Mythen und Fakten der oralen Kollagensupplementation
Die Einnahme von Kollagen als Wundermittel für die Hautverjüngung ist derzeit wortwörtlich in aller Munde – nur ist dies auch berechtigt? Kann ein so großes Molekül wie Kollagen resorbiert und an seinen vermeintlichen Funktionsort transportiert werden? In diesem Artikel erfahren Sie, wie sinnvoll die Zufuhr von Kollagen als Nahrungsergänzungsmittel tatsächlich ist.
Als Kollagen wird das wichtigste Strukturprotein im menschlichen Körper bezeichnet. Es nimmt 25–30% des Gesamtproteinanteils ein und ist in der extrazellulären Matrix zu finden. Aktuell werden bis zu 28 Kollagentypen unterschieden, die im menschlichen Körper unterschiedliche Rollen spielen. In dieser Abhandlung wird nur der Nutzen bezüglich der Haut beleuchtet.
Abb. 1: Molekülaufbau von Glycin, Prolin und Hydroxyprolin
Die wichtigsten Vertreter der diversen Kollagentypen sind Typ I, Typ II und Typ III. Typ I findet man hauptsächlich im Bindegewebe (Sehnen, Knochen, Zähne) und in der Haut. Typ II kommt vor allem in Knorpeln vor und Typ III spielt wieder eine wesentliche Rolle bezogen auf die Haut. Die Kollagensynthese findet hauptsächlich in den Mesenchymzellen und deren Derivaten (Fibroblasten, Odontoblasten, Osteoblasten, Chondrozyten und Zementoblasten) statt.
Da Kollagen ein Protein ist, besteht es aus Aminosäuren und besitzt eine typische Dreifachhelixkonfiguration, die aus jeweils drei Polypeptid-alpha-Ketten zusammengesetzt ist. Ein Kollagenpeptid kann aus bis zu 6000 Aminosäuren aufgebaut sein und stellt somit ein riesiges Molekül dar. Die Aminosäurenzusammensetzung folgt dem Schema G-X-Y und wiederholt sich ständig. Die Stelle G ist immer mit Glycin besetzt, an Stelle X findet sich meist Prolin und an der Stelle Y sieht man häufig ein Hydroxyprolin. Außerdem kommt die Aminosäure Lysin in hydroxylierter Form oft in den Peptidketten des Kollagens vor. Um das sogenannte Tropokollagen, das nach Abspaltung der Peptidenden des Prokollagens außerhalb der synthetisierenden Zelle entsteht, zu erhalten, werden jeweils drei Kollagenpeptide, die selbst schraubenförmig verdreht vorliegen, ineinander zu einer Helix verdrillt. Mehrere Tropokollagenelemente lagern sich dann zu Kollagenfibrillen zusammen und bilden schließlich dicke Kollagenfasern. Kollagenfibrillen können sich, je nach Funktion, parallel oder flächig ausrichten. Kollagenfasern werden durch die Ausbildung von Wasserstoffbrücken stabilisiert und leicht zueinander versetzt angeordnet.
Für die körpereigene Synthese von Kollagen werden neben den schon oben erwähnten Aminosäuren Glycin, Prolin und Lysin unter anderem Vitamin C, Eisen, Kupfer, Vitamin A und Zink benötigt.
Nachlassende Elastizität bereits ab dem 25. Lebensjahr
Kollagenbündel finden sich dicht gepackt in der unteren Schicht der Dermis und sind maßgeblich für den Zustand und das Erscheinungsbild der Haut verantwortlich. Sie ermöglichen die Elastizität und Widerstandsfähigkeit und sorgen für die Spannkraft der Haut. Dies tun sie mithilfe von Elastin und Hyaluronsäure, die als Glylosaminoglykan enorm viel Wasser binden kann und so für die notwendige Hydratation der Haut unentbehrlich ist. Die körpereigene Kollagenproduktion nimmt ab dem 25. Lebensjahr stetig ab, der Abbau durch Matrix-Metalloproteasen beginnt zu überwiegen und zusätzlich verdünnt sich das vorhandene Kollagennetz mit zunehmendem Alter. Dies führt zum Verlust von Spannkraft und Elastizität der Haut und macht sich auch in beginnender Faltenbildung bemerkbar. Dieser Prozess wird durch UV-Einstrahlung (Sonnenbäder) noch beschleunigt. Auch das Vorhandensein von Hyaluronsäure in der Dermis und Epidermis verringert sich mit fortschreitendem Alter, wodurch Falten stärker sichtbar werden.
Aufgrund dieser Tatsachen wurde die Wirkung von oral zugeführtem Kollagen interessant, wobei dies schon mit der Einnahme von Gelatine vor Jahrzehnten begonnen hat. Gelatine ist das erste Abbauprodukt von Kollagen, das beim Erkalten geliert. Diese Wirkung hat man sich unter anderem bei Darmerkrankungen zunutze gemacht, da eine Schutzschicht, die Wasser bindet, eine erleichternde Therapie für bestimmte Patientengruppen darstellt.
Abb. 2: Kollagensynthese
Wie vorhin schon beschrieben, ist Kollagen ein riesiges Molekül, das oral in voller Größe nicht resorbiert werden und somit nicht in den Blutkreislauf gelangen kann. Deswegen ist man dazu übergegangen, Kollagenpeptide beziehungsweise enzymatisch hydrolysiertes Kollagen auf Bioverfügbarkeit zu untersuchen. Diese kleinen Moleküle werden, basierend auf mehreren Studien, im Unterschied zum eigentlichen Kollagen im Dünndarm resorbiert und sind im Blutkreislauf nachweisbar. Dies trifft tatsächlich nicht nur auf aufgespaltene, einzelne Aminosäuren zu, sondern auch auf als zusammenhängende, kurzkettige Peptidketten erkennbare Moleküle.
Jedoch entspricht die allgegenwärtige Erwartungshaltung gegenüber der Wirkung von peroral aufgenommenem Kollagen nicht ganz den wissenschaftlichen Fakten. Die Supplementation von oralem Kollagen verspricht Glättung der Haut, das Verschwinden von Falten und die Verjüngung des Erscheinungsbildes. Auch soll sie das Haar- und Nagelwachstum und die körpereigene Kollagensynthese anregen.
Tatsächlich sind Wirkung und Auswirkung bezogen auf die Haut von unterschiedlichen Faktoren abhängig. In Studien wurde mittlerweile gezeigt, dass marine, bovine und porzine Kollagenpeptide 2–4 Stunden nach oraler Aufnahme im Blutkreislauf nachweisbar sind und die Aktivität dermaler Fibroblasten stimulieren. Dies zeigt sich in der Steigerung der Kollagensyntheserate und macht sich vor allem auch in einer Steigerung der Hyaluronsäuresynthese bemerkbar. Kollagenaufbauende Enzyme werden aktiviert und Enzyme, die für den Abbau der extrazellulären Matrix verantwortlich sind (Metalloproteasen), nehmen ab. Dies wird durch signifikante Verbesserungen der Hydratation und der Elastizität der Haut sichtbar. Durch die vermehrte Hydratation erscheinen schon vorhandene Falten weniger tief, allerdings gehen bei dem Stichwort Faltenreduktion die Meinungen der Wissenschaftler auseinander. Mehrere vorhandene Studien widersprechen sich bezüglich dieser Behauptung in ihren Konklusionen und müssen daher aus heutiger Sicht als (noch) nicht evident betrachtet werden. Auch die positiven Auswirkungen auf Nagel- und Haarwachstum gelten zwar als schlüssig, müssen aber in weiteren Studien erst genauer untersucht werden. Als evident gilt, dass die Einnahme von hydrolysiertem Kollagen über einen längeren Zeitraum erfolgen muss, um sichtbare und messbare Ergebnisse zu erzielen. Eine Einnahme von mindestens acht Wochen ist aus den bereits erfolgten Studien herauszulesen, wobei eine Gabe, vor allem für die positiven Auswirkungen auf die Elastizität der Haut, über einen noch längeren Zeitraum empfohlen wird. Hier liegen Studien vor, die diese Verbesserungen über sechs Monate verfolgt haben.
Kollagen kommt nur in tierischen Zellen vor. Dies impliziert, dass kein natürliches „veganes“ Kollagen existiert. Allerdings kann die orale Zufuhr der Aminosäuren Glycin, Prolin und Lysin, die für die Kollagensynthese essenziell sind, als „vegane“ Kollageneinnahme bezeichnet werden. Solche Präparate sind als „veganes Kollagen“ bereits am Markt erhältlich, allerdings ist unklar, ob diese unverketteten Aminosäuren nach Resorption vom Körper tatsächlich nur für die Kollagensynthese verwendet werden.
Maritime Kollagenpeptide scheinen in manchen Studien aufgrund ihrer vielfältigeren Aminosäurenzusammensetzung bezüglich der Hydratation Vorteile zu bringen.
Etliche am Markt vorhandene Produkte arbeiten mit dem hydrolysierten Kollagen Verisol®, das die beiden dermal vorkommenden Kollagentypen I und III miteinander vereint und laut Studien sehr gut bioverfügbar ist. Wichtig erscheint die zusätzliche Bereitstellung der für die Synthese notwendigen Mikronährstoffe. Auch diese kombinierten Produkte befinden sich mittlerweile am Markt.
Literatur:
● Ammon HPT, Schubert-Zsilavecz (Hrsg.): Hunnius Pharmazeutisches Wörterbuch. 11. Auflage. De Gruyter 2014 ● Datar U: Kollagen. Verlag unser Wissen 2022 ● Schoenfeld P: Nährstoffwuner Kollagen. VAK Verlag 2020 ● Pu S-Y et al.: Effects of oral collagen for skin anti-aging: a systematic review and meta-analysis. Nutrients 2023; 15(9): 2080 ● Kang MC et al.: Oral intake of collagen peptide attenuates ultraviolet B irradiation-induced skin dehydration in vivo by regulating hyaluronic acid synthesis. Int J Mol Sci 2018; 19(11): 3551 ● Kim D-U et al.: Oral intake of low-molecular-weight collagen peptide improves hydration, elasticity, and wrinkling in human skin: a randomized, double-blind, placebo-controlled study. Nutrients 2018; 10(7): 826
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