Kopferhaltende Therapie der Schenkelhalsfraktur
Autoren:
Dr. Gerold Schratt, Dr. Wolfgang Schönthaler, Dr. Michael Urban, Doz. Dr. Vinzenz Smekal, Doz. Dr. Stephan Grechenig
Abteilung für Orthopädie und Traumatologie,
AUVA-Unfallkrankenhaus Klagenfurt am Wörthersee
E-Mail: gerold.schratt@gmail.com
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Das „Femoral Neck System“ (FNS) ist ein neues Implantat, das seinen Nutzen vor allem in der Versorgung von repositionsfähigen medialen Schenkelhalsfrakturen hat. Es bietet die Möglichkeit der Winkelstabilität bei minimal invasiver Operationstechnik.
Mediale Schenkelhalsfrakturen zählen heutzutage zu den häufigsten Frakturtypen in der akuten Traumatologie. Während bei älteren Patienten die Osteoporose ein wichtiger Faktor ist, überwiegt bei jüngeren Patienten das Hochrasanztrauma. Die operative Versorgung der Schenkelhalsfrakturen unterscheidet sich hier vor allem in den individuellen Ansprüchen des Patienten, dem Frakturausmaß, dem Aktivitätsgrad, der Knochenqualität sowie der frakturabhängigen Reponierbarkeit.
Gerade bei jüngeren und aktiven Patienten sollte eine kopferhaltende Osteosynthese bevorzugt werden, wenn es die Frakturstellung und Klinik zulassen. Der Fokus liegt hier vor allem auf der Wiederherstellung der unterbrochenen Blutversorgung sowie der anatomischen und biomechanischen Rekonstruktion des Hüftkopfes, um Komplikationen wie aseptische Hüftkopfnekrose, Pseudarthrose, Infektion und implantatspezifische Komplikationen zu verhindern. Abhängig von der Frakturdislokation und dem Alter des Patientenkollektivs sowie dem untersuchten Therapiekonzept liegt die Inzidenz der Femurkopfnekrose nach Schenkelhalsfrakturen in der aktuellen Literatur bei 10–30%.
Abb. 1: Präoperatives Bild einer eingestauchten medialen Schenkelhalsfraktur (Typ Garden II)
Indikation und Operationstechnik
Das FNS findet vor allem in der Versorgung von repositionsfähigen medialen Schenkelhalsfrakturen Anwendung. Als Kontraindikation gelten hüftgelenknahe Frakturen, die nicht der typischen medialen Schenkelhalsfraktur zuzuordnen sind (per-, inter- und subtrochantäre Frakturen). Eine weitere Kontraindikation ist die fortgeschrittene symptomatische Coxarthrose, welche vor allem endoprothetisch versorgt wird.
Ziel der Versorgung mittels FNS sind die Wiederherstellung der anatomischen Verhältnisse und der Blutversorgung, eine stabile interne Fixation sowie die frühzeitige Mobilisierung des Patienten.
Das System selbst besteht aus einem Bolzen, der für die Winkelstabilität sorgt, sowie einer dazugehörigen Antirotationsschraube, die für die Rotationsstabilität verantwortlich ist. Des Weiteren beinhaltet das System eine Platte mit Verriegelungsschraube, welche der Winkelstabilität zwischen Bolzen und ARS-Schraube dient. Das Gesamtkonstrukt erlaubt so ein kontrolliertes Zusammensintern der Fraktur unter Kompression.
Abb. 2: Intraoperative Aufnahme des FNS
Diskussion
Aktuell gibt es eine Reihe von verschiedenen osteosynthetischen Möglichkeiten zur kopferhaltenden Therapie von Schenkelhalsfrakturen. Alle Therapiekonzepte vereint das Ziel der anatomischen Rekonstruktion des Schenkelhalses, der Wiederherstellung der Durchblutung und der stabilen Fixation mit gutem klinischen Outcome. Das FNS bietet die Möglichkeit der Winkelstabilität bei minimal invasiver Operationstechnik.
Stoffel et al. konnten 2017 in einer biomechanischen Analyse bei instabilen Schenkelhalsfrakturen eine deutliche biomechanische Überlegenheit des FNS gegenüber der herkömmlichen Schraubenosteosynthese (3 Schrauben) sowie vergleichbare Werte mit dem DHS-System erzielen. In den vorhandenen Vergleichsstudien zeigte das FNS vor allem bei instabilen Frakturtypen eine leichte Überlegenheit hinsichtlich des Auftretens einer Femurkopfnekrose.
In einer retrospektiven Analyse des eigenen Patientenkollektivs wurden im UKH Klagenfurt zwischen 2019 und 2020 40 Patienten mit medialer Schenkelhalsfraktur mittels FNS versorgt. Das Durchschnittsalter lag bei 65 Jahren, wobei 6 Frakturen vom Typ Pauwels Grad I, 20 Frakturen vom Typ Pauwels II und 14 Frakturen vom Typ Pauwels Grad III mittels FNS versorgt wurden. Die durchschnittliche Operationsdauer betrug 40 Minuten und erfolgte am Extensionstisch. In einem Nachuntersuchungszeitraum von 2 Jahren fanden sich bei den stabilen Schenkelhalsfrakturen vom Typ Pauwels Grad I und II keine Konversionsoperationen zu einer Hüftendoprothese, bei den instabilen Schenkelhalsfrakturen vom Typ Pauwels Grad III fanden wir eine Konversionsrate von 28%.
In unserem Patientenkollektiv sahen wir eine Gesamtkomplikationsrate von 17,5%, wobei hier 1 Cut-out, 4 klinisch relevante Fraktursinterungen sowie 1 periimplantärer Infekt zu beobachten waren.
Die hauseigenen Ergebnisse wurden mit den Ergebnissen der Schraubenosteosynthese bei Schenkelhalsfrakturen verglichen. Es zeigten sich eine niedrigere Gesamtkomplikationsrate sowie eine geringere Konversionsrate bei Pauwels-Grad-II- und -III-Frakturen bei der Versorgung mittels FNS. Dies spiegelt sich auch in der aktuellen Literatur wider.
In Zusammenschau der aktuellen Literatur, der guten biomechanischen Ergebnisse sowie der Resultate aus dem eigenen Patientenkollektiv ist das FNS ein gutes und sicheres Therapieverfahren zur Behandlung medialer Schenkelhalsfrakturen. Im Vergleich zur Schraubenosteosynthese zeigt sich beim FNS – bezogen auf die Gesamtkomplikationsrate und insbesondere auf das Auftreten einer Femurkopfnekrose – sowohl im eigenen Patientenkollektiv als auch in der aktuellen Literatur eine leichte Überlegenheit des FNS, insbesondere bei instabilen Schenkelhalsfrakturen.
Die Osteosynthese mittels FNS ist bei Einhaltung der beschriebenen Indikation und korrekter Implantation ein sicheres Verfahren zur Wiedererlangung der Gehfähigkeit mit guten klinischen Ergebnissen.
Abb. 3: Postoperatives Kontrollröntgen nach 3 Monaten
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