High-Volume-Liposuktion bei übergewichtigen Lipödempatient:innen
Autor:innen:
Dr. Berfin Sakar
Dr. Jakob Nedomansky
Dr. Hugo Sabitzer
Prim. Assoc.Prof. Dr. Klaus F. Schrögendorfer, MBA, FEBOPRAS
Klinische Abteilung für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie, Universitätsklinikum St. Pölten
Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften
E-Mail: berfin.sakar@kl.ac.at
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Das Lipödem betrifft circa jede 10. Frau weltweit und stellt für die Betroffenen eine große Last im alltäglichen Leben dar. Die Liposuktion des krankhaft veränderten subkutanen Fettgewebes bringt den betroffenen Patient:innen oft eine massive Erleichterung. Wie sicher ist die Fettabsaugung jedoch bei stark übergewichtigen Patient:innen?
Keypoints
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Das Lipödem ist eine Erkrankung, die in den letzten 10 Jahren ein enormes Interesse generiert hat und noch immer an vielen Stellen unerforscht ist.
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Der Großteil der Patient:innen mit Lipödem leidet gleichzeitig an einer Adipositas.
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Adipöse Patient:innen sind oftmals schwerer vom Lipödem betroffen.
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Die Liposuktion stellt die operative Behandlung der Wahl dar und verspricht vor allem bei schwerer Betroffenen eine langfristige Symptomreduktion und Behandlungserfolg.
Früher oftmals verkannt, ist das Lipödem mittlerweile ein Krankheitsbild, welches den meisten Ärzt:innen geläufig ist. Auch Patient:innen finden dank häufigerer medialer Berichterstattung und des Internets mittlerweile leichter zur Diagnose als noch vor wenigen Jahren.
Das Lipödem ist eine Erkrankung, welche durch eine übermäßige, disproportionale subkutane Fettansammlung in Beinen, Hüften, Gesäß und Armen charakterisiert ist. Betroffen sind fast ausschließlich Frauen und davon wohl jede 10. weltweit.1 Aktuelle epidemiologische Studien zur Prävalenz des Lipödems existieren jedoch nicht.
Im Gegensatz zu anderen Fettverteilungsstörungen ist das Fett symmetrisch verteilt und sklerotisch beschaffen. Der Kopf, der Hals und die Taille bleiben hierbei ausgespart.2
Charakteristisch für das Lipödem ist, dass es immer schmerzhaft ist und mit Berührungsempfindlichkeit in den betroffenen Körperregionen, Schwere- und Spannungsgefühl sowie einer erhöhten Neigung zu Hämatomen einhergehen kann. Die Krankheitsschwere wird klassisch in 3 Stadien eingeteilt.3,4 Teilweise wird das Lipolymphödem, welches die schwerste Form des Lipödems mit einem sekundären Lymphödem ist, als Stadium IV gezählt.
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Stadium I: glatte Haut mit verdickter Subkutis, kleinere tastbare Knötchen, reversible Ödeme
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Stadium II: unebene Haut mit verdickter Subkutis, walnussgroße Knoten, nichtreversible Ödeme
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Stadium III: deformierte Haut mit Einziehungen („Organgenhaut“), sichtbare Fettdepots, großknotige Veränderungen und ggf. positives Stemmer-Zeichen
Im Verlauf kann dies zu einer erheblichen körperlichen Beeinträchtigung, aber auch psychischen Belastung führen, sodass diese Krankheit nicht nur erkannt, sondern auch ernst genommen werden muss. Da konservative Therapien (Kompressionstherapie, Physiotherapie, Lifestylemodifikation etc.) oftmals keinen oder nur einen geringen Behandlungserfolg bringen, ist die Liposuktion die operative Behandlungsmethode der Wahl, welche einen nachhaltigen Behandlungserfolg im Sinne der Symptomreduktion verspricht.5
Deshalb handelt es sich bei der Fettabsaugung von Lipödemen um einen medizinisch indizierten Eingriff mit Anspruch auf Kostenübernahme durch die Krankenkassen. Ein Kriterium für die Kostenübernahme der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) ist unter anderem ein Body-Mass-Index (BMI) von unter 32kg/m2.
Entgegen der mittlerweile abgelegten Meinung, dass das Lipödem chronisch progredient ist, gibt es jedoch Hinweise, dass eine Progression der Krankheit durch Gewichtszunahme begünstigt wird.6,7 Beim Großteil der Lipödempatient:innen ist eine Adipositas, definiert mit einem Body-Mass-Index >30kg/m2, als Komorbidität zu beobachten.8–11 Die Beschwerden des Lipödems sind grundsätzlich mit zunehmendem Stadium auch stärker, sodass gemäß unserer Erfahrung vor allem Patient:innen in fortgeschrittenen Stadien den Weg der Liposuktion gehen möchten und hiervon stärker profitieren.
Wir beobachten jedoch regelmäßig, dass vor allem in fortgeschrittenen Lipödemstadien unsere Patien:innen trotz Lebenstilmodifikation und Sport nicht unter die vorgegebene BMI-Grenze kommen. Deshalb wird in diesen Fällen gesondert um eine Kostenübernahme angesucht, sodass wir am Universitätsklinikum St. Pölten Erfahrungen in der Behandlung von stark übergewichtigen Patient:innen haben. Die Vorteile einer Liposuktion stehen somit bei diesem speziellen Patientenkollektiv einem vermeintlich erhöhten perioperativen Risiko gegenüber, wie es klassischerweise bei adipösen Patient:innen der Fall ist.
Ziel unserer Studie war es zu untersuchen, ob es tatsächlich Unterschiede in der chirurgischen Therapie und Genesung zwischen Patient:innen mit einem BMI über bzw. unter 32kg/m2 gibt. Besonderes Augenmerk wurde auf die Komplikationsrate und die Schwere der Komplikationen gelegt. Die benötigte Gesamtanzahl von Liposuktionen sowie die durchschnittlichen stationären Aufenthaltstage wurden ebenfalls untersucht und könnten vor allem für Krankenhaus- und Versicherungsträger von besonderem Interesse sein.
Seit 2018 wurden an der Klinischen Abteilung für Plastische, Ästhethische und Rekonstruktive Chirurgie 102 Patient:innen mit einem Lipödem operativ mit knapp 180 Fettabsaugungen behandelt. Interessanterweise lag die Verteilung der Patient:innen mit einem BMI <32kg/m2 und der Patient:innen mit einem BMI ≥32kg/m2 bei knapp 50%. Eine Adipositas, gemessen an einem BMI >30kg/m2, lag bei ca. 60% der behandelten Patient:innen vor.
Tatsächlich gab es Unterschiede in der Komplikationsrate zwischen den beiden Patientengruppen. Die weiteren Ergebnisse werden ausführlich am 5.10.2024 im Rahmen der 62. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie präsentiert, zu der wir die werten Leser:innen an dieser Stelle einladen möchten.
Literatur:
1 Földi M et al.: Textbook of lymphology for physicians and lymphedema therapists. München: Urban & Fischer Verlag (Elsevier) 2003 2 Peled AW, Kappos EA.: Lipedema: diagnostic and management challenges. Int J Womens Health 2016; 8: 389-95 3 Wiedner M et al.: Lipödem – Grundlagen und aktuelle Thesen zum Pathomechanismus [Lipedema - basics and current hypothesis of pathomechanism]. Handchir Mikrochir Plast Chir 2018; 50(6): 380-85 4 Kruppa P et al.: Lipedema—pathogenesis, diagnosis and treatment options. Dtsch Arztebl Int 2020; 117: 396-403 5 Deutsche Gesellschaft für Phlebologie und Lymphologie e.V.: S2K-Lipödem, 5.0, 2024 [Available from: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/037-012 ]. Accessed July 14, 2024 6 Forner-Cordero I et al.: Prevalence of clinical manifestations and orthopedic alterations in patients with lipedema: a prospective cohort study. Lymphology 2021; 54: 170-81 7 Frambach Y et al.: Lipödem – eine „schwere“ Diagnose? Vasomed 2016; 28: 2-3 8 Angst F et al.: Common and contrasting characteristics of the chronic soft-tissue pain conditions fibromyalgia and lipedema. J Pain Res 2021; 14: 2931-41 9 Erbacher G, Bertsch T: Lipoedema and pain: what is the role of the psyche? – Results of a pilot study with 150 patients with lipoedema. Phlebologie 2020; 49: 305-16 10 Dudek JE et al.: Quality of life, its factors, and sociodemographic characteristics of Polish women with lipedema. BMC Womens Health 2021; 21(1): 27 11 Fink JM et al.: Leg volume in patients with lipoedema following bariatric surgery. Visc Med 2021; 37(3): 206-11
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