HPV-assoziierte Hautveränderungen in Kombination mit HIV
Unser Gesprächspartner:
Dr. David Chromy
Vorstandsmitglied der Österreichischen AIDS Gesellschaft
Universitätsklinik für Dermatologie
Medizinische Universität Wien
E-Mail: david.chromy@meduniwien.ac.at
Das Interview führte Mag. Birgit Leichsenring
Infektionen mit humanen Papillomaviren (HPV) zählen zu den häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen. Man geht davon aus, dass weltweit 80–90% aller sexuell aktiven Erwachsenen im Laufe ihres Lebens mit mindestens einem der über 200 bekannten HPV-Typen infiziert werden. Im Regelfall kann das Immunsystem die Viren effektiv in Schach halten. Symptomfreie und unbemerkte Infektionen sind somit häufig. In wenigen Fällen gelingt diese nachhaltige Kontrolle jedoch nicht und es kommt zu HPV-induzierten Veränderungen an Haut und/oder Schleimhäuten.
Patient:innen mit HIV haben trotz Einsatz moderner HIV-Therapien ein signifikant höheres Risiko für HPV-induzierte Läsionen. Dr. David Chromy gibt als Dermatologe und HIV-Experte einen Einblick in die Herausforderungen dieser Koinfektion.
Dr. Chromy, was ist die Rolle von HPV in der Dermatologie?
D. Chromy: Niedrigrisiko(Low-Risk)-HPV-Typen wie HPV-6 oder HPV-11 verursachen typischerweise Feigwarzen (Condylomata acuminata). In der Regel werden sie als unangenehm und störend empfunden. Zumeist wird eine destruierende Behandlung gewählt, wie zum Beispiel Laser, flüssiger Stickstoff, Elektrokauter oder Trichloressigsäure. Auch immunmodulierende Therapien wie Imiquimod oder Sinecatechine werden eingesetzt. Anders ist es bei Infektionen mit Hochrisiko-(High-Risk)-HPV-Typen, die zu Krebsvorstufen bis zum Plattenepithelkarzinom führen können. Hierzu gehören das Zervix-, Vulva-, Anal- oder Peniskarzinom, aber auch Mund- und Rachenkarzinome. Wichtig sind das frühe Erkennen und Behandeln von hochgradigen Dysplasien; je nach Symptomatik und Lokalisation ist hier eben die Dermatologie erste Anlaufstelle für Patient:innen.
Wie ist nun der Stellenwert von HPV-assoziierten Veränderungen bei Menschen mit HIV?
Bei der jährlichen dermatologischen Vorsorgekontrolle sollte der Genitalbereich keinesfalls unbegutachtet bleiben
D. Chromy: Statistisch gesehen kommt es bei Menschen mit HIV über die Lebenszeit hinweg häufiger zu HPV-Infektionen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Außerdem sind Menschen mit HIV häufiger von Hochrisikotypen betroffen: Beispielsweise findet man bei drei von vier HIV-positiven Männern, die Sex mit Männern haben, diese Typen in der Analschleimhaut – bei Männernohne HIV, die Sex mit Frauen haben, jedoch nur bei 7%. Zudem ist auch nach Immunrekonstitution unter antiretroviraler Therapie die Elimination von HPV an der (Schleim-)Haut bei Menschen mit HIV vergleichsweise schlechter und die HPV-Infektionen florieren länger. Die zugrundeliegenden Mechanismen sind noch nicht genau geklärt. Insgesamt bedingt dies eine deutlich höhere Inzidenz von HPV-assoziierten Krebserkrankungen wie dem Zervixkarzinom oder Analkarzinom bei Menschen mit HIV.
Wie können Kolleg:innen der Dermatologie hier unterstützen?
D. Chromy: Auf der einen Seite sollte allen Patient:innen mit ausgedehnten HPV-assoziierten Veränderungen ein HIV-Test angeboten werden. Auf der anderen Seite, wenn bereits eine HIV-Infektion bekannt ist, haben wir in der Dermatologie den großen Vorteil, dass wir uns primär mit dem von außen sichtbaren Epithel befassen. Krebsvorstufen oder auch Karzinome werden daher oft bereits von den Patient:innen gut erkannt oder fallen spätestens bei der jährlichen dermatologischen Vorsorgekontrolle im Hautstatus auf. Der Genitalbereich sollte hierbei keinesfalls unbegutachtet bleiben. Bestehen nun HPV-assoziierte Veränderungen bei Menschen mit HIV, dann ist eine interdisziplinäre Abklärung anzustreben, um zum Beispiel anale oder zervikale Dysplasien abzuklären.
Online-Symposium der ÖAG
„Früherkennung, Behandlung und Vermeidung von HPV-assoziierten Erkrankungen“
Im Jänner 2024 führte die ÖAG ein Online-Symposium durch, welches als Video on demand kostenfrei zur Nachschau verfügbar ist. Im ersten Teil erwartet Sie eine Zusammenfassung der Kongressthemen 2023, welche die Vielfältigkeit der aktuellen Fragestellungen in HIV-Studien und HIV-Forschung aufzeigt. Im zweiten Vortrag erhalten Sie (auch mit Hinblick auf die Betreuung von Patient:innen mit HIV) eine umfassende Übersicht über HPV sowie Pathogenese, Diagnostik und Therapie von HPV-assoziierten Erkrankungen.
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