© kalus

Bedeutung und diagnostische Optionen

Ischämie und Ischämiediagnostik

Die Myokardischämie entsteht durch ein Ungleichgewicht von Sauerstoffangebot und Sauerstoffbedarf in der Myokardzelle. Eine Koronargefäßstenose ist als hämodynamisch relevant einzustufen, wenn eine signifikante Ischämie nachgewiesen werden kann. Eine Ischämie kann aber auch vorliegen, wenn die im Herzkatheter darstellbaren epikardialen Gefäße bland sind. In diesem Fall sind die kleinen Gefäße für die Ischämie verantwortlich, man spricht von einer mikrovaskulären koronaren Herzkrankheit. In der folgenden Übersicht sollen die Bedeutung von Ischämie und die Ischämiediagnostik im Detail erläutert werden.

Keypoints

  • Die Bestimmung des Kalzium-Scores mittels CT wird zur Evaluierung der klinischen KHK-Vortestwahrscheinlichkeit eingesetzt.

  • Die CT-Angiografie wird bei niedriger klinischer Vortestwahrscheinlichkeit zum KHK-Ausschluss empfohlen.

  • Der Ischämietest (Myokardszintigrafie, Stress-MR oder Stress-Echo) wird bei höherer klinischer Vortestwahrscheinlichkeit zur KHK-Abklärung empfohlen und ermöglicht zum Teil auch zusätzliche Informationen über die Myokardvitalität.

  • Nur die Revaskularisation eines Gefäßes mit signifikantem Ischämieausmaß ist mit einem prognostischen Benefit vergesellschaftet, daher vorher Ischämietest!

  • Die mikrovaskuläre KHK ist mit einer ungünstigen Prognose vergesellschaftet, da bisher keine eindeutige Verbesserung der Perfusion in diesem Bereich durch medikamentöse oder interventionelle Maßnahmen in größeren Studien nachgewiesen werden konnte.

Was ist Ischämie?

Unter Ischämie (ischein [altgriechisch] = zurückhalten; aima (griechisch) = Blut) versteht man eine verminderte oder fehlende Durchblutung von Gewebe. Dies führt zu Sauerstoffmangel in den Zellen.Die Myokardischämie entsteht durch ein Ungleichgewicht von Sauerstoffangebot und Sauerstoffbedarf in der Myokardzelle.

Das Sauerstoffangebot kann vermindert sein durch eine Minderperfusion durch Vasospasmus, Gefäßstenosen-bedingt durch Atherosklerose oder durch Thrombus. Der Sauerstoffbedarf kann erhöht sein durch erhöhte Vorlast oder Nachlast, durch erhöhte Herzfrequenz oder erhöhte Kontraktilität.

Die Ischämie führt zu einer erhöhten Wandsteifigkeit, also einer erhöhten Vorlast, was einerseits einen erhöhten linksventrikulären enddiastolischen Druck zur Folge hat und den Sauerstoffbedarf weiter erhöht, andererseits führt Ischämie auch zu einem reduzierten diastolischen Fluss und damit zu einem verminderten myokardialen Blutfluss. Das verschlechtert das ohnedies bereits verminderte Sauerstoffangebot der Myokardzelle. Damit schließt sich der Circulus vitiosus (Abb. 1)

Abb. 1: Circulus vitiosus der Ischämie

Wann benötigen wir einen Ischämietest?

Mit den neuen 2019 veröffentlichten ESC-Leitlinien zum Management des chronischen Koronarsyndroms hat sich auch der Stellenwert der Ischämietests im Rahmen der KHK-Abklärung geändert.1

Konkret wird bei einem Verdacht auf eine KHK empfohlen, die klinische Vortestwahrscheinlichkeit hinsichtlich einer KHK zu erheben. Hierbei hat die Computertomografie (CT) primär durch die sehr einfache und prognostisch sehr aussagekräftige Bestimmung des Kalzium-Scores, wie unter anderem durch die SCOT-HEART-Studie und die PROMISE-Studie belegt werden konnte, an Bedeutung gewonnen.2–4 Die CT zur Bestimmung des Kalzium-Scores wird nun bereits in einem sehr frühen Stadium der KHK-Stufendiagnostik eingesetzt, um die individuelle klinische Vortestwahrscheinlichkeit zu definieren (Abb. 2).

Abb. 2: Empfohlenes Vorgehen bei der nicht invasiven Abklärung bei Verdacht auf KHK und stabilen Symptomen. Ausgehend von der Vortestwahrscheinlichkeit (VTW) wird unter Einbezug der unten stehenden Kriterien die klinische VTW erhoben. Je nach Ergebnis soll die Strategie gewählt werden, wobei bei sehr hoher VTW auch der Weg direkt zur Koronarangiografie in Betracht gezogen werden kann (hier nicht abgebildet). In Anlehnung an die Leitlinien der ESC 20191

Bei höherer Vortestwahrscheinlichkeit wird ein Ischämietest empfohlen, um Kenntnisse über das Ischämieausmaß und die Lokalisation sowie möglichst auch Informationen über die Myokardvitalität zu gewinnen.

Warum ist es so wichtig, das Ischämieausmaß zu kennen?

Eine Koronargefäßstenose ist als hämodynamisch relevant einzustufen, wenn eine signifikante Ischämie nachgewiesen werden kann. Umgekehrt kann Ischämie aber auch vorliegen, wenn die im Herzkatheter darstellbaren epikardialen Gefäße bland sind. In diesem Fall sind die kleinen Gefäße für die Ischämie verantwortlich, man spricht dann von einer mikrovaskulären koronaren Herzkrankheit. Mehrere Studien konnten zeigen, dass beim chronischen koronaren Syndrom mit definitionsgemäß stabiler Angina-pectoris-Symptomatik erst eine Ischämieausdehnung von ca. 10% des Gesamtmyokards prognostisch relevant ist, also einer koronaren Intervention in Hinblick auf eine Prognoseverbesserung (hinsichtlich Myokardinfarkt/Tod) bedarf.5 Als Äquivalent werden in den Guidelines ≥3 Segmente mit unter Stress neu aufgetretenen Hypokinesien im Echo oder in der MRT bzw. ≥2/16 Segmenten mit neu aufgetretenen Perfusionsdefekten in der MRT definiert.

Wie kann Ischämie diagnostiziert werden?

Während die akute Ischämie durch EKG-Veränderungen und Anstieg der Herzenzyme diagnostiziert wird, ist die Ischämie beim chronischen Koronarsyndrom nur durch einen Stresstest auslösbar. Voraussetzung für die Durchführung eines Stresstests ist ein in jeder Hinsicht stabiler Patient in gutem Allgemeinzustand. Der physiologischste Stresstest ist die körperliche Belastung, also zum Beispiel die Fahrrad-Ergometrie. Voraussetzung für ein verwertbares Resultat ist die adäquate Belastung. Dies ist bei vielen Patienten nicht möglich, da es oft Einschränkungen des Bewegungsapparates oder die fehlende körperliche Fitness nicht erlauben, den Patienten auszubelasten. Alternativ steht uns die pharmakologische Belastung zur Verfügung, die in der Regel mit einem Vasodilatator wie Dipyridamol, Adenosin oder Regadenoson oder – bei Kontraindikationen – mit dem Betamimetikum Dobutamin durchgeführt werden kann.

Abb. 3: Prinzip des Stresstests

Als wichtigste Kontraindikationen für den Einsatz eines Vasodilatators sind Asthma/COPD zu erwähnen, wobei Regadenoson aufgrund seiner selektiven Wirkung bis zu GOLD 3 eingesetzt werden kann. Während bei der Ergometrie die Symptome (Angina pectoris, Dyspnoe), das EKG (ST-Strecken-Veränderungen, Rhythmusstörungen) sowie indirekt das Blutdruckverhalten (Blutdruckabfall unter Belastung) auf eine Ischämie hinweisen, können Bildgebungsverfahren wie die Myokardszintigrafie (Positronen-Emissions-Tomografie, PET, oder Single-Photonen-Emissions-Computertomografie, SPECT), die Echokardiografie, die Magnetresonanztomografie (MRT) oder die derzeit noch nicht routinemäßig eingesetzte Perfusions-CT auch das Ischämieausmaß aufzeigen. Bei der Myokardszintigrafie kommt die radioaktive Substanz unter Stress nicht mehr in die Areale, die einer hämodynamisch wirksamen Stenose nachgeschaltet sind. Es wird dort also eine Minderperfusion durch verminderte Traceranreicherung visualisiert. Bei Verwendung von PET kann aufgrund der hohen Auflösung zusätzlich die Myokardperfusion quantifiziert werden (in ml/g/min). Dies ermöglicht auch die Berechnung der koronaren Flussreserve (=Stressperfusion/Ruheperfusion). Eine Flussreserve unter 2 ist als pathologisch einzustufen (ein Gesunder hat eine Flussreserve von >3).6

Bei der Echokardiografie und der MRT kommt es unter Stress in den Ischämiearealen zum Auftreten von Wandbewegungsstörungen. Bei der MRT kann zusätzlich mittels eines Kontrastmittels die Perfusion dargestellt werden. Die Aussagekraft von Szintigrafie, Echokardiografie und MRT ist weitgehend gleichwertig, wobei die Wahl der genannten Methoden laut ESC-Leitlinien in erster Linie von der Verfügbarkeit und der Expertise in der jeweiligen Institution abhängen soll.

Was versteht man unter mikrovaskulärer KHK?

Bei der mikrovaskulären KHK handelt es sich um eine Ischämie im Gebiet der kleinen Myokardgefäße, also der Gefäße, die im Herzkatheter oder in der CT-Angiografie nicht sichtbar sind, aber einen großen Teil des Gefäßsystems ausmachen. Nachweisen kann man die mikrovaskuläre KHK durch einen Stresstest im Herzkatheter oder nicht invasiv durch Quantifizierung der Myokardperfusion mittels PET. Neuere Studien zeigen vergleichbare Resultate, indem kleine Perfusionsausfälle unter Verwendung der MRT-Perfusion auf eine mikrovaskuläre Perfusionsstörung hinweisen. Taqueti et al konnten zeigen, dass eine reduzierte koronare Flussreserve bei Frauen eine signifikant schlechtere Prognose aufweist als bei Männern. Die Erklärung dafür ist die Verteilung der KHK. Bei Männern liegt die Ursache meist in stenosierten epikardialen Gefäßen, wo die Perfusion durch Revaskularisation verbessert werden kann. Bei Frauen ist die reduzierte Flussreserve hingegen häufig auf eine mikrovaskuläre KHK zurückzuführen, also ein Problem der kleinen und kleinsten Gefäße. Dies ist nach heutigem Wissensstand nur durch symptomatische medikamentöse Therapie behandelbar, was die höhere Ereignisrate erklärt.7

1 Knuuti J et al.: 2019 ESC guidelines for the diagnosis and management of chronic coronary syndromes. Eur Heart J 2020; 41(3): 407-77 2 Budoff MJ et al.: Long-term prognosis associated with coronary calcification. Observations from a registry of 25,253 patients. J Am Coll Cardiol 2007; 49(18): 1860-70 3 Newby DE et al.: Coronary CT angiography and 5-year risk of myocardial infarction. N Engl J Med 2018; 379(10): 924-33 4 Douglas PS et al.: Outcomes of anatomical versus functional testing for coronary artery disease. N Engl J Med 2015; 372(14): 1291-300 5 Hachamovitch R et al.: Impact of ischaemia and scar on the therapeutic benefit derived from myocardial revascularization vs. medical therapy among patients undergoing stress-rest myocardial perfusion scintigraphy. Eur Heart J 2011; 32(8): 1012-24 6 Herzog BA et al.: Long-term prognostic value of 13N-ammonia myocardial perfusion positron emission tomography added value of coronary flow reserve. J Am Coll Cardiol 2009; 54(2): 150-56 7 Taqueti VR et al.: Excess cardiovascular risk in women relative to men referred for coronary angiography is associated with severely impaired coronary flow reserve, not obstructive disease. Circulation 2017; 135(6): 566-77

Back to top