CAR-T-Zell-Therapie beim systemischen Lupus – ein neuer Meilenstein?
Bericht: Dr. Christine Adderson-Kisser, MPH
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Seit dem Jahr 2021 wird die CAR-T-Zell-Therapie auch in der Behandlung von Autoimmunerkrankungen eingesetzt – dies stellt ein relativ neues Anwendungsfeld dieser Methode außerhalb der Onkologie dar. Prof. Dr. Georg Schett vom Deutschen Zentrum Immuntherapie des Universitätsklinikums Erlangen-Nürnberg fasste die bis dato beachtlichen therapeutischen Erfolge auf dem European Congress of Rheumatology (EULAR) zusammen.
Erstes Einsatzgebiet der CAR-T-Zell-Therapie war die Onkologie: Bereits 2010 wurde sie in den USA erfolgreich bei Leukämien eingesetzt. „Ein CAR ist ein künstlicher Rezeptor, der in die Membran einer lebenden T-Zelle eingebracht wird und mit seiner extrazellulären Domäne – vergleichbar mit einem Immunglobulin – ein spezifisches Antigen auf der Zielzelle erkennt“, erläuterte Schett das Prinzip. Durch die Antigen-Bindung werden die beiden intrazellulären Anteile stimuliert, wodurch die T-Zelle aktiv wird und die Zielzelle abtöten kann. „Was diese Therapieform so besonders macht, ist die Tatsache, dass CAR-T-Zellen ein lebendes Medikament sind und die Zielzellen sowohl erkennen als auch abtöten, also zwei Funktionen in einem haben“, erklärte Schett. „Sie sind extrem effektiv, da sie nach dem Abtöten einer Zielzelle direkt an der nächsten Zelle einsetzbar sind. Und das überall im Körper, sogar im zentralen Nervensystem.“1
Aktuell werden CAR-T-Zellen über einen viralen Vektor – Lentiviren oder Re-troviren – erzeugt. Für gewöhnlich stammen die T-Zellen vom Patienten selbst (autolog), erhalten dann ex vivo den CAR und werden dem Patienten danach als CAR-T-Zellen wieder zugeführt. T-Zellen von gesunden Personen (allogen), aber auch natürliche Killerzellen oder γ/δ-T-Zellen, die die Möglichkeit einer CAR-T-Zell-Therapie „vom Band“ bieten würden, sind hinsichtlich ihrer Effektivität noch in Untersuchung. Neuere experimentelle Methoden zur Generierung von CAR-T-Zellen stellen liposomale Nanopartikel (LNP) dar, die die RNA für den CAR in die T-Zelle einbringen und somit zukünftig eine In-vivo-CAR-T-Zell-Generierung möglich machen könnten. Auch ganz neue Methoden zur Herstellung Antigen-spezifischer CAR-Zellen werden derzeit erforscht.2 „Auf dem Gebiet der CAR-Zell-Therapie tut sich also derzeit wirklich viel“, erklärte Schett.
Neues Einsatzgebiet der CAR-T-Zellen: systemischer Lupus erythematodes
Im Jahr 2021 erhielt erstmals eine Patientin mit systemischem Lupus erythematodes (SLE) eine autologe CAR-T-Zell-Therapie. Als Zielantigen wird üblicherweise CD19 ausgewählt, das sich auf der Oberfläche von B-Zellen zahlreicher Entwicklungsstufen sowie Plasmablasten, nicht aber auf Plasmazellen, befindet. Per Kurzinfusion werden etwa 1 Million CAR-T-Zellen/kg KG infundiert.3
Abb. 1: Prinzip der CAR-T-Zell-Therapie bei SLE. Mod. nach Schett G et al. (3)
Die 20-jährige Patientin litt bereits seit der Kindheit an einer schweren Form von SLE mit Beteiligung von Nieren, Lunge, Herz, Gelenken und Haut. Trotz Einsatz verschiedener für SLE zugelassener Therapien wies die Patientin weiterhin einen schweren Verlauf mit einer Glomerulonephritis vom GradIV (Proteinurie:4–6g/Tag) und einen Anti-dsDNA-AK-Spiegel von 8000–12000U/ml auf. „Die Entscheidung zur CAR-T-Zell-Therapie bei dieser Patientin war keine leichte, denn es gab keine Erfahrungen dazu, ob autologe T-Zellen bei einer autoimmun erkrankten Person die Erkrankung nicht eventuell sogar exazerbieren könnten“, erklärte Schett. „Andererseits gab es therapeutisch auch keine zugelassenen Alternativen mehr für die Patientin und ihre Prognose war sehr schlecht.“ Doch nach Kurzinfusion von 50Millionen CAR-T-Zellen traten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auf. Die CAR-T-Zellen expandierten innerhalb der ersten 10Tage nach Infusion massiv (Anteil der CAR-T-Zellen an allen T-Zellen an Tag 9: 27%), um dann wieder abzunehmen.4
„Die Auswirkungen auf den Lupus waren immens. Die zirkulierenden B-Zellen waren nach der Infusion nicht mehr messbar, die Anti-dsDNA-Antikörper sanken schnell bis zur Serokonversion, die Level der Komplementfaktoren C3 und C4 normalisierten sich und die Proteinurie besserte sich deutlich“, fasste Schett den Erfolg zusammen.4 „Einen Monat nach der CAR-T-Zell-Therapie hatten wir demnach eine komplette Remission.“ Was noch viel mehr erstaunte: Auch drei Jahre nach der Therapie war die Patientin frei von Symptomen – und das ohne jegliche immunsuppressive Therapie. Etwa 100 Tage nach der Therapie waren auch wieder B-Zellen anhaltend detektierbar, was bedeutet, dass keine aktiven CAR-T-Zellen mehr vorhanden sein konnten.
„Provokativ gesprochen stellt sich jetzt also die Frage, ob wir statt einer reinen Suppression von Autoimmunerkrankungen vielleicht sogar Heilung erreichen könnten. Dass irgendwann nicht mehr eine lebenslange Therapie zur Krankheitskontrolle nötig ist, sondern eine kurze Phase der Therapie, die die Krankheit dauerhaft zur Heilung bringt. Das ist zwar derzeit noch eine Vision, aber eine, die wir haben sollten“, so der Experte.
Von der Vision zum Ziel – wo stehen wir aktuell?
„Wie kam es nun zu der Idee eines Immunsystem-Resets bei Menschen mit Autoimmunerkrankungen – und warum haben wir es immer noch nicht geschafft, diesen erfolgreich durchzuführen?“, so Schett weiter. „Ein Aspekt sind sicher die B-Zellen, die bei klassischen Autoimmunerkrankungen einen kritischen Punkt darstellen.“ Denn die Autoantikörperproduktion beginnt meist schon Jahre vor den ersten klinischen Symptomen, was bei verschiedenen Autoimmunerkrankungen, wie dem Diabetes mellitus Typ1, der rheumatoiden Arthritis und dem SLE, beobachtet werden konnte.5 „Wir wissen, dass es eine Art Autoimmunverstärkungs-Schleife gibt, die einen ganz normalen Gewebsdefekt, der normalerweise über das Stadium der akuten Entzündung zur Ausheilung führt, zu einer persistierenden autoimmunen oder chronisch-entzündlichen Krankheit werden lässt. Wir müssen also diese Schleife, die die B-Zell-Aktivierung und Antikörperproduktion unterhält, unterbrechen“, erklärte der Experte.
Bisherige Versuche dazu habe es bereits gegeben, allerdings mit enttäuschendem Outcome. So zeigte in der EXPLORER-Studie Rituximab, ein „off-label“ bei SLE eingesetzter, gegen CD20 gerichteter monoklonaler Antikörper, nicht mehr Effekt auf die SLE-Aktivität oder das schubfreie Überleben als Placebo.6 „Wir nutzen Rituximab basierend auf zahlreichen Daten aus Beobachtungsstudien zwar weiterhin in der Behandlung des SLE, aber diese Daten zeigen, dass wir mit Rituximab noch keine ausreichende B-Zell-Inhibierung erreichen.“
Die mangelnde B-Zell-Depletion von Rituximab konnte inzwischen auch in Untersuchungen gezeigt werden, wie Schett anhand von drei Beispielen aufzeigte. So fanden sich bei Nierentransplantierten unter Rituximab zwar keine B-Zellen mehr im peripheren Blut, wohl aber eine große Anzahl in den abdominellen Lymphknoten.7 Bei Patientinnen und Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA), bei denen Rituximab eine etablierte Therapieoption darstellt, ergaben Synovialbiopsien, dass Rituximab die B-Zell-Population zwar verringerte, aber B-Zell-Taschen in der Synovia bestehen blieben.8 Und auch in Tonsillenbiopsaten von mit Rituximab behandelten SLE-Patienten und -Patientinnen konnten zahlreiche Gedächtnis-B-Zellen wie auch Keimzentrums-B-Zellen nachgewiesen werden.9 Diese Studien weisen somit alle darauf hin, dass Rituximab zwar effektiv gegen zirkulierende B-Zellen wirkt, die gewebsständigen jedoch kaum erreicht.
„Zusammenfassend kann man also sagen, dass Rituximab quasi ein langes, flaches Tal der B-Zell-Depletion bewirkt, die etwa ein halbes Jahr lang anhält, aber die B-Zellen im Gewebe nicht gut erreicht, sodass die B-Zell-Rekonstitution dann auch durch diese autoreaktiven B-Zellen erfolgt, wenn die Rituximab-Wirkung in der Peripherie nachlässt.10
Was könnte nun verbessert werden? Der klassische Ansatz ist, die B-Zellen mithilfe monoklonaler Antikörper zu töten, wie es bei Rituximab geschieht – allerdings mit den oben genannten Einschränkungen. Bispezifische T-Zell-Engager, die B-Zellen an die Effektor-T-Zellen binden, zeigen sich hier effektiver.“ Hierzu laufen bereits mehrere Studien, die die Effektivität bei Auto-immunerkrankungen untersuchen. Den aktuell erfolgreichsten Ansatz stellten laut Schett aber die CAR-T-Zellen dar, die frei in alle Bereiche des Körpers gelangen und quasi als „Serienkiller“ eine maximale Depletion der B-Zellen erreichen können. Darüber hinaus hat diese B-Zell-Depletion mehr als nur das Sistieren der Autoantikörperproduktion zur Folge: Auch die Antigen-Präsentation gegenüber T-Zellen, die Zytokinproduktion und die Ausbildung von Lymphfollikeln werden gehemmt.2
Das Erfolgsrezept: B-Zell-Depletion durch CAR-T-Zellen – kürzer, aber tiefer
„Bis vor Kurzem war das alles nur eine Hypothese. Doch in seriellen Lymphknotenbiopsien von Patienten nach CD19-CAR-T-Zell-Therapie konnte kürzlich histologisch die komplette Depletion der B-Zellen und Auflösung der follikulären Struktur nachgewiesen werden, während in Lymphknoten von mit Rituximab Behandelten CD19+ und CD20+ B-Zell-Nester persistierten“, erklärte Schett. Auch weitere B-Zell-abhängige Zellen in den Lymphknoten waren nach CAR-T-Zell-Therapie komplett verschwunden, nach Rituximab jedoch nahezu unverändert nachweisbar. „Die CAR-T-Zell-Therapie bewirkt also ein tiefes, schmales Tal der B-Zell-Depletion über einen sehr kurzen Zeitraum, etwa einen Monat, wobei aber nahezu alle B-Zell-Klone vernichtet werden, sodass die B-Zell-Rekonstitution von den CD19-negativen Vorläuferzellen im Knochenmark, also einem naiven System, ausgeht – in der Regel nach 50 bis 150 Tagen“.10 Bei diesen B-Zellen handelt es sich fast ausschließlich um naive B-Zellen, wie Untersuchungen nach 3 und 12 Monaten gezeigt haben – mit nur sehr wenigen Gedächtnis-B-Zellen, die erst nach 12 Monaten anzusteigen begannen. Die Plasmablasten und aktivierten Gedächtnis-B-Zellen, die mit der Lupusaktivität assoziiert sind, waren hier komplett depletiert.11 Nach der Therapie zeigte sich zunächst auch ein verändertes Muster der schweren Ketten der Rezeptoren und Antikörper der neuen B-Zellen: Waren zuvor hauptsächlich IgM, IgG und IgA nachweisbar, kam es nach der CD19-CAR-T-Zell-Therapie zunächst zu einem Switch auf IgM und IgD.11 „IgG und IgA kommen aber auch wieder, doch erst später, wenn Impfungen und Infektionen stattgefunden haben“, so Schett. Auch auf genetischer Ebene konnte mittels Next-Generation-Sequencing gezeigt werden, dass das B-Zell-Repertoire von Menschen mit Lupus, Myositis und systemischer Sklerose ein Jahr nach der CAR-T-Zell-Therapie weitestgehend dem naiver B-Zellen von Gesunden entsprach. „Wir haben hier also keinen Hinweis auf B-Zell-Klonalität“, betonte der Experte.
„Der Effekt auf die verschiedenen Lupusantikörper kann als dramatisch bezeichnet werden, zeigt sich doch für alle eine Serokonversion auf Nullwerte.11 Und das verändert das Leben der Behandelten natürlich von Grund auf – auch wenn Sklerodermiepatienten durch die irreversiblen Organbeteiligungen meist keine komplette Remission erreichen, so doch eine deutlich verringerte Krankheitsaktivität. Beeindruckend ist, dass all diese Patienten nach der CAR-T-Zell-Therapie dauerhaft weder Glukokortikoide noch andere Immunsuppressiva benötigen.“
Bestätigt werden diese Ergebnisse auch in einer kürzlich publizierten Phase-I/II-Basket-Studie (CASTLE) mit 15 Patienten, in der sich ein kurzzeitiger Peak der CAR-T-Zellen um Tag 8 und eine B-Zell-Rekonstitution zwischen Tag 30 und 90 zeigten – bei gutem Sicherheitsprofil und den gleichen harten Response-Kriterien.
Und auch für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Autoimmunerkrankungen sei die CAR-T-Zell-Therapie laut dem Experten nicht nur eine Option, sondern oft die einzig wirksame Maßnahme. So berichtete Schett von einem 15-jährigen Mädchen mit SLE, das trotz zahlreicher Therapieversuche ein Nierenversagen erlitten hatte und hämodialysepflichtig wurde. Unter CAR-T-Zell-Therapie erlangte sie eine vollständige Wiederherstellung der Nierenfunktion mit einem Kreatininwert von 1,0mg/dl und zeigte keinerlei Lupusaktivität mehr.12
Eine große Herausforderung stelle auch die Behandlung einer ZNS-Beteiligung bei SLE dar – ebenso wie die Therapie von Autoimmunenzephalitis und anderen primären ZNS-Erkrankungen. Der große Vorteil von CAR-T-Zellen sei hier, dass sie die Blut-Hirn-Schranke überwinden können, was anhand der Therapieerfolge bei primären ZNS-Lymphomen gezeigt werden konnte. „Der ,unmet need‘ von Patienten mit neurologischer Beteiligung des Lupus ist immens und bisher gab es keine echte Hilfe – auch von einer Teilnahme an Studien waren diese Menschen ausgeschlossen. Die CAR-T-Zell-Therapie eröffnet auch hier ganz neue Möglichkeiten.“
Schett präsentierte weitere drei Beispiele für den tiefreichenden Effekt der CAR-T-Zell-Therapie bei Autoimmunerkrankungen. So konnte zum einen mittels Fibroblasten-Aktivierungs-Protein(FAP)-PET-CT gezeigt werden, dass der Gewebeumbau in Lungeninterstitium und Myokard bei der systemischen Sklerose nach 4Monaten immens reduziert wurde – was für die Prognose entscheidend ist, birgt doch die Myokardbeteiligung ein hohes Risiko für einen plötzlichen Herztod. Auch konnten in Hautbiopsien von an Sklerodermie Erkrankten im 1-Jahres-Follow-up nach Therapie eine partielle Wiederherstellung der völlig zerstörten papillären Strukturen und eine substanzielle Reduktion aktivierter Fibroblasten gezeigt werden. „Diesen Effekt sehen wir nicht unter Rituximab, daher ist anzunehmen, dass die Tiefe der B-Zell-Depletion einen grundlegenden Effekt auf die Gewebearchitektur hat.“ Und nicht zuletzt hat sich gezeigt, dass die CAR-T-Zell-Therapie auch indirekte Auswirkungen auf die Genexpression in T-Zellen hat, da vor allem die all diesen Autoimmunerkrankungen gemeinsame Typ-1-Interferon-Antwort herunterreguliert wird – was eventuell den nachhaltigen Therapieeffekt der Behandelten erklären könnte, resümierte Schett.13
Wodurch erklärt sich der überragende Effekt der CAR-T-Zell-Therapie?
Der Erfolg der CAR-T-Zell-Therapie lässt sich wohl auf das breite Spektrum der B-Zellen zurückführen, die depletiert werden: Denn mit dem CD19-Ansatz werden – im Vergleich zum Oberflächenzielmarker CD20 – auch die frühen Pro-B-Zellen als erste Vorläuferstufe im Knochenmark, in denen bei Lupuspatienten schon Mutationen nachgewiesen werden konnten, sowie die Plasmablasten in den sekundären lymphatischen Organen miterfasst.Dass mit dem Zielantigen CD19 kein besonders großer Anteil an langlebigen Plasmazellen ausgeschaltet wird, zeigten aktuelle Untersuchungen bei Patientinnen und Patienten nach CAR-T-Zell-Therapie, bei denen die Antikörpertiter für Masern, Mumps, Röteln, Tetanus, Pneumokokken und SARS-CoV2 sehr stabil blieben.11 „Das heißt, wir töten durch die CD19-CAR-T-Zell-Therapie nicht das Immungedächtnis ab und behindern auch nicht die prinzipielle Fähigkeit dieser Zellen für eine adäquate Antwort auf Auffrischungsimpfungen. Das rekonstituierte B-Zell-System der Behandelten ist also ein funktionierendes.“ Auch erklärt sich dadurch, warum die CD19-CAR-T-Zell-Therapie zu keiner ausgeprägten Hypogammaglobulinämie führt, was eine therapeutische Herausforderung für die Infektkontrolle und Anlass für die Immunglobulin-Substitution wäre.11 „In den ersten drei Monaten nach der Therapie geht etwa ein Drittel der Immunglobuline verloren, doch die anderen zwei Drittel halten sich ziemlich stabil – was darauf schließen lässt, dass dieser Anteil von den langlebigen Plasmazellen stammt.“
Doppelter Angriff bei SLE
„Möglicherweise lohnt es auch beim SLE, die Plasmazellen im Knochenmark zu zerstören, wofür man aber weitere Zielstrukturen wie BCMA, das ,B-cell maturation antigen‘, auf der Oberfläche reifer B-Zellen abdecken müsste, wie es bereits in der Therapie des multiplen Myeloms angewendet wird.“ In einer aktuell erschienenen Publikation aus China wurde nun gezeigt, dass ein CD19/BCMA-Doppelangriff mit CAR-T-Zellen bei SLE machbar ist.14 So erbrachten 3Mio.CAR-T-Zellen/kgKG bei 13 Lupuspatientinnen und -patienten sehr gute Erfolge: Neun Behandelte erzielten eine DORIS-Remission und bildeten ein naives B-Zell-System aus. Die IgG-Titer fielen dabei substanziell auf substitutionswürdige Werte ab. Die dsDNA-AK zeigten eine Serokonversion auf null und – spezifisch auf den BCMA-Ansatz zurückzuführen – ebenso die Anti-SSA-Ro60-Antikörper14, die unter alleiniger CD19-gerichteter Therapie üblicherweise nicht auf null serokonvertieren – ein Zeichen der erfolgreichen Depletion von Plasmazellen und deren Antikörpern.
Wie sicher ist die CAR-T-Zell-Therapie bei autoimmun Erkrankten?
Gefürchtete Komplikation bei der CAR-T-Zell-Therapie ist das Auftreten eines Zytokinfreisetzungssyndroms (CRS), wie es von deren Einsatz in der Onkologie bekannt ist. Dieses basiert darauf, dass die CAR-T-Zellen aktiviert werden, wenn sie die Zielstruktur „sehen“. Große Mengen an B-Zellen bewirken daher eine starke Aktivierung, wie es bei malignen hämatologischen Erkrankungen, also Lymphomen oder Leukämien, der Fall ist. Bei benignen Erkrankungen wie SLE dagegen kommen vergleichsweise deutlich weniger B-Zellen vor, sodass das CRS bei den bisher Behandelten sehr mild ausgefallen ist.11 „In den ersten Tagen nach Infusion der CAR-T-Zellen kam es bei manchen zu Fieber, teilweise auch mit der Notwendigkeit der Einmalgabe von Tocilizumab oder von fiebersenkender Medikation. Blutdruckdysregulationen wurden dagegen nicht beobachtet. Es handelte sich also um ein Zytokinfreisetzungssyndrom vom Grad 1, das relativ leicht zu beherrschen war.“
In puncto Immunsuppression nach B-Zell-Depletion wurden in den 12 Monaten nach Therapie hauptsächlich milde Infektionen des oberen Respirationstrakts und Herpesreaktivierungen beobachtet; einer der 15 Patienten entwickelte innerhalb der ersten 3 Monate nach Therapie eine Pneumonie, die er vor Therapie allerdings auch schon mehrfach gehabt hatte. „Insgesamt sahen wir also kein erhöhtes Infektrisiko nach der CAR-T-Zell-Therapie bei autoimmun Erkrankten – wobei sicher auch das Beenden der Glukokortikoid- und immunsuppressiven SLE-Therapien einen großen Anteil daran hatte“, fasste Schett zusammen.
Was das Konzept angehe, dass CARs die Entstehung von T-Zell-Lymphomen begünstigen können – entstanden aus der Beobachtung, dass bei Patienten mit B-Zell-Malignomen die Inzidenz von T-Zell-Lymphomen nach CAR-T-Zell-Therapie erhöht war,15,16 erläuterte Schett: „Das Risiko für T-Zell-Lymphome ist in dieser onkologischen Population generell sehr hoch und bei Nicht-CAR-T-Zell-Behandelten tendenziell sogar noch höher als bei den Behandelten. Wir nehmen an, dass T-Zell-Lymphome bei unserem autoimmunen Patientenkollektiv kein Thema sind – was aber sicher etwas ist, das in der Zukunft noch genau beobachtet werden muss. Von Vorteil ist sicherlich auch, dass bei unseren Patienten die CAR-T-Zellen ja nur 6 bis 8 Wochen im Körper wirken – wir haben hier also eine ganz andere Situation als in der Onkologie“, schloss Schett.
Quelle:
Vortrag „CAR T-cells to treat RMDs“ von Prof. Dr. Georg Schett im Rahmen des European Congress of Rheumatology (EULAR) 2024; Wien, 12.Juni2024
Literatur:
1 June CH, Sadelain M: Chimeric antigen receptor therapy. N Engl J Med 2018; 379(1): 64-73 2 Schett G et al.: Advancements and challenges in CAR T cell therapy in autoimmune diseases. Nat Rev Rheumatol 2024; 20: 531-44 3Schett G et al.: CAR T-cell therapy in autoimmune diseases. Lancet 2023; 402(10416): 2034-44 4 Mougiakakos D et al.: CD19-targeted CAR T cells in refractory systemic lupus erythematosus. N Engl J Med 2021; 385(6): 567-9 5Arbuckle MR et al.: Development of autoantibodies before the clinical onset of systemic lupus erythematosus. N Engl J Med 2003; 349(16): 1526-33 6 Merrill JT et al.: Efficacy and safety of rituximab in moderately-to-severely active systemic lupus erythematosus: the randomized, double-blind, phase II/III systemic lupus erythematosus evaluation of rituximab trial. Arthritis Rheum 2010; 62(1): 222-33 7 Kamburova EG et al.: A single dose of rituximab does not deplete B cells in secondary lymphoid organs but alters phenotype and function. Am J Transplant 2013; 13(6): 1503-11 8 Vos K et al.: Early effects of rituximab on the synovial cell infiltrate in patients with rheumatoid arthritis. Arthritis Rheum 2007; 56(3): 772-8 9 Anolik JH et al.: Delayed memory B cell recovery in peripheral blood and lymphoid tissue in systemic lupus erythematosus after B cell depletion therapy. Arthritis Rheum 2007; 56(9): 3044-56 10 Schett G et al.: Ann Rheum Dis 2024; ard-2024-225727 11 Müller F et al.: CD19 CAR T-cell therapy in autoimmune disease – a case series with follow-up. N Engl J Med 2024; 390(8): 687-700 12 Krickau T et al.: CAR T-cell therapy rescues adolescent with rapidly progressive lupus nephritis from haemodialysis. Lancet 2024; 403(10437): 1627-30 13 Wilhelm A et al.: Selective CAR T cell-mediated B cell depletion suppresses IFN signature in SLE. JCI Insight 2024; 9(12): e179433 14 Wang W et al.: BCMA-CD19 compound CAR T cells for systemic lupus erythematosus: a phase 1 open-label clinical trial. Ann Rheum Dis 2024; ard-2024-225785 15 Chihara D et al.: The bidirectional increased risk of B-cell-lymphoma and T-cell lymphoma. Blood 2021; 138(9): 785-9 16 Liu A: FDA investigates ‘serious risk’ of secondary cancer following CAR-T treatment. Fierce Pharma. 2023. Available from: https://www.fiercepharma.com/pharma/fda-investigates-serious-risk-secondary-cancer-following-car-t-therapy-treatment (access on 26.8.2024)
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