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Auftreten und Therapierichtlinien

Schlafstörungen im Zusammenhang mit Covid-19-Infektionen

Sie gehören zu den häufigsten Gesundheitsbeeinträchtigungen überhaupt: Schlafstörungen. Mitunter liegt das daran, dass sie als Begleiterscheinung verschiedenster Krankheiten auftreten können. Auch unter Covid-19-Patient*innen ist die Zahl an Insomnien nachweislich höher als in der Allgemeinbevölkerung. Näheres dazu hier.

Keypoints

  • Schlafstörungen stellen einen hohen Risikofaktor im Hinblick auf das Immunsystem und die Resilienz dar.

  • Organische Schlafstörungen (z.B. Atemfunktionsstörungen oder neurologisch bedingte Schlafstörungen) sind vor einer psychiatrischen Behandlung bzw. parallel dazu auszuschließen, zu diagnostizieren und entsprechend zu behandeln. Das gilt auch für psychiatrische Erkrankungen, die entsprechend zu therapieren sind.

  • Bei der medikamentösen Behandlung von Covid-assoziierten Insomnien sind insbesondere die Aspekte aktueller Covid-Krankheitsverlauf, somatische und psychiatrische Komorbidität, Komedikation sowie auch Sucht- und Suizid-anamnese zu berücksichtigen!

Schlafstörungen sind fakultative oder obligate diagnoserelevante Frühsymptome sowie regelhaft auftretende Begleitsymptome vieler psychischer Erkrankungen.1,7 Auch viele organische Krankheiten werden von Schlafstörungen begleitet. Covid-19 und damit zusammenhängende Phänomene führten nachweislich zu einer Zunahme der Zahl psychischer Erkrankungen, kognitiver Störungen und Schlafstörungen.10,13 Der Zusammenhang zwischen Covid-19 und Schlafstörungen gilt als gesichert.9,13 Sie persistieren häufig über den aktuellen Erkrankungszeitraum hinaus und stellen einen hohen Risikofaktor für Krankheitsausbrüche und Rückfälle dar.7 Sie erhöhen zudem das somatisch-immunologische wie auch das psycho-immunologische Risiko.14 In diesem Artikel sollen die Verbindungen zwischen Covid-19, Post-/Long-Covid und den verschiedenen Formen von Schlafstörungen beschrieben werden.

Häufigkeit und Epidemiologie

Das gehäufte Auftreten von Schlafstörungen im Zusammenhang mit Covid-19 ist klinisch und statistisch nachgewiesen. Ähnliches ist auch von anderen Virusinfekten (SARS und MERS) bekannt. Studien zum Thema Insomnie und Covid-19 zeigen signifikante Assoziationen zwischen akuter Infektion und Insomnie bei betroffenen Personen.10 Die Prävalenz von Insomniesymptomen bei Personen mit Covid-19 lag bei 36–88 % und somit deutlich über der Prävalenz in der Bevölkerung mit 10–40%.10 Nach einer Covid-19-Erkrankung zeigt der Schlaf vieler Betroffener Auffälligkeiten. Insbesondere die REM-Schlafphase (REM=„rapid eye movement“) zeigt Störungen, die zu häufigem Erwachen in der Nacht und zu Tagesmüdigkeit führen.4 Inzwischen gibt es eine Fülle von Daten zu Schlafstörungen. Eine systematische, 39 Kohortenstudien umfassende Metaanalyse über persistierende Beschwerden im Langzeitverlauf nach Covid-19 berichtet über eine Prävalenz von Schlafstörungen von 36% in den ersten 3 Monaten und 33% im Zeitraum ab 3 Monaten bis zu etwas über einem halben Jahr.13 Die Prävalenz von Schlafstörungen in Long-Covid-Kohorten geht deutlich über die in der Normalbevölkerung hinaus, wo Insomnien je nach zugrunde liegenden Kriterien mit einer Prävalenz von 8–18% (Schlafunzufriedenheit) bzw. 6–10% (Diagnose einer chronischen Insomnie) auftreten.13 In einer auf Versicherungsdaten einer großen Stichprobe von US-Veteranen basierenden Untersuchung zeigten nichthospitalisierte Covid-19-Patient*innen verglichen mit nicht an Covid-19 erkrankten Personen im Nachbeobachtungszeitraum von 1 bis 6 Monaten eine um den Faktor 14,5 höhere Wahrscheinlichkeit, eine ICD-10-Diagnose einer Schlaf-wach-Störung zu erhalten, als nicht infizierte Kontrollen.13

Laut einer chinesischen Studie an 1733 in Wuhan im 1. Quartal 2020 stationär behandelten Covid-19-Patient*innen litten 26% noch 6 Monate danach an Schlafstörungen.3 Bei einem italienischen Kollektiv wurden bei 40% von 402 Patientinnen Insomnien nach überstandener Covid-19-Erkrankung diagnostiziert (v.a. jüngere Personen und Frauen mit psychiatrischen Vorerkrankungen).

In einer großen Studie an 153000 US-Militär-Veteranen, die sich zwischen März 2020 und Jänner 2021 infiziert hatten, traten Schlafstörungen unter genesenen Covid-Patient*innen deutlich häufiger auf als bei infektfreien Personen. Innerhalb eines Jahres nach Infektion traten bei 2,3% der Untersuchten Schlafstörungen neu auf (Anstieg von 41% im Vergleich zu Nichtinfizierten), Genesene hatten ein um 39% höheres Risiko für Depressionen sowie ein um 35% höheres Risiko für Angststörungen.

Zusammenhänge und Verlaufsformen

Schlafstörungen können in allen Phasen einer Covid-Infektion oder -Erkrankung auftreten, sei es während symptomloser Covid-Infektion, symptomatischer Covid-Erkrankung oder im Rahmen eines Post- oder Long-Covid-Syndroms. Vorbestehende Schlafstörungen können sich durch Covid-19 verstärken. Bei vorbestehenden psychischen Störungen, die sich durch die Erkrankung verschlechtern, kann es ebenfalls zum Auftreten von Schlafstörungen kommen.

Wie lange Schlafstörungen nach Covid-Infektionen bestehen bleiben, hängt auch vom Krankheitsverlauf, vom Therapiesetting und vom Therapieerfolg ab. Sie können aber weit über die akute Krankheitsphase hinaus anhalten.

Differenzialdiagnose Long-/Post-Covid

Es ist zwischen den beiden Begriffen Post- versus Long-Covid zu unterscheiden. Bei Long-Covid handelt es sich um Beschwerden, die wenigstens 4 Wochen nach der Infektion noch bestehen. Bei Post-Covid bestehen die Beschwerden wenigstens 12 Wochen nach der Infektion weiter. In beiden Fällen geht es nur um solche Beschwerden, die mit der Infektion ursächlich zusammenhängen. Die möglichen somatischen und psychischen Symptome i.R. eines Long-Covid-Syndroms sind mitunter sehr bunt und vielfältig (Tab. 1). Das gilt auch für die hierbei fast regelhaft vorhandenen Schlafstörungen, die in unterschiedlicher Qualität (u.a. als Insomnie, Hypersomnie, Alpträume) wie auch Quantität und in unterschiedlichem Schwergrad auftreten können.

Tab. 1: Long-Covid-Symptome

Fallbeispiel
  • 45-jähriger Patient, hatte bereits 2009 i.R. eines sog. „Burnout-Syndroms“ starke Depressionen, damals Psychotherapie und antidepressive Behandlung, danach über Jahre weitgehend symptomfrei.

  • Mit Beginn der Pandemie 2020 neuerlich depressive Attacken. Er ließ sich als Impfskeptiker zunächst nicht impfen und bekam im September 2021 Covid-19 (Delta) mit starkem Verlauf (Fieber >39°, Atemnot, Pneumonie, Kopfschmerzen, Geschmacksverlust), 2 Wochen stationär (Normalstation).

  • Seither ausgeprägte Long-Covid-Symptomatik (Insomnie, Fatigue, starke Depressionen, Angst- und Panikattacken, Alpträume, motorische Schwäche, Par-, Dysästhesien, Herzrasen).

  • 6 Wochen neurologische und psychiatrische Rehabilitation.

  • Derzeit Psychotherapie, psychiatrische und medikamentöse Behandlung: Sertralin, Trittico (Trazodon), Multi-Vitamin-B, pulmologische Medikation. Langsame Besserung.

Weitere Aspekte von schlafbezogenen Covid-19-Folgeschäden

Eine Post-Covid-Fatigue ist kein normaler Erschöpfungszustand,21 vielmehr werden selbst kleinere Anforderungen als Überforderung wahrgenommen und gehen mit chronischer Müdigkeit, Hyper- und Insomnie sowie Leistungsknick einher. Tagesmüdigkeit und nächtliche Insomnie treten häufig gemeinsam auf. Ähnliches gilt auch für andere Viruserkrankungen. Medizinhistorisch kam es zeitgleich mit der „Spanischen Grippe“ (1918–1920) zu Hunderttausenden Fällen der sog. „Europäischen Schlafkrankheit“.23 Stationär intensivmedizinisch bzw. invasiv behandelte, v.a. beatmete Patient*innen, welche die Situation als subjektiv traumatisch erlebt haben, entwickeln als Folge nicht selten eine posttraumatische Belastungsstörung,2 die häufig mit Insomnie, Alpträumen und Flashbacks einhergeht. Sie ist eine relativ häufige Folge einer intensivmedizinischen Behandlung. Etwa jeder 5. Patient bildet im ersten Jahr nach intensivmedizinischer Behandlung Symptome einer PTBS aus.2

Ursachen und Pathogenese

Es gibt vielfältige Denkansätze und Hypothesen, wie Schlafstörungen im Zusammenhang mit Covidinfektionen entstehen könnten.19 Sie betreffen pathophysiologische Mechanismen, direkte Effekte, Folgen von Symptomen, den engen Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen, psychosoziale Irritationen, eine Kombination aus mehreren Faktoren, was sehr häufig der Fall ist (Tab. 2).

Tab. 2: Pathogenese von Schlafstörungen bei Covid-19

3-P-Modell zu Schlafstörungen

Das 1987 von Arthur Spielman et al. publizierte 3-P-Modell (Tab. 3) beschreibt im Wesentlichen die Einflussfaktoren auf den Schlaf („predisposing, precipitating and perpetuating factors“).17,18 Zu den prädisponierenden Faktoren zählen die biologisch-genetische Grundausstattung eines Betroffenen. Auslösende Faktoren sind z.B. aktuelle Anlässe, Krankheiten oder belastende Lebensereignisse. Aufrechterhaltende Faktoren können u.a. schlechtes Schlafmanagement, schlafinkompatible Verhaltensweisen, unbehandelte (v.a. psychische oder mit Schmerzen verbundene) Grundkrankheiten, Gedankenkreisen oder irrationale Ängste sein. Nach einer bestimmten Zeit kann es zu einer Verselbstständigung der Schlafstörungen kommen, auch wenn ursächliche Faktoren längst nicht mehr vorhanden sind.

Tab. 3: 3-P-Modell der Entstehung von Schlafstörungen (nach Spielman et al. 1987)17,18

Weitere Einflussfaktoren

Lockdowns und damit verbundene Restriktionsmaßnahmen haben nachweislich eine destabilisierende Wirkung auf den Schlaf-wach-Rhythmus. Schlafmangel und Insomnie begünstigen psychiatrische Störungen und stellen einen hohen gesundheitlichen Risikofaktor dar.7,10 Auf physiologischer Ebene senkt Insomnie die Schwelle für die Bewältigung von schwer belastenden Lebensereignissen und Stress. Schlafmangel schwächt das Immunsystem und erhöht das immunologische Risiko – somatisch und psychisch.10,14 Die Behandlung der Insomnie dient der Resilienzsteigerung und somit ganz wesentlich der Prävention psychischer Störungen, kann aber auch im Hinblick auf Krankheitsverläufe von Covid protektiv wirken.7,10,14

Diagnostik und Einteilung

Grundsätzlich unterscheidet sich die Diagnostik von mit Covid-19 assoziierten Schlafstörungen nicht wesentlich von der Abklärung isolierter Schlafstörungen oder Schlafstörungen im Kontext mit anderen Krankheiten. Hier geht es primär um die Erhebung anamnestischer Daten, selbstverständlich auch unter Zuhilfenahme von Schlaf-Screening-Bögen, Schlaf-Tagebüchern u.v.m. Insbesondere bei Schlafstörungen, die im Zusammenhang mit psychiatrischen Krankheiten auftreten, ist davon auszugehen, dass diese in der Regel krankheitsimmanent sind und somit keiner ausführlichen neurophysiologischen, neurostrukturellen oder atemphysiologischen Abklärung z.B. im Schlaflabor bedürfen, sehr wohl jedoch einer effizienten psychiatrischen Behandlung.7 Allerdings sind in diesem Zusammenhang immer auch die spezielle Pathologie und Symptomatik der Covid-19-Erkrankung und der Aspekt der Komorbidität mitzubedenken. Neu auftretende Schlafstörungen ohne eindeutigen psychiatrischen oder psychosozialen Kontext wie auch Symptome, die den Verdacht auf eine organische Schlafstörung nahelegen, benötigen sehr wohl eine ausführliche internistische, pulmologische und neurologische bzw. apparatetechnische Schlafdiagnostik.15

Die Einteilung der Schlafstörungen erfolgt nach der Kausalität in organische, nichtorganische und kombinierte Schlafstörungen, im Weiteren nach klinisch-symptomatischen und schlafstrukturellen Kriterien in quantitative und qualitative Schlafstörungen (Tab. 4). Hierfür werden u.a. folgende Diagnosemanuale herangezogen: ICSD-3, DSM V, ICD-10.6

Tab. 4: Einteilung und Formen von Schlafstörungen in Verbindung mit Covid-19

Grundlagen der Präventionund Therapie

Vor Behandlungsbeginn

Neben der aktuell dominierenden Symptomatik und dem subjektiven Leidensdruck sind vor Behandlungsbeginn anamnestische, diagnostische und klassifikatorische Aspekte sowie Faktoren der Kausalität, Pathogenese, Komorbidität, Komedikation wie auch der bio-psycho-soziale Gesamtkontext zu berücksichtigen (Tab.5).6 Der Therapieansatz richtet sich nach den entsprechenden Entstehungsfaktoren gemäß dem 3-P-Modell.17,18 Das heißt, zunächst sind prädisponierende, auslösende und aufrechterhaltende Faktoren für die Entstehung und den Verlauf der Schlafstörung zu analysieren und zuzuordnen. Anhand dessen kann ein evidenzbasiertes, diagnose- und symptomaffines, personalisiertes Therapieschema entwickelt werden.

Organische Schlafstörungen (z.B. Atemfunktionsstörungen oder neurologisch bedingte) sind vor einer psychiatrischen Behandlung bzw. parallel dazu auszuschließen bzw. zu diagnostizieren und entsprechend zu behandeln. Für primär psychisch bedingte Schlafstörungen und Kombinationsformen besteht die unbedingte Indikation zur psychiatrischen Behandlung. Bei leichteren Fällen und bei Patient*innen ohne somatische oder psychiatrische Vor- bzw. Begleiterkrankung sind zunächst schlafinkompatible Faktoren und Verhaltensweisen auszuschließen und nichtmedikamentöse Behandlungsalternativen zu prüfen bzw. anzuwenden (Tab. 5).

Tab. 5: Aspekte vor Behandlungsbeginn

Entscheidungskriterien

Bei der Auswahl der Therapien, ob es sich um medikamentöse oder nichtmedikamentöse Formen oder Kombinationsformen handelt, sind Entscheidungskriterien und entsprechende Algorithmen sinnvoll und nützlich (Tab. 6). Aus den Tabellen 5 und 6 wird sichtbar, welche Aspekte und Entscheidungskriterien bei der Behandlung Covid-19-assoziierter Schlafstörungen zu berücksichtigen sind. Ob bereits initial mit medikamentöser Therapie oder zunächst mit medikamentenfreien alternativen Therapieformen begonnen werden soll, hängt von all den genannten Faktoren ab. Bei leichten Formen von Insomnien ohne entsprechende belastende Anamnese bzw. Vordiagnose im Rahmen symptomloser oder milder Covid-19-Verläufe macht es Sinn, zunächst nichtmedikamentöse Therapieoptionen anzuwenden.

Tab. 6: Klinische Entscheidungskriterien bei der Behandlung

Therapierichtlinien

Beim Auftreten von Covid-assoziierten Schlafstörungen ist anders vorzugehen als bei Schlafstörungen ohne Covid-19-Bezug, da insbesondere die Symptomatik und der Verlauf der Covid-19-Erkrankung mit zu berücksichtigen sind. Zudem ist bekannt, dass sich v.a. unbehandelte Insomnien ungünstig auf das Immunsystem und den Krankheitsverlauf auswirken können.14,19 Zu unterscheiden ist auch, ob Patient*innen psychiatrische Vor- oder Begleiterkrankungen haben oder nicht (Tab. 7, 8).

Tab. 7: Therapierichtlinien für Covid-19-assoziierte Schlafstörungen

Tab. 8: Richtlinien für Covid-assoziierte Insomnien mit psychiatrischer Begleiterkrankung

Prävention und Therapie

Es gibt zwei Therapieoptionen:

1. Nichtmedikamentöse Präventions- und Therapiemodelle

Diese primär bei milden Verlaufsformen von Schlafstörungen im Zusammenhang mit Covid-19-Infektionen angewendeten Interventionsformen umfassen schlafhygienische Maßnahmen, Schlaf-Coaching, Psycho-Schlafedukation, Schlafrestriktion, Entspannungstechniken, paradoxe Intervention, kognitive Verhaltenstherapie,11 Stimuluskontrolle, Stressbewältigungstechniken, Chronotherapie (Tab. 9).

Tab. 9: Nichtmedikamentöse Präventions- und Therapiemodelle

2. Medikamentöse Interventionen
Das „ideale“ Schlafmittel

Die Anforderungen an ein sog. „ideales“ Schlafmittel sind patientenorientiert, diagnose- und symptomspezifisch sowie nach fachlich-medizinisch-psychiatrischen Kriterien zu definieren. Die in Tabelle 10 genannten Aspekte sind hierbei unter Nutzen-Risiko-Abwägung heranzuziehen.

Tab. 10: Anforderungen an ein „ideales“ Schlafmittel

Nach der Entscheidung für eine medikamentöse Therapie sind bei der Medikamentenauswahl vielfältige medizinisch-somatische und psychiatrische, aber auch soziale und kontextbezogene Aspekte zu berücksichtigen. Eine Übersicht findet sich in Tabelle 11. Bei der medikamentösen Behandlung von Schlafstörungen, im Besonderen von Insomnien, können unterschiedliche Substanzen eingesetzt werden (Tab.12).

Tab. 11: Medizinisch-psychiatrische und soziale Kriterien für die Medikamentenauswahl

Tab. 12: Substanzgruppen bei der Insomniebehandlung

Fallbeispiel
  • 26-jährige Patientin mit folgenden Vordiagnosen: emotional instabile Persönlichkeitsstörung, rezidivierendes selbstverletzendes Verhalten, Asthma bronchiale seit Kindheit

  • Chronologie: März 2021 Covid-19-Erkrankung, 2 Wochen nach erstmaliger Impfung (Astra), 3 Wochen stationär (Innere Medizin: 5 Tage Intensiv, keine Beatmung), anschließend 3 Wochen Pulmo-/Neuro-Reha. Es wird die Diagnose Post-Long-Covid gestellt. Nach 6 Monaten immer noch Symptome: Atemnot, Tagesmüdigkeit, Insomnie, Parästhesien, Muskelkrämpfe, Schwindel, Kopfschmerzen

  • Somatische Therapie: pulmologische, neurologische Behandlung, Physiotherapie, Atemgymnastik

  • Psychiatrische Medikation: Fluoxetin, Quetiapin, Trazodon (Trittico)

  • Verlauf: Besserung der Insomnie sowie der neurologischen, pulmologischen und psychiatrischen Symptomatik nach der 2. Impfung im Oktober 2021, jedoch bleibende gesundheitliche und psychische Instabilität.

Andere Verlaufsformen und spezielle Aspekte

Covid-assoziierte Hypersomnien

Laut ICD-10 (F51.1) werden Hypersomnien als Zustände exzessiver Schläfrigkeit während des Tages mit Schlafattacken beschrieben.21 Die möglichen Ursachen im Zusammenhang mit Covid-19 sind vielfältig (viral, entzündlich, immunologisch, neuropathologisch, Anämie, hormonell, psychiatrisch [s.o.]). Sie treten bei akuten Covid-Erkrankungen oft in Kombination mit Insomnie bzw. nicht erholsamem Schlaf und Alpträumen auf, im Rahmen von Post- und Long-Covid-Syndromen sind sie immanenter Bestandteil des Symptomenkomplexes. Diagnostisch sollte bei längerem Anhalten der Symptomatik eine neurostrukturelle und neurophysiologische Abklärung erfolgen. Therapeutisch geht es zunächst um die Behandlung der Grund- bzw. Begleiterkrankungen. Allenfalls kann ein Versuch mit antriebssteigernden Antidepressiva, z.B. Buprobion (Wellbutrin® 150–300mg), gestartet werden.

Covid-assoziierte Parasomnien

Alpträume sind laut ICD-10 (F51.5) als lebhaftes Traumerleben voller Angst oder Furcht, mit sehr detaillierter Erinnerung an den Trauminhalt, beschrieben. Häufige Themen sind z.B. Bedrohung des Lebens, der Sicherheit, der Selbstachtung u.v.m. Die Entstehung ist oft multikausal (psychogenetisch, akut- oder posttraumatisch, neuro-, atempathophysiologisch). Alpträume kommen bei akuten Covid-Erkrankungen oft in Kombination mit Insomnie (nicht erholsamem Schlaf) und/oder Hypersomnie vor. Zudem häufen sie sich im Rahmen von Post- und Long-Covid-Syndromen auch nach traumatisch erlebten, mit Angst verbundenen Situationen (z.B. nach sozialer Isolierung, Lockdowns, schweren Krankheitsverläufen, nach Intensivkontext, Intubation etc.).2

Vor Behandlungsbeginn sind somatische Ursachen durch neurologische und pulmologische Abklärung auszuschließen, zudem sollte eine Traumaanamnese erfolgen.2 Die medikamentöse Therapie besteht zunächst im Herstellen eines normalen Schlafmusters, ggf. in der Gabe von Prazosin (Alpha-1-Blocker),5 Behandlung der Grund- bzw. Begleitkrankheiten, bei PTSD Psychotherapie.

Schlafstörungen nach Covid-19-Impfung

Nebenwirkungen nach Covid-19-Impfungen sind Ausdruck des Eindringens körperfremder Stoffe und in der Folge Irritationen und immunologische Reaktionen. Häufige Symptome sind Schmerzen an der Einstichstelle, Schüttelfrost, Fieber, Kopf-, Gelenks-, Muskelschmerzen, Müdigkeit, verschiedene Formen von Schlafstörungen wie Hypersomnien, Insomnien, Alpträume. Schlafstörungen können nach jeder Dosis und unabhängig von der Art des Impfstoffs auftreten. Die Kausalität ist nicht gesichert, ggf. sind sie Folge der vielfältigen Symptome sowie pathophysiologischer bzw. immunologischer Veränderungen, die mit jenen einer Covid-Infektion zu vergleichen sind. Die Therapie erfolgt je nach Form und Ausprägung wie bei Schlafstörungen im Rahmen einer Covid-Infektion.

Risikofaktor Suizidalität

Chronische Schlafstörungen erhöhen die Suizidrate signifikant, v. a. bei psychiatrischer und somatischer Komorbidität.8 Das betrifft v.a. depressive und bipolare Störungen und in diesem Zusammenhang das sog. „Rapid Cycling“ (rasche Stimmungswechsel). Additiv wirkt zudem nachweislich eine eigene oder kontextbezogene Suizidanamnese. Weitere problematische Faktoren sind chronische Schmerzen, Pruritus (Juckreiz), Alkoholabhängigkeit, höheres Alter, Einsamkeit und männliches Geschlecht. Covid-19 stellt einen zusätzlichen medizinischen und psychosozialen Belastungsfaktor dar. Der Zusammenhang zwischen Covid-19 und psychosozialer Belastung ist eindeutig.10

Dazu gehören natürlich auch die Covid-19-Restriktionsmaßnahmen wie Lockdowns, die zu sozialer Isolierung und in der Folge zu Ängsten und Depressionen führen können. Diese Zusammenhänge und Risiken sind im Rahmen einer Behandlung von mit Covid-19 assoziierten Schlafstörungen dringend einzubeziehen.

Zusammenfassung

Die Zusammenhänge zwischen Covid-19-Erkrankungen und Schlafstörungen sind eindeutig. In erster Linie handelt es sich um Insomnien oder Hypersomnien sowie v.a. im Rahmen traumatisch erlebter Situationen auch um Parasomnien (v.a. Alpträumen). Schlafstörungen bedingen durchwegs ein vermehrtes gesundheitliches, psychosoziales und immunologisches Risiko.14 Die Multikausalität und die vielfältige Symptomatik stellen eine besondere Herausforderung dar. Je nach Krankheitsverlauf, Symptomatik und Ausprägung sind bei der Therapie vielfältige bio-psycho-soziale Aspekte zu berücksichtigen. Zunächst geht es um subjektive Symptomentlastung sowie um die Vermeidung schlafinkompatibler Verhaltensweisen unter Bedachtnahme des Gesamtkontexts. Medikamentöse Therapien müssen, neben dem medizinischen und psychosozialen Zustand der Betroffenen, v.a. den klinischen Verlauf und Schweregrad der Covid-Erkrankung, Begleiterkrankungen, Begleitmedikationen sowie weitere Aspekte berücksichtigen. Eine suffiziente Behandlung von Schlafstörungen kann durch Immunoprotektion den Gesundungsprozess positiv beeinflussen.14 Ein gesunder Schlaf wirkt darüber hinaus nachweislich resilienzsteigernd.10 Dies dient der Prävention und Postvention von schweren Krankheitsverläufen und ungünstigen Entwicklungen – somatisch und psychiatrisch. Eine effiziente Prävention und Therapie von Covid-assoziierten Schlafstörungen umfasst somit den persönlichen, medizinischen, bio-psycho-sozialen und ganzheitlichen Kontext von Betroffenen.7 Dies hat letztlich nachhaltige systemische, gesundheitspolitische, gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Auswirkungen.7

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