Behandlung von HI-Komorbiditäten: Ventrikelleistung verbessern?
Autorin:
Priv.-Doz. Dipl.-Ing. Dr. Noemi Pavo, PhD
Abteilung für Kardiologie
Universitätsklinik für Innere Medizin II
Medizinische Universität Wien
E-Mail: noemi.pavo@meduniwien.ac.at
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Die Herzinsuffizienz ist eine Erkrankung, die besonders häufig mit Komorbiditäten vergesellschaftet ist. Diese können die Symptome der Herzinsuffizienz verstärken, nachahmen oder die Resilienz des Patienten herabsetzen und dadurch mehr als relevant für die Lebensqualität und HI-Outcomes sein. Generell scheint ihre Behandlung jedoch nicht unbedingt zu einer direkten Verbesserung der Herzleistung zu führen – die LVEF ist aber vielleicht eben doch nicht alles.
Keypoints
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Eine Komorbidität ist nicht zwingend weniger schwerwiegend als die Indexerkrankung.
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Es scheint als wären durch die Behandlung der Komorbiditäten bei chronischer HI keine großen direkten Effekte zu erwarten.
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Die Ergebnisse der STEP-HFpEF-Studie werden den Effekt einer Gewichtsreduktion durch Semaglutid bei HFpEF-Patienten zeigen.
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Bisher gibt es nur wenige Daten dazu, wie sich die kardiale Funktion unter Diabetestherapie (außer unter SGLT2i) entwickelt.
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Durch welche Mechanismen intravenöses Eisen seine günstigen Effekte auf HI, Hospitalisierungen und Leistungsfähigkeit ausübt, ist nicht geklärt.
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Bewegung/Training hilft, ist allerdings oft schwierig als neue Verhaltensweise zu implementieren.
Die Herzinsuffizienz (HI) ist eine systemische Erkrankung.Je mehr Komorbiditäten vorhanden sind, desto schlechter ist die Prognose und desto mehr Lebensjahre werden eingebüßt.1,2 Was als Komorbidität zu bezeichnen ist, ist unklar definiert. Unter anderem ist es relativ, welche Erkrankungseigenschaften eine Komorbidität von der Indexerkrankung abgrenzen. Mitunter ist eine sogenannte Komorbidität nicht weniger schwerwiegend als die Indexerkrankung, sodass sich die Frage stellt, welche der Erkrankungen Komorbidität und welche Indexerkrankung ist – selbst wenn die Indexerkrankung eine doch so schwerwiegende Erkrankung wie die HI ist. Man kann den Erkrankungszustand eines Individuums auch als ein komplexes Zusammenspiel von pathophysiologischen Veränderungen verstehen, dessen einzelne Teilkomponenten als eigenständige Komorbiditäten wahrgenommen werden können. Die Zusammenhänge können dabei bekannt, aber teilweise auch unverstanden oder verborgen sein. Komorbiditäten können Risikofaktoren für die Entstehung der Herzinsuffizienz sein oder die Progression der Herzinsuffizienz mit antreiben. Hierbei dürften sich die HFrEF (Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion) und die HFpEF (Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion) auch nochmals deutlich unterscheiden: Während bei der HFrEF meist ein direkter Myokardschaden nachweisbar ist und die Komorbiditäten modulierend auf die Herzinsuffizienz einwirken oder gar ihre Folge sind, scheint die nichtspezifische HFpEF ein Produkt aus dem Milieu der Komorbiditäten zu sein. Somit sollten Komorbiditäten auch vom Standpunkt der HI aus optimal behandelt werden. Durch optimiertes Management einiger Komorbiditäten kann die Lebensqualität der Patienten verbessert werden, aber auch HI-Hospitalisierungen können verhindert werden. Ob dabei auch eine funktionelle oder morphologische kardiale Verbesserung („reverse remodeling“) erzielt werden kann, wird in der Literatur nicht häufig berichtet. Die häufigen Komorbiditäten der Herzinsuffizienz werden in kardiale und nichtkardiale eingeteilt. Im Folgenden wird die Evidenz für die direkte Verbesserung der Herzleistung durch die Behandlung nicht kardialer Komorbiditäten erörtert.
„Reverse remodeling“
„Reverse remodeling“ ist das Gegenteil des „adverse remodeling“ und bezeichnet die auch teilweise Wiederherstellung der kardialen Struktur oder Funktion in Richtung normales Herz. Klassischerweise werden zur Abschätzung Parameter der Geometrie und Funktion der Herzhöhlen, aber auch Biomarker wie natriuretische Peptide herangezogen. Es ist bekannt, dass das „reverse remodeling“ mit einer besseren Prognose vergesellschaftet ist.3 Zu den Faktoren, die mit einem „reverse remodeling“ assoziiert sind, zählen das weibliche Geschlecht, jüngeres Alter, eine nichtischämische Ätiologie, eine kürzere Dauer der Erkrankung oder weniger „late gadolinium enhancement“ (LGE) im cMRT.4
Die Behandlung oder Selbstheilung akuter, potenziell transienter Ursachen, die sekundär zu einem dauerhaften Myokardschaden oder kardialer Funktionseinschränkung führen können, bewirkt tatsächlich eine Verbesserung der zwischenzeitlich eingeschränkten kardialen Leistung (z.B. Rhythmisierung bei tachykardem Vorhofflimmern und dadurch bedingter Kardiomyopathie, Revaskularisierung bei akutem Koronarsyndrom und drohendem kardiogenem Schock, spontane Ausheilung bei Myokarditis). Im Gegensatz dazu ist über die Auswirkung auf das „reverse remodeling“ bei chronischer Herzinsuffizienz durch die Behandlung von Komorbiditäten nur wenig bekannt. Die Behandlung einiger der sogenannten nicht kardialen Komorbiditäten wie Hypertonie oder chronischer Niereninsuffizienz zeigen eine große Überschneidung mit der Herzinsuffizienztherapie (Betablocker, ACEi/ARB/ARNi, MRA, SGLT2i), weswegen ihre Behandlung nicht als isolierte Behandlung der Komorbiditäten betrachtet werden kann.
Adipositas
Übergewicht ist ein Risikofaktor für die Entstehung einer HFpEF wie auch einer HFrEF. Bei bestehender Herzinsuffizienz zeigt sich jedoch das Bild des „obesity paradox“ – je höher der BMI, desto länger das Überleben.5 Insbesondere bei Patienten mit HFpEF und Diabetes scheint das Paradoxon jedoch abgeschwächt, allerdings zeigt sich auch hier ein weitgehend unverändertes Mortalitätsrisiko über einen weiten BMI-Bereich.6 Es ist also unklar, welche Effekte von einer beabsichtigten Gewichtsreduktion bei übergewichtigen HI-Patienten zu erwarten sind. In einigen eher kleinen klinischen Studien zeigte sich eine Zunahme der Leistungsfähigkeit ohne eine eindeutige Verbesserung der LVEF.7 Mit Spannung werden nun die Ergebnisse der STEP-HFpEF-Studie erwartet, die die Wirkung der Gewichtsreduktion durch Semaglutid bei HFpEF-Patienten mit Adipositas untersucht.8
Diabetes
Neben den SGLT2-Inhibitoren (SGLT2i) sollten bei HI-Patienten hauptsächlich Metformin und Insulin eingesetzt werden. Obwohl wir wissen, dass bei HI-Patienten unter ARNi der Insulinbedarf sinkt, gibt es bis dato nur wenige Daten dazu, wie sich die kardiale Funktion unter Diabetestherapie mit Ausnahme der SGLT2i verhält. Metformin scheint bei Herzinsuffizienz sicher zu sein und neben den neutralen Ergebnissen der meisten Studien gibt es auch einige, die einen günstigen Effekt auf die Mortalität nachgewiesen haben. Randomisierte Studien fehlen hier aber.9 Eine Metaanalyse deutete weiters darauf hin, dass Metformin einen günstigen Effekt auf die linksventrikuläre Masse und eventuell auf die LVEF haben kann.10 Im Tierversuch konnte gezeigt werden, dass die positive Wirkung des Metformins über den AMPK-Signalweg mediiert wird.11 Insulin hingegen scheint bei HI in retrospektiven Analysen mit einer erhöhten Mortalität und einer höheren Wahrscheinlichkeit für Hospitalisation assoziiert zu sein, sodass Patienten, bei denen eine Insulintherapie notwendig ist, zu Beginn engmaschig beobachtet werden sollten.12 Über die Auswirkung des Insulins auf die kardiale Funktion ist wenig bekannt. Interessanterweise scheint es sich um nicht generell blutzuckersenkende Effekte zu handeln.
Eisenmangel
Ein Eisenmangel, definiert nach HI-Kriterien, liegt bei mehr als 50% der Patienten mit HI vor und ist unabhängig von der Anämie mit einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit und einer schlechten Prognose verbunden. In mehreren klinischen Studien zeigte eine intravenöse Eisensubstitution mit Eisencarboxymaltose (FCM) oder Eisenisomaltosid günstige Effekte auf die Leistungsfähigkeit und reduzierte die Wahrscheinlichkeit für Herzinsuffizienzhospitalisationen bei Patienten mit LVEF ≤40% und ≤45%.13,14 Aber obwohl der Eisenmangel mit einer erhöhten Mortalität verbunden ist, reduziert das Wiederauffüllen der Eisenspeicher die Mortalität interessanterweise nicht.15 Wie Eisen auf HI wirkt, steht derzeit noch zur Debatte. Günstige Effekte auf die mitochondriale Funktion im Skelettmuskel wurden hier beschrieben.16 Eine kleine Studie zeigte auch Hinweise auf eine kardiale Eisenrepletion im cMRT, wobei auch eine leichte Verbesserung der LVEF nach 30 Tagen zu beobachten war.17
Training
Training und kardiale Rehabilitation sind zu wenig genutzte Therapieoptionen für HI-Patienten.18 Klinische Studien und Metaanalysen zeigen, dass Training die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität verbessert. So manche Metaanalyse zeigte auch eine Reduktion der Hospitalisierungsraten. Unsicherheit besteht jedoch darin, ob auch eine Reduktion der Mortalität erzielt werden kann.12 Die Leitlinien geben eine Klasse-IA-Empfehlung für Training.12 In einer Metaanalyse konnte auch eine Verbesserung der LVEF sowohl durch „moderate-intensity continuous training“ (MICT) als auch durch „high-intensity interval training“ (HIIT), vor allem bei MICT >6 Monate um +6,3%, erzielt werden.19 Hier liegt die Schwierigkeit darin, Bewegung als dauerhafte und oft neue Verhaltensweise zu implementieren.
Fazit
Insgesamt scheint es, dass durch die Behandlung der Komorbiditäten der chronischen HI keine großen direkt kardialen Effekte zu erwarten sind. Weiters besteht eine Diskrepanz zwischen den Effekten auf das Outcome und dem kardialen „reverse remodeling“. Dies kann einerseits dadurch bedingt sein, dass sich die Symptome von Komorbiditäten mit HI-Symptomen überschneiden (Symptomverbesserung/Verringerung der Wahrscheinlichkeit für Hospitalisierung, aber keine Verbesserung des „reverse remodeling“), andererseits aber auch dadurch, dass die LVEF ein eher schlechter Prädiktor für das Outcome ist.
Literatur:
1 Screever ME et al.: Comorbidities complicating heart failure: Changes over the last 15 years. Clin Res Cardiol 2023; 112(1): 123-33 2 Drozd M et al.: Association of heart failure and its comorbidities with loss of life expectancy. Heart 2021; 107(17): 1417-21 3 Savarese G et al.: Prevalence and prognostic implications of longitudinal ejection fraction change in heart failure. JACC Heart Fail 2019; 7(4): 306-17 4 Aimo A et al.: Imaging, biomarker, and clinical predictors of cardiac remodeling in heart failure with reduced ejection fraction. JACC Heart Fail 2019; 7(9): 782-94 5 Prausmüller S et al.: Malnutrition outweighs the effect of the obesity paradox. J Cachexia Sarcopenia Muscle 2022; 13(3): 1477-86 6 Prausmüller S et al.: Obesity in HFpEF with and without diabetes - risk factor or innocent bystander? Eur J Prev Cardiol 2023; https://doi.org/10.1093/eurjpc/zwad140 7 Beck-da-Silva L et al.: Effect of Orlistat in obese patients with heart failure: A pilot study. Congest Heart Fail 2007; 11(3): 118-23 8 Kosiborod MN et al.: Design and baseline characteristics of STEP-HFpEF program evaluating Semaglutide in patients with obesity HFpEF phenotype. JACC Heart Fail 2023; doi: 10.1016/j.jchf.2023.05.010 9 Eurich DT et al.: Comparative safety and effectiveness of metformin in patients with diabetes mellitus and heart failure: Systematic review of observational studies involving 34,000 patients. Circ Heart Fail 2013; 6(3): 395-402 10 Kamel AM et al.: Effect of Metformin on left ventricular mass and functional parameters in non-diabetic patients: A meta-analysis of randomized clinical trials. BMC Cardiovasc Disord 2022; 22(1): 405 11 Gundewar S et al.: Activation of AMP-activated protein kinase by Metformin improves left ventricular function and survival in heart failure. Circ Res 2009; 104(3): 403-11 12 McDonagh TA et al.: 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: Developed by the task force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC). With the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. Eur J Heart Fail 2022; 24(1): 4-131 13 Ponikowski P et al.: Ferric carboxymaltose for iron deficiency at discharge after acute heart failure: A multicentre, double-blind, randomised, controlled trial. Lancet 2020; 396(10266): 1895-1904 14 Kalra PR et al.: Intravenous ferric derisomaltose in patients with heart failure and iron deficiency in the UK (IRONMAN): An investigator-initiated, prospective, randomised, open-label, blinded-endpoint trial. Lancet 2022; 400(10369): 2199-209 15 Graham FJ et al.: Intravenous iron for heart failure with evidence of iron deficiency: A meta-analysis of randomised trials. Clin Res Cardiol 2021; 110(8): 1299-307 16 Charles-Edwards G et al.: Effect of iron isomaltoside on skeletal muscle energetics in patients with chronic heart failure and iron deficiency. Circulation 2019; 139(21): 2386-98 17 Núñez J et al.: Noninvasive imaging estimation of myocardial iron repletion following administration of intravenous iron: The myocardial-IRON trial. J Am Heart Assoc 2020; 9(4): e014254 18 Morris JH, Chen L: Exercise training and heart failure: A review of the literature. Card Fail Rev 2019; 5(1): 57-61 19 Tucker WJ et al.: Meta-analysis of exercise training on left ventricular ejection fraction in heart failure with reduced ejection fraction: A 10-year update. Prog Cardiovasc Dis 2019; 62(2): 163-71
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