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Chronische Schmerzen

Erfolgreich kommunizieren – mit dem richtigen Werkzeug in der Tasche

Gespräche mit Patienten mit chronischen Schmerzen zu führen ist mitunter nicht einfach. Prof. Dr. Michael Bach kennt die Gründe und weiß, wie man solchen herausfordernden Begegnungen proaktiv entgegenkommen kann.

Dass die Kommunikation mit Patienten, die an chronischen Schmerzen leiden, schwierig sein kann, haben wohl viele Mediziner schon erfahren. Mit geeignetem Werkzeug können solche Gespräche angenehmer und effizienter und die Beziehung zum Patienten nachhaltiger gestaltet werden. Der Weg dorthin ist aber nicht geradlinig und auch nicht schnell. „Man kann die Kommunikation mit Patienten mit chronischen Schmerzen nicht in kurzer Zeit erlernen. Ich kann Ihnen jedoch Ideen geben, was Sie ausprobieren können und wie Sie diese Gespräche optimieren können“, brachte es Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Bach, Ärztlicher Leiter des Therapiezentrums Justuspark, Bad Hall, auf den Punkt.

Den Patienten mit chronischen Schmerzen verstehen

Was macht die Kommunikation mit Patienten mit chronischen Schmerzen schwierig? Bach führt dies unter anderem auf die Kommunikation auf unterschiedlichen Ebenen zurück. Patienten kommunizieren auf der Befindlichkeitsebene („Mir tut es hier weh!“) – Mediziner auf der Befundebene („Auf diesen Bildern ist nichts festzustellen.“). Bach rät, proaktiv mit dem Patienten zu diskutieren, auf welcher dieser Ebenen man sich treffen wolle bzw. könne: „Bedenken Sie dabei: Chronische Schmerzen sind im Wesentlichen eine Befindlichkeitsstörung, keine Befundstörung.“

Viele Betroffene hätten jedoch ein einseitiges somatisches Krankheitsverständnis. Schmerzen werden als ausschließlich körperliches Problem gesehen, nicht als psychisches. Unter diesem Aspekt wäre es wichtig, nur notwendige, aussagekräftige Untersuchungen durchzuführen. „Je mehr unnötige Befunde wir anhäufen, umso mehr suggerieren wir den Patienten, es existiere eventuell doch ein organisches Korrelat. So entstehen mit der Zeit Widerstände gegen ein ganzheitliches biopsychosoziales Modell“, warnt Bach.

Es sei bei Patienten mit chronischen Schmerzen auch oft ein Externalisieren von Gedankenmustern zu beobachten. Die Begründung von und die Verantwortung für Schmerzen werden „nach außen“ abgegeben. „Je länger und öfter Schmerzen auftreten, umso mehr neigen Menschen zur Externalisierung. Es kann ein Problem darstellen, wenn man dann versucht, an die Selbstwirksamkeit des Patienten zu appellieren, und dieser sie nicht wahrnehmen kann“, so Bach.

Schlussendlich ist es für beide Seiten auch wichtig, sich mit der Chronizität auseinanderzusetzen. Tritt in einer realistischen Zeitspanne keine Besserung oder Heilung ein, entsteht auf beiden Seiten Ungeduld und das Gefühl der Hilflosigkeit, die für ein besseres gegenseitiges Verständnis offen verbalisiert werden sollten.

Wie kann man nun die Kommunikation mit den Patienten verbessern?

Die richtige Grundhaltung

Der Mythos des schwierigen Patienten

Ein Blick auf die Liste der Patienten im Warteraum entlockt ein spontanes „Oje, Herr XY ist heute da“. Man erinnert sich an die letzten Begegnungen, die alles andere als einfach waren. „Wichtig ist in solchen Situationen zu bedenken, dass kein Mensch als schwieriger Patient geboren wird“, betonte Bach. Wichtig ist hier zu überlegen, was aus einem Patienten einen schwierigen Patienten macht, und auch, welche Rolle die Ärzte selbst dabei spielen. Für eine gute Beziehung ist es auf jeden Fall essenziell, dem Patienten zu vermitteln, dass er willkommen ist.

Das biopsychosoziale Schmerzmodell

Gerade bei Patienten mit chronischen Schmerzen ist das dualistische Denken, das zwischen körperlichen und pychischen Beschwerden trennt, kontraproduktiv. Ihre Behandlung erfordert eine Denkweise, die nicht auf entweder–oder basiert, sondern auf sowohl–als auch.

Standfest bleiben

Patienten mit chronischen Schmerzen haben oft überzogene Heilserwartungen. Die Schmerzen sollen einfach nur verschwinden. Bach warnte: „Es ist wichtig, diesen Forderungen standzuhalten und nicht zu versuchen, mit allen Mitteln die passiven Versorgungswünsche unserer Patienten zu erfüllen. Wenn wir das Problem dem Patienten völlig abnehmen, verstärken wir den Prozess des Externalisierens. Es ist jedoch wichtig, einen Teil des Problems beim Patienten zu belassen, um die aktive Selbstwirksamkeitserwartung nicht zu schwächen.“ Aus diesem Grund sollte blinder Aktionismus seitens des Mediziners wo immer möglich vermieden werden.

Zentral: das multimodale Konzept

Psychologie, Psychotherapie und Psychiatrie gehören zu einer multiprofessionellen Schmerzversorgung von Patienten mit chronischen Schmerzen. Werden sie ausschließlich als letzte Option eingesetzt, befinden sich diese Professionen automatisch in einer schwächeren Position. Das Miteinander aller Fachbereiche sollte ausgewogen und selbstverständlich sein, um nicht Ablehnung und Widerstand gegen diese Therapieoptionen bei den Patienten auszulösen.

Aktive Beziehungsgestaltung

Nicht zuletzt kann auch eine proaktive Herangehensweise bei der Gestaltung der Treffen einen wichtigen Beitrag zum Verlauf leisten. In Tabelle 1 sind einige Tipps dazu zusammengefasst.

Das richtige Kommunikationswerkzeug

Wie kommuniziert man nun mit Patienten mit chronischen Schmerzen richtig? Bach verwies hier auf das Reattributionskonzept von Goldberg1 für Patienten mit somatoformen Störungen und griff exemplarische Aspekte heraus.

Eine Vertrauensbasis schaffen

In der ersten Phase soll der Patient sich verstanden fühlen und Vertrauen aufbauen. Dies bedarf der Wertschätzung der subjektiven Sichtweise des Patienten. „Schmerzpatienten fühlen sich verstanden, wenn sie über Schmerz sprechen dürfen. Daher beginnt bei mir das Gespräch immer mit der Schilderung eines typischen Schmerztags. Dazu gehören auch das Verbalisieren von Zweifeln und Befürchtungen und die Beschreibung der Reaktionen anderer“, erzählte Bach. „Sehr wichtig ist auch, auf Emotionen zu achten. Darauf sind wir Ärzte leider nicht wirklich geschult. Aber ich empfehle es jedem, emotionale Äußerungen der Patienten wahrzunehmen und auch zu spiegeln, um zu zeigen, ich habe dich wahrgenommen.“

Ist der Aufbau einer vertraulichen Basis gelungen, kann man daran arbeiten, das Gesprächsthema zu verändern.

Den Schmerz akzeptieren, nicht argumentieren

Es ist in einer solchen Gesprächssituation für beide Seiten essenziell, die Diskrepanz zwischen subjektivem Erleben und objektivem Befund zuzulassen. Zur Veranschaulichung für den Patienten empfiehlt Bach den Vergleich mit Müdigkeit oder Hunger: Beides kann man fühlen, aber nicht messen oder sichtbar machen, keinen Laborwert einholen. Ist es doch nötig, Beschwerden zu argumentieren, empfiehlt es sich, nicht über deren Realität, sondern besser über deren Konsequenzen zu sprechen.

Das subjektive Krankheitsmodell des Patienten

Was weiß oder vermutet der Patient? Welche Zusammenhänge erkennt er? Es kann sich lohnen, dies herauszufinden – unterstützt es doch auch die Kommunikation auf derselben Ebene. „Gerade Schmerzpatienten bringen oft eine dicke Mappe mit vielen Befunden mit. Nehmen Sie sich kurz Zeit und sprechen Sie die wichtigsten ein oder zwei Befunde aus der Mappe mit den Patienten durch, klären Sie offene Fragen dazu und die Bedeutung dieser Befunde für die Patienten“, riet Bach.

Die Verbindung zum biopsychosozialen Modell schaffen

Schließlich ist es essenziell, die Verbindung zum biopsychosozialen Modell herzustellen. Hilfreich sind dabei einfach gehaltene Symptomtagebücher:

  • In welcher Situation ist der Schmerz aufgetreten?

  • Welche Beschwerden lagen vor?

  • Wie haben Sie darauf reagiert, wie haben andere reagiert?

In einer zweiten Phase kann man den Block mit den Beschwerden auftrennen in Gedanken, Körper und Gefühle, um differenzierte Antworten zu bekommen. So kommt man zu einem einfachen Stressmodell und einem Kreislauf aus körperlichen Reaktionen, belastenden Gedanken und der dadurch beeinflussten Gefühlswelt, was wiederum zu körperlichen Reaktionen führt. „Verwenden Sie – vor allem in der Anfangsphase der Begegnung – einfache Stressmodelle anstelle von Psychogenesemodellen. Das kann für Ihre Patienten den Weg ebnen, vielleicht auch einmal einen Psychologen, Psychotherapeuten oder Psychiater zu kontaktieren“, so Bach.

Bericht:
Dr. Gabriele Senti

Quelle:
Dreiländertagung Kopfschmerz, 27.–29.Februar2020, Wien

Literatur:

  1. Goldberg DP: The management of medical outpatients with non-organic disorders: the reattribution model. In: Medical symptoms not explained by organic disease. London: Royal College of Psychiatrists, 1992

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