Naloxon zum Mitnehmen
Bericht:
Hanna Gabriel, BA, MSc
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Ob Heroin, Methadon, Buprenorphin oder Fentanyl – bei einer Opioidüberdosis zählt schnelle Hilfe. Das Gegenmittel Naloxon ist in der Notfallmedizin etabliert und wird jetzt als Kit an Risikopersonen und ihr Umfeld abgegeben. Aber was kann das Take-Home-Antidot?
In den USA sterben mehr Menschen an einer Überdosis mit Opioiden als durch Schusswaffen oder Verkehrsunfälle, eröffnet Prim. Dr. Christian Korbel, Ärztlicher Direktor des Landesklinikums Mauer, seinen Vortrag.
Im Rahmen einer Session zum Thema Sucht bei der diesjährigen Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (ÖGPP) verdeutlicht er, dass es sich trotz geringerer Fallzahlen auch in Europa um ein ernst zu nehmendes Problem handelt. Umso wichtiger seien Initiativen, durch die das Gegenmittel Naloxon im Notfall am Ort des Geschehens bereitsteht.
Bei wem und wann kommt Naloxon zum Einsatz?
Die Opioidüberdosis betrifft in drei Viertel der Fälle Männer. Das durchschnittliche Todesalter liegt zwischen 40 und 50 Jahren, wobei in Österreich seit einigen Jahren ein besorgniserregender Anstieg der Zahl der Todesfälle unter den 25-Jährigen zu beobachten ist, wie Korbel berichtet. Zudem kommt es mittlerweile häufiger zu Mischintoxikationen mit Alkohol und Benzodiazepinen. Auch der Gebrauch synthetischer Opioide nimmt zu.
Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) verzeichnet in einem Bericht, dass 88% der Überdosisfälle in Österreich mit Opioiden in Verbindung stehen.1 Die Gefahr dieser Substanzgruppe liegt vor allem darin, dass sie im medullären Atemzentrum wirken und zu einer langsamen, unregelmäßigen Atmung führen. Die Folge sind Hypoxämie, Hyperkapnie und Azidose. Der Atemdepression kann durch Naloxon entgegengewirkt werden, da es als Antagonist an den Opioidrezeptoren wirkt.
Naloxon als Notfall-Kit
In der Notfallmedizin wird Naloxon seit Langem als Antidot eingesetzt. Es wird intravenös, intramuskulär oder subkutan verabreicht und wirkt innerhalb von wenigen Minuten. „Die entscheidende Frage war, wie man das Medikament an den Ort des Geschehens bringt“, sagt Korbel. Zu diesem Zweck haben sich Take-Home-Kits etabliert, die eine vorgefüllte Spritze oder Nasensprays enthalten. Diese werden von Betroffenen, Angehörigen oder Streetworkern für den Notfall mitgeführt. Eine systematische Übersichtsarbeit über verschiedene Initiativen mit dem „Take-Home-Naloxon“ ergab, dass Naloxon-Kits die Mortalität durch Überdosen bei den Programmteilnehmenden selbst reduzieren, aber auch bei anderen Opioidkonsument:innen und in der breiteren Öffentlichkeit.2
Die Anwendung als Nasenspray hat eine schnelle Hilfe zusätzlich vereinfacht und weist ein ähnliches pharmakokinetisches Profil wie vorhergehende Applikationsformen auf. So konnte in einer Studie festgestellt werden, dass sich intranasales Naloxon (2mg) in der frühen Exposition mit intramuskulärem Naloxon (0,4mg) vergleichen lässt und in den folgenden zwei Stunden über dem Doppelten des intramuskulären Referenzwertes liegt.3
In Österreich ist Take-Home-Naloxon laut einem Bericht von 2023 in der Steiermark, in Wien, im Burgenland, in Kärnten, in Vorarlberg und in Tirol verfügbar.4 Die Verschreibung setzt eine nachweisliche Schulung voraus, wie Korbel positiv hervorhebt. „Vor allem die durchgeführten Erste-Hilfe-Kurse und das Sprechen über Überdosierungen erhöhen das Bewusstsein der Betroffenen“, betont er. Denn die Mehrheit seiner Patient:innen ist sich der Gefahr einer Überdosierung nicht oder nicht in vollem Umfang bewusst.
Und weiter?
Trotz der Wirkung von Naloxon im Notfall ist nach dem Einsatz des Medikaments Vorsicht geboten. „Wichtig ist, dass Naloxon die ärztliche Intervention nicht ersetzt“, betont Korbel. Da die Halbwertszeit des Gegenmittels kürzer ist als die der Opioide, muss mit einem erneuten Auftreten der Intoxikation nach etwa zwei Stunden gerechnet werden. Im klinischen Alltag beobachtet Korbel hingegen häufig, dass Patient:innen aufgrund der raschen Besserung frühzeitig die Klinik verlassen wollen. Das Risiko für eine erneute Gefährdung sollte bei Patient:innen, die Naloxon erhalten haben, daher bedacht werden.
Quelle:
Vortrag von Prim. Dr. Christian Korbel im Rahmen der Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (ÖGPP)
Literatur:
1 European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction: European Drug Report 2023: Trends and Developments. Online: https://www.emcdda.europa.eu/publications/european-drug-report/2023_en (Zugriff Mai 2024) 2 McDonald R, Strang J: Are take-home naloxone programmes effective? Systematic review utilizing application of the Bradford Hill criteria. Addiction 2016; 111(7): 1177-87 3 McDonald R et al.: Pharmacokinetics of concentrated naloxone nasal spray for opioid overdose reversal: phase I healthy volunteer study. Addiction 2018; 113(3): 484-93 4 Busch M et al.: Bericht zur Drogensituation 2023. Gesundheit Österreich, Wien
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