
Strahlentherapie beim Prostatakarzinom: die vielfältige Welt der Radiotherapie
Autorin:
Dr. Angela Ginestet
Universitätsklinik für Strahlentherapie –Radioonkologie Innsbruck
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Im Zeitenwandel bei der Bestrahlung des Prostatakarzinoms steht eine immer stärkere Individualisierung bezüglich der Auswahl des Behandlungskonzepts im Mittelpunkt. Dies gelingt unter anderem durch die Einführung verkürzter Therapieschemata in der perkutanen Strahlentherapie.
Keypoints
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Strahlentherapie beim lokalisierten Prostatakarzinom: die perkutane Bestrahlung, die LDR-Brachytherapie und die HDR-Brachytherapie.
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Die größten Fortschritte der letzten Jahre gab es bei der perkutanen Strahlentherapie.
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Die Ultrahypofraktionierung bei der perkutanen Strahlentherapie verwendet höhere Einzeldosen, wobei die gesamte Behandlung in drei bis sieben Sitzungen erfolgt.
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Wichtig ist es, Augenmerk auf die Patientenselektion zu legen – nicht für jede Befund- und Patientenkonstellation ist das ultrakurze Bestrahlungsschema geeignet.
Etablierte radiotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten des Prostatakarzinoms
Wie bereits seit Jahr(zehnt)en bekannt, stellt die Radiotherapie eine zur Operation gleichwertige Behandlungsoption des lokalisierten Prostatakarzinoms dar. Dies entspricht auch zunehmend der gelebten Praxis, wobei sich Radioonkologie und Urologie als Partner und nicht als konkurrierende Fächer verstehen. Somit wird inzwischen vielmehr anhand begleitender Umstände und Patientenpräferenz für das eine oder andere Therapieverfahren entschieden als nur anhand der Tatsache, ob der Patient operationstauglich ist oder nicht.
Die Strahlentherapie beim lokalisierten Prostatakarzinom konnte seit jeher auf drei wesentliche Behandlungsmöglichkeiten zurückgreifen: die perkutane Bestrahlung, die LDR-Brachytherapie in Form einer einmaligen Implantation strahlender Seeds in die Prostata und die HDR-Brachytherapie, welche im Rahmen eines meist dreimaligen operativen Eingriffs einen Strahler über Hohlnadeln direkt in die Prostata einbringt.
Nach wie vor sind letztere Methoden gang und gäbe, doch die fulminanteste Entwicklung der letzten Jahre hat sich zweifelsohne in der perkutanen Strahlentherapie ereignet, sowohl was das Indikationsspektrum betrifft, man denke hier an die nun sicher anwendbare Behandlung von Lymphabflusswegen oder das Einsatzgebiet in der oligometastasierten und/oder metastasengerichteten Therapie, als auch was Applikationstechnik und Fraktionierung betrifft, weswegen hier im Weiteren ein besonderer Schwerpunkt gesetzt werden soll.
Die Zukunft beginnt jetzt
Unbestritten ist der immense technische Fortschritt, den die Strahlentherapie im letzten Jahrzehnt erfahren hat und wodurch eine höhere Dosis bei zugleich sehr niedrigem Nebenwirkungsprofil appliziert werden kann. Genannt sei hier in Bezug auf die Bestrahlungstechnik insbesondere die VMAT („volumentric modulated arc therapy“), bei der die Intensität der Strahlen durch Aufteilung in eine Vielzahl von Bestrahlungssegmenten während einer Rotationsbestrahlung dem gewünschten Volumen angepasst wird. Zusätzlich erfolgt hier eine IGRT („image-guided radiotherapy“), was nichts anderes bedeutet, als dass täglich zum Beispiel anhand einer Mini-Computertomografie, mit der die modernen Linearbeschleuniger üblicherweise ausgestattet sind, eine Kontrolle der Zielvolumenlage und der Lage der umliegenden Normalgewebe durchgeführt wird.
Noch ausgefeilter gelingt die Image Guidance sogar während des Abstrahlens einer Bestrahlungseinheit mittels vorher ins Zielgebiet eingebrachter Marker, üblicherweise Goldmarker, die auch unter der Bestrahlung mittels einfacher kV-Aufnahmen in Sekundenschnelle auffindbar sind, wodurch die Zielpunktkorrektur bei Bedarf auf den Millimeter genau noch während der Sitzung erfolgen kann.
Dies alles setzt nicht nur eine ultramoderne Infrastruktur bei der Geräteschaft voraus, sondern erfordert auch das entsprechende Know-how der anwendenden Fachkräfte, seien es Radioonkolog:innen oder technisches Personal. Und schließlich muss auch der Patient compliant genug sein, um einige Minuten ruhig liegen zu bleiben und in der Lage zu sein, vorbereitende Maßnahmen zur Nebenwirkungsreduktion (und Präzisionserhöhung) in Bezug auf Blase und Enddarm erfüllen zu können. Trotz fast schon überbordender Technik gelingt es, unsere älteren Patienten mit verständlichen Erklärungen ausgesprochen gut durch den Behandlungsablauf zu navigieren.
Rückblickend hat all dies nur noch wenig mit der früheren 4-Felder-Technik zu tun, bei der jeweils 2 opponierende Bestrahlungsrichtungen (ap/pa und links/rechts) mangels anderer technischer Möglichkeiten gewählt werden mussten, und zwar ohne den Füllungszuständen der umliegenden Ausscheidungsorgane Rechnung tragen zu können. Vergleichbar ist dieser technische Fortschritt mit der Entwicklung unserer Mobiltelefone: Konnte man früher „nur“ telefonieren und noch vor 20 Jahren nur mühsam SMS schreiben, so hält man heutzutage kleine potente Computer in Händen.
Zauberwort (Ultra)Hypofraktionierung
Fraktionierung bedeutet in der Strahlentherapie die Aufteilung der Gesamtdosis auf mehrere Einzeldosen. Das sogenannte althergebrachte Therapieschema bei der perkutanen Bestrahlung des Prostatakarzinoms ist die normalfraktionierte Radiotherapie, die sich bei dieser Tumorentität mit täglichen Bestrahlungssitzungen auf ca. 8 Wochen Therapiezeit beläuft. Vor einigen Jahren brachte die moderate Hypofraktionierung den Durchbruch in der Reduktion der Gesamtbehandlungszeit auf ca. 4 Wochen mit leicht erhöhter Einzeldosis bei gleichzeitiger Herabsetzung der Gesamtdosis. Dem Erfolg dieses Konzepts liegt eine strahlenbiologische Besonderheit des Prostatakarzinoms zugrunde, welche es für höhere Einzeldosen ausgesprochen sensibel macht. Aus diesem Grund läge man mit einer rein numerischen Umrechnung per Division dosistechnisch viel zu hoch und benötigt daher etwas diffizilere Anpassungen der Gesamtdosis unter Berücksichtigung der intrinsischen Strahlensensibilität dieses Karzinomtyps.
CHHiP-Studie
Eine der ausschlaggebendsten randomisierten Multicenterstudien zu diesem Thema war die britische CHHiP-Studie, welche in einem dreiarmigen Design die normofraktionierte Strahlentherapie (74Gy in 37 Fraktionen) mit einer moderaten Hypofraktionierung (60Gy in 20 bzw. 57Gy in 19 Fraktionen) verglich. Im Hinblick auf die biochemische und klinische Versagensrate zeigten sich nach einem medianen Follow-up von 62 Monaten keine signifikanten Unterschiede und auch die Nebenwirkungsprofile waren absolut vergleichbar. Zusammen mit 3 weiteren Phase-III-Studien konnte diese Arbeit die Ergebnisse für die moderate Hypofraktionierung erfolgreich untermauern. Inzwischen liegen Langzeitdaten von über 10 Jahren für die Gleichwertigkeit der moderaten Hypofraktionierung im Vergleich zur Normofraktionierung vor, sowohl was Wirksamkeit als auch Nebenwirkungsprofil betrifft, und schon alleine wegen des höheren Patientenkomforts wird die moderate Hypofraktionierung inzwischen als Standard angesehen.
Ultrahypofraktionierung
Die Ultrahypofraktionierung verwendet noch höhere Einzeldosen, wobei die gesamte Behandlung in drei bis sieben Sitzungen konzentriert wird. Diese Fraktionierung stellt nochmals deutlich höhere Ansprüche an Patientenselektion, Präzision der Bestrahlungsapplikation und Qualität der Bildgebung und erfordert einige Erfahrung in der perkutanen Bestrahlung des Prostatakarzinoms bzw. in der stereotaktischen Bestrahlungstechnik (Abb. 1). Dieses Schema ist im amerikanischen Raum bereits für die Routine freigegeben und fasst nach und nach in immer mehr Institutionen auch in unseren Breiten Fuß. Besonders attraktiv ist natürlich die der Operation vergleichbare Behandlungsdauer von circa einer Woche.
Abb. 1: Planung der Ultrahypofraktionierung beim Prostatakarzinom (Abbildung A. Ginestet)
HYPO-RT-PC-Studie
Nachdem es bereits Langzeitdaten von nicht randomisierten Serien gab, wurde nach den Ergebnissen der ersten großen randomisierten norwegischen HYPO-RT-PC-Studie, die bei 1200 Patienten die normofraktionierte Bestrahlung mit einem 7-Fraktionen-Konzept (42,7Gy zu 6,1Gy Einzeldosis) verglich, auch mit Spannung auf die 5-Jahres-Daten der britischen PACE-B-Studie hingefiebert, welche im Herbst 2024 publiziert wurde. Das Design dieser Phase-III-Studie für 874 Patienten mit „Low“- und „Favourable intermediate risk“-Konstellation bestand aus einem ultrahypofraktionierten Schema mit 5 Fraktionen, welches in einem zweistufigen Dosis-Zielvolumen-Konzept Einzeldosen von 7,25Gy bzw. 8Gy zur Anwendung brachte, sowie einem normofraktionierten und einem moderat hypofraktionierten Arm. Auch hier zeigte sich, dass das kürzere Behandlungsschema „non-inferior“ zur moderaten Hypofraktionierung bzw. Normofraktionierung war und sich die mit Argusaugen beobachtete, nach 1 – 2 Jahren posttherapeutisch leicht erhöhte urogenitale Toxizität im Laufe der Zeit wieder auf die bekannt extrem niedrige Nebenwirkungsrate nivellierte.
Patientenselektion
Ist nun jeder Patient mit lokalisiertem Prostatakarzinom in nur 1 Woche mit der Bestrahlung durch? So einfach ist es sicher nicht. Eine größere Auswahl an Methoden und Armamentarium bedeutet eher, mehr Augenmerk auf die Patientenselektion zu legen. Vor allem auf das prätherapeutische Miktionsprofil ist zu achten sowie auf das Vermögen des Patienten, Trinkprotokolle für die Blasenfüllung bzw. abführende Maßnahmen für den Enddarm zu berücksichtigen, denn dies ist neben der routinemäßig anzuwendenden Markerimplantation zur intrafraktionellen Image Guidance maßgeblich für die in der Bestrahlungssituation erforderliche Präzision. Darum Vorsicht bei Versprechungen an Patienten: Nicht für jede Befund- und Patientenkonstellation ist dieses ultrakurze Bestrahlungsschema geeignet. Dennoch sind dies wohl die bahnbrechendsten Veränderungen in der perkutanen Strahlentherapie der letzten Jahre, die wir „step by step“ fundiert überlegt umsetzen durften.
Eine weitere Akzelerierung steht als logische Folge dieser letzten Errungenschaften bereits im Raum, diese ist allerdings in der perkutanen Therapie derzeit noch als experimentell zu betrachten. Eine tumorablative Methode in zum Beispiel nur einer Sitzung, und das im ambulanten Setting und ohne Operationsrisiko, klingt allerdings jetzt schon wie Musik in den Ohren eines jeden Radioonkologen bzw. einer jeden Radioonkologin.
Literatur:
● Brand DH et al.: Intensity-modulated fractionated radiotherapy versus stereotactic body radiotherapy for prostate cancer (PACE-B): acute toxicity findings from an international, randomised, open-label, phase 3, non-inferiority trial. Lancet Oncol 2019; 20(11): 1531-43 ● Catton CN et al.: Randomised trial of a hypofractionated radiation regimen for the treatment of localised prostate cancer. JCO 2017; 35(17): 1884-90 ● Dearnaley D et al.: Conventional versus hypofractionated high-dose intensity-modulated radiotherapy for prostate cancer: 5-year outcomes of the randomised, non-inferiority, phase 3 CHHiP trial. Lancet Oncol 2016; 17(8): 1047-60 ● Incrocci L et al.: Hypofractionated versus conventionally fractionated radiotherapy for patients with localised prostate cancer (HYPRO): final efficacy results from a randomised, multicentre, open-label, phase 3 trial. Lancet Oncol 2016; 17(8): 1061-9 ● Jackson WC et al.: Systematic review and meta-analysis of over 6000 patients treated on prospective studies. Int J Radiate Onco Bio Phys 2019; 104(4): 778-89 ● Lee WR et al.: Randomised phase III noninferiority study comparing to radiotherapy fractionation schedules in patients with low-risk prostate cancer. JCO 2016; 340(20): 2325-39 ● Kishan AU et al.: Long-term outcomes of stereotactic body radiotherapy for low-risk and intermediate-risk prostate cancer. JAMA Netw Open 2019; 2(2): e188006. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2018.8006 ● van As N et al.: Phase 3 trial of stereotactic body radiotherapy in localized prostate cancer. N Engl J Med 2024; 391(15): 1413-25 ● Widmark A et al.: Ultra-hypofractionated versus conventionally fractionated radiotherapy for prostate cancer: 5-year outcomes of the HYPO-RT-PC randomised, non-inferiority, phase 3 trial. Lancet 2019; 394(10196): 385-95