Phytotherapie bei Infekten der oberen Atemwege
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
Es gibt eine Reihe von pflanzlichen Produkten, deren Wirkung auf Infektionen des oberen Respirationstrakts nicht bloß aufgrund von Tradition vermutet wird. Vielmehr existieren durchaus wissenschaftliche Daten dazu, wie ein aktueller Reviewartikel zeigt.
In Zeiten steigender antimikrobieller Resistenzen ist es wichtig, jede mögliche Strategie anzuwenden, um den Gebrauch von Antibiotika einzuschränken und auf jene Patient:innen zu reduzieren, bei denen eine klare Indikation für eine antimikrobielle Therapie besteht.
Bei Infektionen des oberen Respirationstrakts (oRTI) besteht häufig keine Indikation für eine Antibiotikatherapie. Eine Untersuchung befasste sich mit der Frage, ob bestimmte pflanzliche Produkte bei oRTI hilfreich sind und welche Wirkmechanismen sie aufweisen.1 Dazu wurde eine umfangreiche Literaturrecherche durchgeführt und die Ergebnisse wurden durch Expert:innen fachlich bewertet.
Andrographis paniculata
Abb. 1: Kalmegh (Andographis paniculata)
Diese Pflanze wird auch als Kalmegh oder Indische Echinacea bezeichnet und in der ayurvedischen Heilkunde sowie in der traditionellen chinesischen Medizin eingesetzt (Abb. 1). Studien zeigen, dass A. paniculata antibakterielle, antivirale, immunmodulatorische und antipyretische Wirkungen hat.1So ist beschrieben, dass ein methanolischer Extrakt der Pflanze inhibitorisch auf S. aureus, E. coli,S. typhimurium und B. subtilis, weiters auch gegen MRSA und E. faecalis wirkt.
Auch eine Biofilm-reduzierende Wirkung wurde gefunden. Schließlich kann A. paniculata auch oRTI reduzieren, indem es pathogene Bakterien an der Adhäsion am Lungenepithel hindert.
Antivirale Effekte der Pflanze betreffen z.B. das Vogelgrippevirus (H5N1). Was immunmodulatorische Wirkungen angeht, so wurde gezeigt, dass A. paniculata sowohl das angeborene als auch das adaptive Immunsystem beeinflusst. Es regt z.B. die Profileration von Lymphozyten im peripheren Blut an. Antiinflammatorische Effekte betreffen u.a. die Hemmung der Enzyme COX(Cyclooxygenase)-1 und -2 und die Regulation der Makrophagenfunktion. Schließlich wurde auch ein antipyretischer Effekt (bei Ratten) beschrieben.
Pelargonium sidoides
Abb. 2: Kapland-Pelargonie (Pelargonium sidoides)
Hier handelt es sich um die aus Südafrika stammende Kapland-Pelargonie, die auch als afrikanische Geranie oder südafrikanische Pelargonie bezeichnet wird (Abb. 2).
In der medizinischen Anwendung wurden antibakterielle, antivirale, immunmodulatorische und antitussive Wirkungen beschrieben.1 Antibakterielle Effekte umfassen eine reduzierte Adhäsion an Epithelzellen bei gleichzeitiger erhöhter Adhäsion an Zellen der Mundschleimhaut. Außerdem stimuliert P. sidoides die Produktion antimikrobieller Peptide.
Antivirale Wirkungen sind gegen die Influenzaviren H1N1 und H3N2, weiters gegen RSV, Parainfluenzavirus Typ 3 und Coxsackievirus A9 beschrieben. Es kommt zur Downregulation von Dockingproteinen bei infizierten Zellen des Bronchialepithels, zur Prävention der Hämagglutination in menschlichen Erythrozyten und zur Hinaufregulation des Vitamin-D-Rezeptors an menschlichen Epithelzellen. Im Immunsystem reduziert P. sidoides die durch Inflammation entstehenden Schädigungen, verbessert die Makrophagenfunktion, erhöht die Sekretion inflammatorischer Zytokine und antimikrobieller Peptide. Schließlich ist auch eine expektorative und antitussive Wirkung vorhanden.
Bei den Wirkungen dieser Pflanze spielen Kumarine, Tannine und Phenole eine Rolle. Allerdings könnte es Probleme mit der Standardisierung geben.
Echinacea
Abb. 3: Sonnenhut (Echinacea purpurea)
Echinacea wird auf Deutsch als Sonnenhut bezeichnet und ist in unterschiedlichen Arten ausgeprägt. Sonnenhutarten werden – u.a. von den nordamerikanischen Ureinwohnern – schon sehr lang als Heilpflanzen eingesetzt. Als Heilmittel finden heute v.a. E. purpurea (Abb. 3), pallida und angustifolia Verwendung.
Auch dem Sonnenhut werden antibakterielle, antivirale, immunmodulatorische und expektorative Wirkungen zugeschrieben. So konnte gezeigt werden, dass ein alkoholischer Extrakt von E. purpurea die Expression des intrazellulären Adhäsionsmoleküls ICAM-1 in menschlichen Lungenepithelzellen reduziert und infolgedessen auch die Adhäsion sowohl von S. aureus als auch von H. influenzae an diese Zellen verringert.1
Einige Studien deuten auf einen direkten antiviralen Effekt von Echinacea hin. Dies bezieht sich u.a. auf die Influenzaviren A (sowohl human als auch Vogelgrippe) und B, Herpes simplex 1 und 2, RSV und Rhinoviren. Möglicherweise hemmt Echinacea das Hämagglutinin und die Neuraminidase von Influenzaviren. Interessanterweise entwickelten H5N1-Viren in sequenziellen Passagen zwar eine Resistenz gegen Oseltamivir, nicht aber gegen Echinacea. Was das Immunsystem angeht, so erhöht Echinacea die Anteile an Lympho- und Monozyten, während neutrophile und eosinophile Granulozyten reduziert werden. Die Veränderungen der T- und B-Zellfraktionen sind allerdings uneinheitlich. Es gibt auch Berichte über eine Verstärkung der Aktivität von natürlichen Killerzellen.
Weiters wurde über eine Reihe von antiinflammatorischen Effekten durch Echinacea berichtet.
Hedera helix, Primula veris bzw. elatior, Thymus vulgaris bzw. zygis
Abb. 4: Gemeiner Efeu (Hedera helix)
Abb. 5: Echte Schlüsselblume (Primula veris)
Abb. 6: Echter Thymian (Thymus vulgaris)
Es gibt Kombinationspräparate aus Hedera helix (Gemeinem Efeu; Abb. 4), Primula veris oder elatior (Echter bzw. Hoher Schlüsselblume; Abb. 5) und Thymus vulgaris bzw. zygis (Echtem bzw. Joch-Thymian; Abb. 6). Für den Gemeinen Efeu sind antibakterielle, immunmodulatorische sowiebronchospasmolytische und sekretolytische Wirkungen beschrieben, jedoch keine antiviralen Effekte. Für die beiden erwähnten Schlüsselblumenarten gibt es keine Einzelstudien.
Die genannten Thymianarten zeigen konkrete antibakterielle Wirkungen gegen eine ganze Reihe von gramnegativen und grampositiven Bakterienspezies wie A. baumannii, E. coli, K. pneumoniae, S. aureus, Streptokokken inkl. Pneumokokken, H. influenzae und viele andere. Auch antivirale Effekte durch Thymian sind beschrieben, allerdings gibt es dazu deutlich weniger Studien. Thymian scheint im Tierversuch auch die bronchiale Hyperreagibilität zu reduzieren und gewisse antiinflammatorische Wirkungen auszuüben.Die genannte Kombination von Efeu, Schlüsselblume und Thymian zeigte positive Wirkungen auf die Atemwege und reduzierte u.a. die Sekretion von Leukotrienen.
Die Autor:innen kommen zu dem Schluss, dass hier eine Reihe von beschriebenen und nachvollziehbaren Effekten vorliegt, dass es aber noch einer genaueren Beschreibung und Qualitätskontrolle bedarf, bevor starke Empfehlungen abgegeben werden können.
Literatur:
1 Veldman LBM et al.: Mechanistic evidence of Andrographis paniculata (Burm. f.) Wall. ex Nees, Pelargonium sidoides DC., Echinacea Species and a Combination of Hedera helix L., Primula veris L./Primula elatior L. and Thymus vulgaris L./Thymus zygis L. in the treatment of acute, uncomplicated respiratory tract infections: A systematic literature review and expert interviews. Pharmaceuticals 2023; 16(9): 1206
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