
Erste Erfahrungen mit Da Vinci single port – was ist der wirkliche Vorteil?
Autoren:
Univ.-Prof. Dr. Axel Haferkamp
Priv.-Doz. Dr. Maximilian P. J. K. Brandt, FEBU
Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
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Noch nicht sehr lange auf dem Markt ist das Da Vinci single port System. Es unterscheidet sich von den Modellen Da Vinci X und Xi darin, dass nur noch ein einziger Schnitt für den Zugang notwendig ist. Wasbringt das neue System? Welche Vorteile, aber auch Limitationen hat es?
Keypoints
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Für den operativen Zugangsweg des Da Vinci SP System ist nur ein Schnitt für den „Single port“-Zugang notwendig.
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Es gibt Unterschiede zu den bisherigen Systemen, welche sich vorteilhaft, aber auch nachteilig zeigen können.
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Die Datenlage zeigt Vorteile in der Verwendung der postoperativen Schmerzmedikation oder Krankenhausaufenthaltsdauer für den Da Vinci SP.
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Da Vinci SP deckt wie die früheren Systeme alle Eingriffe ab und stellt damit eine Option für minimalinvasive Eingriffe dar.
Mit dem neuen Da Vinci single port (SP) System steht seit 2024 ein weiteres Operationssystem der Firma Intuitive® für minimalinvasive Chirurgie in Europa zur Verfügung. An der Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie der Universitätsmedizin Mainz wird das Da Vinci SP System® seit Mai 2024 eingesetzt, um verschiedene minimalinvasive Operationen durchzuführen. Hierzu zählen unter anderem die radikale Prostatektomie, Nierenteilresektionen und rekonstruktive Eingriffe im Beckenboden. Zur Beurteilung des Da Vinci SP im Kontext der etablierten Systeme wie Da Vinci X und Xi müssen mehrere Aspekte berücksichtigt werden, die wir in diesem Artikel beleuchten wollen.
Für die Etablierung des operativen Zugangsweges des Da Vinci SP System ist, wie der Name schon sagt, nur ein Schnitt für den „Single port“-Zugang notwendig. Dadurch ist zunächst keine klassische Assistenzmöglichkeit über einen 12-mm-Trokar gegeben, wie es bei der radikalen Prostatektomie oder den Niereneingriffen meist der Fall ist. Zwar kann über den Access-Port ein Instrument eingeführt werden, aufgrund des damit verbundenen Zugangswinkels sind die Assistenzmöglichkeiten jedoch deutlich eingeschränkter im Vergleich zur Assistenz mit einem 12-mm-Trokar. Mit Beginn der ersten Da-Vinci-SP-Eingriffe war es somit von Vorteil, einen weiteren Trokar (z.B. 12 mm oder 5 mm) zu etablieren, der es dem Assistenten ermöglicht, suffizient zu assistieren. Dies kann im Extra- oder Retroperitonealraum gleichermaßen durchgeführt werden.
Nach mehreren Eingriffen mit dem Da Vinci SP kann jedoch auch auf diesen Trokar verzichtet werden und der Assistent kann über den Access-Port bei den wenigen notwendigen Schritten assistieren. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass es in Deutschland noch kein zugelassenes System zur Absaugung wie z.B. das Remotely Operated Suction Module® „ROSI“ gibt, was die Absaugmöglichkeiten im Vergleich zu einer starren Absaugvorrichtung umständlicher macht. Letztlich ist hier Kreativität gefragt: Es kann z.B. eine nasogastrale Sonde an eine Saugvorrichtung angeschlossen werden, die dann über den Assistentenzugang des Access-Ports dem Operateur zur Verfügung gestellt wird, sodass dieser selbstständig eine Absaugung von z.B. Koageln steuern kann.
3 Instrumentenarme
Nach Etablierung des Zugangs stehen dem Operateur drei Instrumentenarme und die Kamera zur Verfügung. Die Einstellungen der artikulierbaren Kamera sind für den Operateur sicherlich von Vorteil, da die Kamera selbstständig über den sogenannten „Cobra-Modus“ in eine gewinkelte Position gebracht werden kann. Das bedeutet, dass der Wechsel zwischen einer 0°- und 30°-Optik entfällt. Weiterhin ist der Blick auf eine anatomische Zielstruktur durch eine 180°-Drehung aller Arbeitsarme von „oben“ oder von „unten“ möglich, was wiederum die Einsicht in das Operationsgebiet verbessern kann. Der größte Unterschied zu dem Multiport-System des Da Vinci X/Xi ist wahrscheinlich die Beweglichkeit der Arbeitsarme im Situs. Bei dem Da Vinci SP System müssen hierfür immer alle vier Arme, inklusive der Kamera, eine optimale Ausrichtung zum OP-Feld haben, um die Freiheitsgrade der Arbeitsarme maximaleffizient nutzen zu können. Das kann für retroperitoneale Eingriffe mit dem Multiport-System ähnlich notwendig sein, dennoch sind die Bewegungsfreiheiten bei transperitonealen Eingriffen mit konsekutivem Pneumoperitoneum größer als mit dem Da Vinci SP. Dieser vermeintliche Nachteil kann aber auch gerade von Vorteil sein, wenn es sich um die wie bereits erwähnten extra- oder retroperitonealen Zugänge handelt. So lässt sich die radikale Prostatektomie mit dem Da Vinci SP System praktisch auf drei Ebenen ausführen: transperitoneal, extraperitoneal und transvesikal (Abb. 1).
Abb. 1: Mit dem Da Vinci SP System lässt sich die radikale Prostatektomie praktisch auf drei Ebenen ausführen: transperitoneal, extraperitoneal und transvesikal
Extraperitoneale Eingriffe wahrscheinlich einfacher
Während bei transperitonealen Eingriffen, abgesehen von den oben genannten Bewegungsfreiheiten, keine größeren Unterschiede zwischen dem Da Vinci X/Xi und dem Da Vinci SP System zu erwarten sind, sind diese mit dem Da Vinci SP System vermutlich leichter zu etablieren. Dies trifft insbesondere auf den transvesikalen Zugang zu, der eine mögliche Nische für das Da Vinci SP System darstellt. Es bleibt zu beachten, dass bei einem transvesikalen Zugang keine Lymphadenektomie möglich ist und eine entsprechende Patientenauswahl notwendig ist. Bei retroperitonealen Niereneingriffen ist der sogenannte „lower anterior access“ als sicheres Verfahren beschrieben.1 Auch hier konnten wir feststellen, dass die Lagerung des Patienten auf dem Rücken ebenfalls von Vorteil sein kann und den Lagerungsvorgang beschleunigt.
Eine intraoperative Herausforderung stellt bei extra- oder retroperitonealen Eingriffen der kleinere Arbeitsraum dar. So können bereits kleinere Blutungsereignisse die Sicht auf den Operationssitus deutlich erschweren, auf eine minutiöse Blutstillung ist daher zu achten. In diesem Zuge sei auch nochmal auf die eingeschränkten Möglichkeiten der intraoperativen Absaugung hingewiesen, die im Falle einer Blutungssituation erschwert sein kann. Wenn im Normalfall ein suffizienter Zugangsweg etabliert ist und die Übersichtsverhältnisse gut sind, ist bezogen auf die radikale Prostatektomie mit extraperitonealem Zugang ein gewohnter Situs zu erkennen, welcher den erfahrenen Operateur vor wenige Herausforderungen stellt. Lediglich der Zugang zu den Samenblasen erfolgt bei dem extraperitonealen Zugang erst nach Durchtrennung des Blasenhalses in einem anterioren Approach. Für den transvesikalen Zugang sind wiederum andere Operationsschritte notwendig, aber letztlich auch unter Berücksichtigung der anatomischen Strukturen gut anwendbar. Vielmehr spielt die Prostatagröße eine entscheidende Rolle bei der Auswahl eines transperitonealen und transvesikalen Zugangs, da sich größere Drüsen, aus eigener Erfahrung ab ca. 50g, nur schwer aus dem Situs und ohne Erweiterung des Schnittes entfernen lassen.
Nierentumoren
Nierentumoren verschiedenster Lokalisationen lassen sich grundsätzlich alle erreichen, wobei die initiale Präparation der Niere durchaus entscheidend sein kann, da z.B. bei einem dorsal gelegenen Tumor auch der Zugang in die dorsalen Areale der Gerotafaszie erfolgen sollte. Dadurch werden die ventralen Schichten nicht gelöst und es entsteht ein natürlicher Zug der Niere nach ventral, was wiederum bei einer dorsalen Präparation hilft. Die exakte Präparation des Hilus entlang anatomischer Grenzen bleibt ungeachtet des Zugangsweges von entscheidender Bedeutung. Da in Deutschland noch keine zugelassenen Bulldog-Klemmen für den Da Vinci SP zur Verfügung stehen, ist im Falle einer notwendigen arteriellen Ischämie ein weiterer 12-mm-Trokar zur Platzierung einer Bulldog-Klemme unerlässlich.
Vorteile bei postoperativer Schmerzmedikation
Die Datenlage bezüglich funktioneller und onkologischer Ergebnisse im Falle der radikalen Prostatektomie zeigen einen Vorteil in der Verwendung der postoperativen Schmerzmedikation oder Krankenhausaufenthaltsdauer für den Da Vinci SP. Für die Krankenhausaufenthaltsdauer kann aufgrund der verschiedenen Gesundheitssysteme kein suffizienter Vergleich zu europäischen Einrichtungen gezogen werden.2,3 Es stehen noch keine Daten aus Deutschland zur Verfügung, welche die Effektivität bezogen auf das Erektions- und Kontinenzverhalten sowie auf onkologische Parameter untersucht haben. Dass noch größere Studien notwendig sind, um die onkologischen und funktionellen Ergebnisse besser beurteilen zu können, wird ebenfalls von Kollegen aus Italien propagiert.2
Fazit
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass mit dem neuen Da Vinci SP System sicherlich ein weiterer sehr guter Operationsroboter der Firma Intuitive auf den Markt gebracht wurde, der dem Anwender neue Möglichkeiten bietet, ihn aber auch gleichzeitig vor neue Herausforderungen stellt. Es ist vermutlich kein System, das die früheren Systeme wie den Da Vinci X oder den Da Vinci Xi direkt ersetzen wird, aber da der Da Vinci SP letztlich gleichermaßen wie die früheren Systeme alle Eingriffe abdecken kann, stellt er sicherlich eine Option für minimalinvasive Eingriffe dar.
Literatur:
1 Ditonno F et al.: Single-port robot-assisted partial nephrectomy via the lower anterior approach: a video analysis of initial clinical experience. BJU Int 2024; 134(5): 848-51 2 Moschovas MC et al.: Comparing the approach to radical prostatectomy using the multiport da vinci xi and da vinci SP robots: a propensity score analysis of perioperative outcomes. Eur Urol 2021; 79(3): 393-404 3 Lenfant L et al.: Pure single-site robot-assisted radical prostatectomy using single-port versus multiport robotic rRadical prostatectomy: a single-institution comparative study. Eur Urol Focus 2021; 7(5): 964-72