
Update zum APCCC-Meeting 2024
Autor:innen:
Priv.-Doz. Dr. Aurelius Omlin1
Prof. Dr. Silke Gillessen2
1 Onkozentrum Zürich, Universität Zürich und Tumorzentrum Hirslanden Zürich
2 Oncology Institute of Southern Switzerland,
Ente Ospedaliero Cantonale, Bellinzona,
Faculty of Biosciences,
Università della Svizzera Italiana, Lugano,
E-Mail: aurelius.omlin@ozh.ch
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Seit 2015 organisieren Prof. Dr. Silke Gillessen und PD Dr. Aurelius Omlin alle zwei Jahre in der Schweiz eine Konsensuskonferenz zum fortgeschrittenen Prostatakarzinom (APCCC). Im April 2024 trafen sich dazu wieder 120 internationale Expert:innen in Lugano. Im Vorfeld wurden mit den Expert:innen 183 Fragen entwickelt, die die Basis für die Konsensuskonferenz bildeten. Das Manuskript, das im Anschluss an die Konferenz publiziert wurde, leitet die Fragen ein, zeigt die Abstimmungsresultate und diskutiert diese im Kontext der vorhandenen Evidenz.
Keypoints
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Die APCCC 2024 zeigt bemerkenswerte Fortschritte im Management von Prostatakrebs auf und betont die Notwendigkeit personalisierter Behandlungsansätze.
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Durch die Abstimmung der Expert:innen zu einem Konsens bietet der APCCC-Bericht wertvolle Einblicke in strittige klinische Fragen zum mPCa.
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Die APCCC spricht bewusst Bereiche an, in denen qualitativ hochwertige Evidenz begrenzt ist, und greift Fälle auf, zu denen Richtlinien rar oder widersprüchlich sind.
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Darüber hinaus plädiert die Publikation für eine kontinuierliche Teilnahme an klinischen Studien, um Wissenslücken zu schließen.
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Dieser umfassende Leitfaden soll Ärzt:innen und Patient:innen helfen, im klinischen Alltag informierte Entscheidungen zu treffen.
Die Konsensuskonferenz vom April 2024 umfasste acht Themengebiete im Zusammenhang mit dem fortgeschrittenen Prostatakarzinom, zu denen im klinischen Alltag relevante Fragen gestellt wurden. Die Konferenz fokussiert auf Fragen, für die es keine oder nur schwache Evidenz gibt bzw. zu denen die Evidenz möglicherweise unterschiedlich interpretiert wird oder vorhandene Evidenz z.B. auf ausgewählten Patientenpopulationen beruht. Die Konsensuskonferenz hat damit die einzigartige Möglichkeit, die vorhandenen Leitlinien, die sich auf Evidenz abstützen, mit Expertenmeinungen abzurunden.
Die Konferenz selbst behandelt in zweieinhalb Tagen mit hochkarätigen Vorträgen die ausgewählten Themen. Das Ziel der Vorträge ist es, von den Expert:innen zu hören, wie sie im klinischen Alltag das vorhandene Wissen (die Konferenz fokussiert spezifisch auf Gebiete, in denen Unsicherheit besteht) integrieren und wie sie Entscheidungen treffen. Es sind daher praxisorientierte und klinisch relevante Vorträge. Im Anschluss an eine thematische Vortragsabfolge werden ausgewählte Fragen, über die Expert:innen bereits im Vorfeld der Konferenz abgestimmt haben, vorgestellt, diskutiert und in den Kontext gestellt.
Die acht Themengebiete der Konferenz 2024 waren „high-risk“ lokalisiertes/lokal fortgeschrittenes Prostatakarzinom, PSA-Persistenz bzw. biochemisches Rezidiv, „high-risk“ nichtmetastasiertes bzw. metastasiertes hormonsensitives Prostatakarzinom (nmHSPC bzw. mHSPC) und metastasiertes kastrationsresistentes Prostatakarzinom (mCRPC), die Radioligandentherapie und Nebenwirkungen der Hormonbehandlung sowie Knochengesundheit und Genetik.
Zu diesen Themen entwickeln Expert:innen im Vorfeld der Konferenz klinisch relevante Fragen. Über mehrere Runden wurden die Fragen verfeinert und auf ihre Relevanz geprüft. Bei der Beantwortung der Fragen wird vorausgesetzt, dass alle therapeutischen und diagnostischen Optionen uneingeschränkt zur Verfügung stehen und dass es sich um fitte Patient:innen ohne relevante Einschränkungen und Kontraindikationen handelt.
Exemplarisch kann das Gebiet der sequenziellen systemischen Therapie bei fortgeschrittenem Prostatakarzinom hier angeführt werden. Die Wahl der Erstlinientherapie in der metastasierten kastrationsresistenten Situation (mCRPC) berücksichtigt die bereits durchgeführten Therapien im metastasierten hormosensitiven Krankheitsstadium (mHSPC).
Beispielfrage
In Frage 108 wird zum Beispiel die Situation von Patient:innen abgebildet, die in der mHSPC-Situation bereits eine Kombination aus einer Androgendeprivation (ADT) und einer zusätzlichen endokrinen Therapie (ARPI, „androgen receptor pathway inhibitor“ – Abirateron/Prednison, Apalutamid, Darolutamid oder Enzalutamid) erhalten haben. Zusätzlich wird in die Frage integriert, dass in diesem Fall ein molekularer Test am Tumorgewebe oder an zirkulierender Tumor-DNA nicht verfügbar ist. Die Antwortoptionen in dieser Frage reflektieren die theoretisch möglichen therapeutischen Strategien:
Frage 108: Was ist Ihre Behandlungsempfehlung in der Erstlinientherapie für die Mehrheit der Patient:innen mit mCRPC bei nicht verfügbarem somatischem Gentest, wenn sie bereits ADT plus ARPI im mHSPC-Stadium erhielten?
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alternativer ARPI: 5% (5 Stimmen)
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zur aktuellen Therapie PARP-Inhibitor hinzufügen oder zu alternativem ARPI plus PARP-Inhibitor wechseln: 2% (2 Stimmen)
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Docetaxel: 85% (84 Stimmen)
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Radium-223: 1% (1 Stimme)
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177Lu-PSMA: 7% (7 Stimmen)
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der Stimme enthalten bzw. keine Beantwortung möglich (7 Stimmen)
Konsens (84%) für Docetaxel bei mCRPC-Patient:innen mit Erstlinien-ADT plus ARPI & ohne verfügbaren somatischen Gentest
In der Frage 108 erzielten die Expert:innen im April 2024 einen Konsens für Docetaxel als bevorzugte Option in der Erstlinie bei Progress von mHSPC zu mCRPC unter ADT plus ARPI. Im Manuskript werden die verschiedenen Optionen diskutiert. Bekanntlich ist der Wechsel der endokrinen Therapie (ARPI-Switch) mit einer geringen Antitumoraktivität assoziiert, und obwohl diese Strategie in vielen klinischen Studien als Kontrollarm verwendet wurde, stimmten dafür nur wenige Expert:innen als bevorzugte Option für die Mehrheit der Patient:innen ab. Die überwiegende Zahl der Patient:innen in den drei großen Studien PROpel, MAGNITUDE, TALAPRO-2, die den Nutzen einer Kombination aus PARP-Inhibition mit einem ARPI bei mCRPC untersuchten, waren nur mit ADT oder mit ADT und Docetaxel vorbehandelt. Für die Situation, wie sie in der Frage 108 abgebildet ist, gibt es nur sehr wenig Evidenz, wenn kein Resultat einer molekularen Testung vorliegt. Im April 2024 stimmten nur wenige der Expert:innen für eine Radioligandentherapie ab, dies mag daran liegen, dass die Phase-III-Studie PSMAfore, die den Nutzen von 177Lutetium-PSMA-617 in der ersten Linie für mCRPC untersucht hatte, zwar auf dem ESMO-Kongress 2023 vorgestellt worden war, aber noch nicht publiziert war. Auch lagen die Daten einer zweiten ähnlichen Phase-III-Studie (SPLASH) noch nicht vor.
In Tabelle 1 werden die Fragen zusammengefasst, die in Zusammenhang mit der Sequenztherapie gestellt wurden. Diese umfassen einerseits Patient:innen, für die keine molekulare Testung verfügbar war, andererseits aber auch Patient:innen, bei denen die Testung durchgeführt wurde und keine relevanten Alterationen identifiziert wurden. Zusätzlich wurde nach Patient:innen mit einer pathogenen BRCA2-Alteration gefragt.
Hinweis & Ausblick
Im Manuskript, das im Oktober publiziert worden ist, sind auch alle weiteren Fragen aufgeführt und in der Anlage alle Fragen inklusive der Abstimmungsresultate verfügbar. Bereits im Februar 2025 (APCCC Diagnostics, 27. – 28. Februar 2025, Lugano) fand die nächste Konsensuskonferenz statt, die sich ganz den klinischen Fragen rund um die Diagnostik widmet. Ende April 2026 ist die darauffolgende Konsensuskonferenz geplant, die wieder alle Themengebiete des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms behandeln wird (APCCC, 29. April bis 2. Mai 2026, Lugano; www.apccc.org ).
Literatur:
Gillessen et al.: Management of patients with advanced prostate cancer. Report from the 2024 Advanced Prostate Cancer Consensus Conference (APCCC). Eur Urol 2024: doi: 10.1016/j.eururo.2024.09.017