Parenterale Antibiotikatherapie: Es muss nicht immer das Krankenhaus sein
Bericht:
Reno Barth
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Parenterale antiinfektive Therapien können in vielen Fällen auch ambulant durchgeführt werden. Dies betrifft in der Mehrzahl der Fälle Antibiotikatherapien, ist jedoch auch bei der Behandlung von Mykosen oder Parasitosen eine Option. Die Vorteile der ambulanten Therapie liegen in besserer Lebensqualität für die Patientinnen und Patienten, der Schonung von Ressourcen des Gesundheitssystems und damit letztlich auch in Kostenersparnis.
Die ambulante parenterale Antiinfektivatherapie (APAT) erfreut sich im weltweiten Vergleich sehr unterschiedlicher Beliebtheit. Relativ rezente Daten zeigen, dass sie aktuell vor allem in Europa, in Städten und in tertiären Zentren zum Einsatz kommt.1 „Insbesondere in Großbritannien wird APAT häufig praktiziert“, so Univ.-Prof. Dr. Florian Thalhammer, Medizinische Universität Wien, im Rahmen seines Vortrags beim ÖIK 2024. „Es gibt entsprechende Fortbildungen und man erwartet sich dadurch Kostenreduktionen im Gesundheitssystem.“ Thalhammer betonte auch, dass die unterschiedlichsten antiinfektiven Regime als APAT eingesetzt werden können – von der Single-Shot-Gabe bis zur täglichen Applikation.
Vorteile der APAT
Die Vorteile der APAT sind zahlreich. Sie ist im Vergleich zur stationären kostengünstiger und bietet mehr Lebensqualität für den Patienten, der zu Hause schlafen, in seiner gewohnten Umgebung bleiben und meist auch seinem Beruf nachgehen kann. Weiters wird mit APAT die „Nebenwirkung Krankenhaus“ vermieden, so Thalhammer, das heißt, nosokomiale Infektionen werden reduziert und durch eine Verminderung des Selektionsdrucks, dem der Erreger ausgesetzt ist, sollte es zu weniger Resistenzbildung kommen. Darüber hinaus wird in Zeiten des Bettenmangels versucht, so wenig Patienten wie möglich stationär aufzunehmen. Daten aus Irland zeigen, dass mit APAT die Bettenzahlen reduziert werden können. Weiters können Lieferengpässe oraler Antibiotika eine APAT erzwingen.2
Compliance und Lebensqualität bessern sich mit APAT im Vergleich zur oralen Therapie, so Thalhammer: „Es gibt Studien, die zeigen, dass die Lebensqualität der Patienten mit APAT steigt. Das ist beispielsweise bei der APAT in Altersheimen der Fall, wenn die Patienten dadurch in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können.“
Indikationen und Voraussetzungen
Um eine APAT anzudenken, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Eine parenterale antiinfektive Therapie muss sinnvoll bzw. notwendig sein, es darf sich um keine lebensbedrohliche Infektion handeln, die Diagnose muss gesichert und der Patient stabil und mental geeignet sein. Thalhammer: „Einen septischen Schock werden wir sicher nicht mit APAT versorgen“. Neben dem Einverständnis des Patienten muss auch ein stabiles soziales Umfeld gegeben und regelmäßige Kontrolle gesichert sein. Eine weitere Voraussetzung ist die gute Verträglichkeit der Therapie.
Mögliche Indikationen sind Abszesse, ambulant erworbene Pneumonie, Bronchiektasien, Endokarditis, Haut- und Weichteilinfektion, Leishmaniose, neutropenisches Fieber, Osteomyelitis, Protheseninfektion, Pyelonephritis, Sinusitis, Tularämie sowie Wundinfektionen. Auch Parasitosen und Pilzinfektionen können mit den geeigneten Antiinfektiva in Form einer APAT behandelt werden. Thalhammer: „Was möglich ist, hängt nicht zuletzt vom Patienten ab und natürlich auch davon, welche Substanzen Ihnen zur Verfügung stehen.“
Welche Antiinfektiva sich für eine ambulante parenterale Gabe eignen
Tab. 1: Auswahlkriterien für ambulant verabreichte parenterale Antiinfektiva
An ein ambulant verabreichtes parenterales Antibiotikum sind einige Anforderungen zu stellen (Tab. 1). Es muss eine große therapeutische Breite und ein schmales Spektrum aufweisen. Einfache Handhabung ist ebenso zu fordern wie lange Halbwertszeit, kurze Infusionsdauer und gute Gewebepenetration. Die Gewebepenetration ist insofern wichtig, als APAT häufig bei Hautinfektionen zum Einsatz kommt. Wird eine Applikation über die Elastomerpumpe gewählt, so muss auch eine lange Stabilität des Antibiotikums gegeben sein.
Konkrete Optionen sind beispielsweise Daptomycin, das „zur Not auch einmal am Tag aus der Hand gespritzt werden kann“, so Thalhammer, oder das häufig gegen multiresistente gramnegative Keime eingesetzte Ertapenem. Ebenfalls zum Einsatz kommt Eravacyclin als deutlich besser verträglicher Nachfolger von Tigecyclin.
„Oritavancin sollte basierend auf den inzwischen vorliegenden Studien alle zehn Tage verabreicht werden. Bei Vorliegen einer Enterokokkeninfektion erfolgt eine Ladungsdosis von 1200mg Oritavancin an Tag1 und Tag2“, so Thalhammer. Zu beachten ist, ob Oritavancin 400-mg-Ampullen oder Oritavancin 1,2-g-Ampullen verwendet werden, da Infusionsdauer (3 Std. vs. 1 Std.) und Trägerlösung (1000ml 5%-ige Glucose vs. 250ml 0,9%ige Natriumchloridlösung) unterschiedlich sind.
Als „Arbeitspferd in der ambulanten parenteralen Therapie“ bezeichnete Thalhammer Dalbavancin, das zunächst mit einer Ladungsdosis von 1,5g i.v. verabreicht wird, gefolgt von indikationsabhängigen Erhaltungsdosen. Beispielsweise bei Endokarditis wird alle 15 Tage jeweils ein Gramm verabreicht. Indikationen sind laut Thalhammer beispielsweise Kokkeninfektionen und Biofilminfektionen. Ein Caveat ist die Glykopeptidallergie. Eine 2023 präsentierte schottische Studie fand bei 14% der Patienten eine Reihe von Nebenwirkungen wie erhöhte Transaminasen, Ausschlag oder Infektionen mit Clostridium difficile.3 Dazu betonte Thalhammer, dass er diese an seinem Zentrum nicht beobachte und eine APAT mit Dalbavancin fast ausnahmslos gut vertragen werde.
Thalhammer erklärte, dass sich Dalbavancin auch für ungewöhnliche Indikationen eignet, wie zum Beispiel die langfristige Suppression von Infektionen an linksventrikulären Assist-Devices (LVAD).4 Thalhammer: „Wir können nicht jedes LVAD ausbauen, weil es infiziert ist oder auch nur ein entsprechender Verdacht besteht. In diesen Fällen haben wir jetzt mit Dalbavancin eine Alternative.“ Auch eine längerfristige Prophylaxe eines rezidivierenden Erysipels ist mit Dalbavancin möglich.5
Ein Beispiel für APAT mit Antiinfektiva abseits der Antibiotika ist das Oseltamivir-Analogon Peramivir, das bei unkomplizierter Influenza an maximal zwei Tagen Krankheitsdauer intravenös verabreicht werden kann. Eine mögliche Indikation besteht bei geriatrischen Patienten, die Probleme haben, eine orale Therapie einzunehmen, so Thalhammer. Ebenfalls für die APAT geeignet ist das Antimykotikum Rezafungin mit Aktivität gegen Candida albicans, Candida auris, Candida krusei, Candida tropicalis, Aspergillusspp.und Pneumocystis spp. Die Verabreichung erfolgt mit einer Ladungsdosis von 400mg i.v. einmal in Woche eins, gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit 200mg i.v. einmal pro Woche ab Woche zwei. Thalhammer: „Auch bei einer Langzeitbehandlung wegen einer Pilzinfektion muss der Patient nicht unbedingt das Spitalsbett hüten.“
APAT erfordert Kommunikation und stabiles Patientenmanagement
Allerdings bestehen in Zusammenhang mit APAT auch gewisse Gefahren. Thalhammer unterstrich die Bedeutung eines funktionierenden Patientenmanagements, da sonst die Gefahr bestünde, dass antherapierte Patienten verloren gehen. Fehlendes Terminbewusstsein der Patienten kann ebenso zum Problem werden wie ungenügende Kommunikation.6,7Die Kooperationswilligkeit ist unterschiedlich ausgeprägt. Thalhammer empfahl, unzuverlässige Patienten mit Sicherheitsabstand zu bestellen und warten zu lassen, da sonst bei Ausfall des Termins die Gefahr besteht, dass bereits vorbereitete Infusionen entsorgt werden müssen, was hohe Kosten und letztlich einen fahrlässigen Umgang mit einer wertvollen Ressource bedeutet.
Mögliche Fehlerquellen bestehen jedoch auch auf ärztlicher Seite, beispielsweise durch falsche Indikation oder infolge mangelhafter Zubereitung des Antibiotikums. Manche Antibiotika, wie z.B. Teicoplanin, benötigen eine Spiegelkontrolle, um sicherzustellen, dass sich die Dosis im therapeutischen Bereich bewegt. Nach Nebenwirkungen muss gefragt werden. Thalhammer wies auf eine Studie hin, die nahelegt, dass die Kooperation mit Pflege- und Rehabilitationseinrichtungen nicht immer optimal verläuft und es in solchen Institutionen häufig zu „loss of follow-up“ kommt. Solche „verlorenen“ Patienten weisen ein stark erhöhtes Komplikationsrisiko auf. Hier gelte es, die Kooperation zu verbessern. Die Erfolgsraten sind gut und lagen in einer multizentrischen Studie mit mehr als 6000 Patienten bei 92%.8
Herausfordernd kann sich die Logistik gestalten, zumal eine enge Kooperation zwischen Krankenhaus, ambulanter Versorgung, Apotheke und Patient gefragt ist. Für die Erstattung (z.B. von Dalbavancin) muss die Ersteinstellung im Krankenhaus erfolgen, danach wird ein Rezept erstellt und durch den chefärztlichen Dienst bewilligt. Kontrolle und Medikamentengabe erfolgen dann ambulant bzw. im niedergelassenen Bereich, wofür die Krankenkasse die Kosten übernimmt. Generell sind durch APAT substanzielle Kostensenkungen zu erwarten.9,10
Konkret führt Thalhammer das am Beispiel einer orthopädischen Bettenstation mit 34 Betten aus, an der 17 Patienten mit Cefazolin-Therapie behandelt wurden, was 51 Infusionen pro Tag und damit 714 Infusionen in zwei Wochen bedeutet.11 Bei Umstellung auf Dalbavancin-Therapie bedeutet das 17 Infusionen – jeweils einmalig pro Person. Diese Vorgehensweise bringt ein erhebliches Einsparungspotenzial durch weniger Infusionslösungen und -schläuche, Venflons, Verband, Spüllösung, Zubereitungszeit sowie Anhäng- und Abhängzeit mit sich. Damit werden nicht nur Kosten reduziert, sondern auch Abfall vermieden und es bleibt mehr Zeit für die Pflege der Patienten. Der Gewinn an freier Pflegezeit wurde mit acht Stunden pro Tag berechnet. Real-World-Daten aus den USA zeigen bei 3956 Patienten und 4710 Infektionen über vier Jahre eine Einsparung von 88820 Krankenhaustagen. Im Weg stehen der Implementation oftmals bürokratische Hürden. Thalhammer: „Wo ein Wille, da ist auch ein Weg. Die Frage ist nur, ob das auch die Kostenträger wissen.“
Quelle:
„APAT – eine österreichische Erfolgsgeschichte“, Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Florian Thalhammer, Wien, am 11. April 2024 im Rahmen des ÖIK in Saalfelden
Literatur:
1 Hassanzai M et al.: Ther Adv Infect Dis 2023; 10: 20499361231214901 2 Williams DN: Drug Saf 1996; 14(1): 1-7 3 Reyes D: OPAT regional workshop Glasgow 2023 4 Mansoor AE et al.: Transpl Infect Dis 2023; 25(4): e14068 5 Escrihuela-Vidal F et al.: Clin Microbiol Infect 2020; 26(3): 386-7 6 Kaul CM et al.: Infect Control Hosp Epidemiol 2024; 45(3): 387-9 7 Jensen KL et al.: Infect Control: Hosp Epidemiol 2024; 45(6): 798-9 8 Petrak RM et al.: Open Forum Infect Dis 2016; 3(4): ofw193 9 Staples JA et al.: Clin Infect Dis 2022; 75(11): 1921-9 10 Bai F et al.: JAC Antimicrob Resist 2023; 5(2): dlad044 11 Canterino J et al.: Open Forum Infect Dis 2024; 11(2): ofae004
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