Dermatochirurgie in Australien jährlich bei über 8000t liegen.17 Zum Vergleich: Ein Flug in der Economy Class von Zürich nach New York verursacht etwa 1,1t CO2-eq. Dies hat zu Appellen geführt, dass Anstrengungen innerhalb unseres Fachbereichs zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz erforderlich sind.18,19
Klimaschutz und Klimaadaptation in der Dermatologie
Einzelne Fachgesellschaften haben Stellungnahmen zur Bedeutung des Klimawandels für die Dermatologie und ein Bekenntnis zum Klimaschutz veröffentlicht, so zum Beispiel die angesehene American Dermatological Association (ADA).12 Klimaschutz bezieht sich dabei auf alle Maßnahmen und Aktivitäten, die darauf abzielen, die Emission von Treibhausgasen zu reduzieren und die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern («Klimamitigation»). In einem dermatologischen Kontext kann Klimaschutz z.B. die Reduzierung von Abfall oder die Verwendung umweltfreundlicher Produkte und Verpackungen bedeuten. Abzugrenzen hiervon ist der Begriff Klimaanpassung («Klimaadaptation»). Dieser beschreibt die rechtzeitige Vorbereitung auf erwartbare Ereignisse durch den Klimawandel. Dies kann im medizinischen bzw. dermatologischen Kontext bedeuten: Gestaltung hitzeresistenter Gebäude, Anpassung der Sprechstundenzeiten während Hitzeereignissen, Schulung der Mitarbeiter und Bereithaltung von Kontingenzplänen für Extremwetterereignisse, Überschwemmungen oder Waldbrände. Klimaschutz und Klimaanpassung sind für die Dermatologie unverzichtbar.20 Schaut man sich die Aktivitäten der Fachgesellschaften global an (Tab.1)21, fällt positiv auf, dass zahlreiche Materialien kostenfrei zugänglich sind. Im deutschsprachigen Raum ist die Arbeitsgemeinschaft Nachhaltigkeit in der Dermatologie (AGN) als Teil der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft seit 2020 aktiv, seit 2022 als eingetragener Verein. Neben der Bereitstellung von Informationsmaterialien für Patienten und Ärzte sowie Qualitätsmanagementvorlagen ist die Vernetzung mit anderen Akteuren im Gesundheitswesen eine zentrale Aktivität. Auf europäischer Ebene gründete die European Academy of Dermatology and Venereology (EADV) 2024 eine Climate Working Group, die seit 2025 in eine Taskforce umgewandelt wurde. Neben wissenschaftlichen Sitzungen und thematischen Weiterbildungsangeboten steht vor allem die Reduktion des CO2-Fussabdrucks des Hauptkongresses im Fokus. Hierzu werden in Zusammenarbeit mit einer externen Agentur umfangreiche Referenzwerte der Veranstaltungsorte sowie der assoziierten Teilnehmeraktivitäten erhoben, um diese Kennzahlen zu verbessern. In Grossbritannien engagieren sich innerhalb der British Association of Dermatologists (BAD) und der British Society of Dermatological Surgery (BSDS) seit 2020 Dermatologen mit themenbezogenen Forschungsprojekten. Auch in den Niederlanden und Spanien sind durch die jeweiligen Fachgesellschaften Materialien online verfügbar. Die American Academy of Dermatology (AAD) richtete bereits 2018 eine Expertengruppe für Klima- und Umweltfragen ein. Publikationen, Symposien und das «Climate Quarterly» reflektieren die breite wissenschaftliche Aktivität der Kollegen in den USA. Auch in Australien und Neuseeland und übergeordnet auf internationaler Ebene haben dermatologische Fachgesellschaften eigene Arbeitsgruppen etabliert.
Tab. 1: Nachhaltige Initiativen in der Dermatologie (modifiziert nach Niebel D et al. 2025)21
Ausblick
Der Klimawandel beeinflusst die Dermatologie auf vielen Ebenen – klinisch, organisatorisch und wissenschaftlich. Klimaschutz und -anpassung sind daher zentrale Aufgaben für das Fachgebiet. Zwar gibt es inzwischen zahlreiche Initiativen weltweit, doch fehlt es vielerorts an Finanzierung, institutioneller Verankerung und Sichtbarkeit in führenden Fachjournalen. Daher sollten sich Dermatologinnen und Dermatologen aktiv einbringen, sei es durch eigene Projekte, die Teilnahme an Workshops oder die Umsetzung nachhaltiger Massnahmen in Klinik und Praxis. Durch gemeinsames Handeln kann die Dermatologie ihren Beitrag zum Erhalt von Gesundheit und Umwelt leisten.
Literatur:
1 Luschkova D et al.: Climate change and allergies. Allergo J Int 2022; 31(4): 114-20 2 Abbasi K et al.: Time to treat the climate and nature crisis as one indivisible global health emergency. JAMA Dermatol 2023; 59(12): 1309-11 3 Atwoli L et al.: Call for emergency action to limit global temperature increases, restore biodiversity, and protect health. N Engl J Med 2021; 385(12): 1134-7 4 Belzer A, Parker ER: Climate change, skin health, and dermatologic disease: a guide for the dermatologist. Am J Clin Dermatol 2023; 24(4): 577-93 5 Boos MD: Climate change and air pollution: twin threats of burning fossil fuels with implications for the practice of dermatology. J Eur Acad Dermatol Venereol 2023; 37(10): 1943-4 6 Choi SHet al.: Climate change and the displaced person: how vectors and climate are changing the landscape of infectious diseases among displaced and migrant populations. Int J Dermatol 2023; 62(5): 681-4 7 Fathy R, Rosenbach M: Climate change and inpatient dermatology. Curr Dermatol Rep 2020; 9(4): 201-9 8 Gadre A et al.: The effects of climate change on fungal diseases with cutaneous manifestations: a report from the International Society of Dermatology Climate Change Committee. Journal of Climate Change and Health 2022; 6: 100156 9 Isler MF et al.: Climate change, the cutaneous microbiome and skin disease: implications for a warming world. Int J Dermatol 2023; 62(3): 337-45 10 Junejo MH et al.: Flooding and climate change and its effect on skin disease. J Invest Dermatol 2023; 143(8): 1348-50 11 Parker ER: The influence of climate change on skin cancer incidence - a review of the evidence. Int J Womens Dermatol 2020; 7(1): 17-27 12 Parker ER et al.: The voice of the american dermatological association: 2025 official policy statement on climate change. J Invest Dermatol 2025; 145(6): 1251-6 13 Keil M et al.: Carbon footprint of healthcare systems: a systematic review of evidence and methods. BMJ Open 2024; 14(4): e078464 14 Mermillod B et al.: Estimating the carbon footprint of healthcare in the canton of geneva and reduction scenarios for 2030 and 2040. Int J Environ Res Public Health 2024; 21(6): 690 15 Pichler P-P et al.: International comparison of health care carbon footprints. Environ Res Lett 2019; 14(6): 064004 16 Silva GS et al.: Carbon footprint analysis of an outpatient dermatology practice at an academic medical center. JAMA Dermatol 2025; 161(2):1 91-7 17 Tan E, Lim D: Carbon footprint of dermatologic surgery. Australas J Dermatol 2021; 62(2): e170-e7 18 Parker ER, Boos MD: Dermatology’s call to emergency action on climate change. J Eur Acad Dermatol Venereol 2022; 36(10): 1681-2 19 Ring J: Climate change – dermatology must act as well. J Eur Acad Dermatol Venereol 2022; 36(10): 1680 20 Niebel D et al.: Die Entwicklung von Klimaschutzkonzepten und Anpassungsstrategien an den Klimawandel sind dringliche Aufgaben der Dermatologie. Dermatologie (Heidelb) 2023; 74(1): 1-2 21 Niebel D et al.: Environmental impact of dermatology and action towards it: a narrative review. Int J Dermatol 2025; 64(8): 1388-400
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