Mechanismen der angeborenenImmunität in der Immunonkologie

Eine große klinische Herausforderung in der Krebsimmuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren bleiben die sehr ausgeprägten interindividuellen Unterschiede im Ansprechen. Mechanismen des angeborenen Immunsystems in Form von Nukleinsäure-Erkennungsrezeptoren können hier eine entscheidende Rolle spielen und bieten zukünftige Ansatzpunkte als potenzielle Biomarker oder für therapeutische Interventionen.

Die klinisch eingesetzten Checkpoint-Inhibitoren von CTLA-4 („cytotoxic T-lymphocyte-associated protein 4“) oder PD-1 („programmed cell death protein 1“) enthemmen und verstärken T-Zell-Immunreaktionen gegen Tumorzellen. Ausgangspunkt für die initiale Entstehung einer solchen adaptiven T-Zell Antwort ist, dass spezialisierte Antigen-präsentierende Zellen des angeborenen Immunsystems – wie etwa dendritische Zellen (DC) – tumorassoziierte Antigene aufnehmen, prozessieren und gegenüber den T-Zellen präsentieren. Das erfolgreiche Prozessieren sämtlicher Antigene und die anschließende Aktivierung von T-Zellen setzen aber eine vorherige Maturation der DC durch proinflammatorische Signale in Form sogenannter „danger-associated molecular patterns“ (DAMPs) voraus. Dieser Mechanismus stellt einen weiteren Checkpoint unseres Immunsystems dar– hier auf der Ebene der angeborenen Immunität –, um fehlgeleitete Immunreaktionen zu verhindern. Beschrieben wurde das Konzept solcher DAMPs erstmals im Rahmen von infektiösen Entzündungsreaktionen. DC erkennen unterschiedliche, jeweils hoch konservierte molekulare Muster in mikrobiellen Eindringlingen, die in unseren eukaryonten Körperzellen nicht vorhanden sind; so etwa Bestandteile der Zellwand von Bakterien und Pilzen. Virusinfektionen werden häufig durch das Vorhandensein fremdartiger Nukleinsäurestrukturen (sowohl DNA als auch RNA) sowie deren aberrante Lokalisation innerhalb der Wirtszelle erkannt. Die hierfür benötigten spezialisierten Mustererkennungsrezeptoren werden wie alle Komponenten der angeborenen Immunabwehr über die Keimbahn vererbt und unterliegen im Gegensatz zu den T- und B-Rezeptoren keiner zufälligen, individuellen genetischen Rekombination.

DNA-Erkennungs-Mechanismen

Lange Zeit blieb unklar, wie DC in Abwesenheit mikrobieller DAMPs im Tumormikromilieu maturieren und T-Zellen aktivieren können. Inzwischen wissen wir, dass auch endogene molekulare Muster aus gestressten oder sterbenden Körperzellen als DAMPs fungieren und so zu einer sterilen Entzündungsreaktion führen können. Vor einigen Jahren wurde Tumor-DNA als molekulares Muster identifiziert, das vom angeborenen Immunsystem erkannt wird und so inflammatorische Signale im Tumormikromilieu steuert. Der zytosolische DNA-Rezeptor cGAS („cyclic GMP-AMP synthase“) und sein für die Signalweiterleitung entscheidendes Adapter-Molekül STING („stimulator of IFN genes“) wurden im Mausmodell als wichtige Komponenten in der Aktivierung des angeborenen Immunsystems im Tumor und somit der Auslösung einer adaptiven T-Zell-Immunantwort identifiziert.1 Diese DNA-Erkennungsmechanismen scheinen nicht nur eine wichtige Rolle in der Entstehung spontaner, sondern auch therapieassoziierter Immunreaktionen nach Bestrahlung oder Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren zu spielen. Trotz vielversprechender präklinischer Daten scheiterte der erste Versuch in einer Phase-III-Studie, im nicht kleinzelligen Bronchialkarzinom STING im Tumormikromilieu therapeutisch zu adressieren.2 Erst später wurde klar, dass aufgrund häufiger Polymorphismen im humanen STING-codierenden Gen TMEM173 der in der Studie verwendete Agonist DMXAA nur murines STING bindet und aktiviert. Zwischenzeitlich wurden jedoch zahlreiche neue, synthetische, hochpotente STING-Agonisten zum Einsatz beim Menschen entwickelt.

RNA-Rezeptor RIG-I

Die Erfahrung mit DMXAA verdeutlich, dass sich das Expressionsprofil von Mustererkennungsrezeptoren des angeborenen Immunsystems zwischen Spezies unterscheidet, was die Translation präklinischer Ergebnisse häufig erschwert. Der antivirale RNA-Rezeptor RIG-I („retinoic acid-inducible gene I“) wird im Zytosol der allermeisten Körperzellen sowohl in der Maus als auch im Menschen exprimiert. RIG-I erkennt die aberrante Lokalisation bestimmter RNA-Moleküle, die normalerweise in ihrem Vorkommen auf den Zellkern beschränkt sind, aber etwa während viraler Replikation im Zytosol auftauchen können.3 Dieser evolutionär hoch konservierte RNA-Erkennungsmechanismus ist erstaunlicherweise auch in vielen Tumorzellen funktional. In unseren aktuellen Arbeiten konnten wir im Mausmodell zeigen, dass Aktivität des RNA-Rezeptors RIG-I in Tumorzellen eine Voraussetzung für die Entstehung antitumoraler Immunantworten und somit für die Wirksamkeit der Checkpoint-Blockade ist.4 Therapeutische Aktivierung von RIG-I im Tumormikromilieu mittels spezifischer Agonisten führte zum vermehrten Prozessieren tumorassoziierter Antigene durch DC, zur Aktivierung von T-Zellen und schließlich zur Überwindung von Resistenzmechanismen gegenüber Checkpoint-Inhibitoren in wenig immunogenen murinen Tumormodellen. In der retrospektiven Transkriptomanalyse humaner Tumorproben von Patienten unter Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren war eine hohe Expression des RIG-I-codierenden Gens DDX58 assoziiert mit verbessertem Therapieansprechen. Welche RNA-Moleküle hier im Tumor erkannt werden und woher sie stammen, bleibt zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch unklar. Neben endogenen Nukleinsäuren der Tumorzellen selbst könnten auch mikrobielle DNA und RNA zur Aktivierung der angeborenen Immunabwehr im Tumormikromilieu beitragen. Dass etwa die Komposition der individuellen Keimflora des Darms (und damit potenziell auch das Vorhandensein bestimmter DAMPs) Einfluss auf den Erfolg der Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren haben kann, steht jedenfalls bereits fest.5

Frühe klinische Studien

Unterschiedlichste synthetische Agonisten für zytosolische Nukleinsäure-Erkennungsrezeptoren befinden sich in der frühen klinischen Testung bei Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen (Tab.1). In den meisten Studien erfolgen wiederholte Applikationen mit direkter Injektion der Substanz in eine Tumorformation. Hierdurch wird die maximaleWirkstoffkonzentration im Tumorgewebe unter Minimierung von systemischen inflammatorischen Nebenwirkungen erreicht. Eine breitere Anwendung solcher intraläsionalen Injektionen wurde erstmals bei dem auch durch die europäische Behörde EMA zugelassenen onkolytischen Virus Talimogen laherparepvec (T-VEC) bei Patienten mit metastasiertem malignem Melanom erfolgreich durchgeführt. Neben kutanen Tumormanifestationen können dank sonografischgesteuerter Wirkstoffapplikation auch tieferliegende Lymphknoten oder viszerale Metastasen, etwa in der Leber, behandelt werden. Gerade bei wiederholten Applikationen ist dies natürlich eine sehr aufwendige Methode. Prinzipiell besteht die Hoffnung, dass ähnlich dem abscopalen Effekt nach lokalisierter Bestrahlung die direkte Behandlung einzelner weniger Tumoren ausreicht, um eine systemische Immunreaktion gegen alle weiteren Tumormanifestationen zu induzieren. Vor diesem Hintergrund werden diese Agonisten der angeborenen Immunität in den meisten Studien mit Checkpoint-Inhibitoren, allen voran Anti-PD-1, kombiniert.

Fazit und Ausblick

Mustererkennungsrezeptoren des angeborenen Immunsystems – allen voran Nukleinsäure-Rezeptoren – spielen eine wichtige Rolle in der klinisch eingesetzten Krebsimmuntherapie. e Agonisten dieser Signalwege können basale Immunantworten verstärken und so hoffentlich auch beim Menschen die Rate des Ansprechens auf Checkpoint-Inhibitoren verbessern.◼

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Quelle:

Quellentext

1 Woo SR et al.: STING-dependent cytosolic DNA sensing mediates innate immune recognition of immunogenic tumors. Immunity 2014; 41(5): 830-42 2 Lara PN et al.: Randomized phase III placebo-controlled trial of carboplatin and paclitaxel with or without the vascular disrupting agent vadimezan (ASA404) in advanced non-small-cell lung cancer. J Clin Oncol 2011; 29(22): 2965-71 3 Hornung V et al.: 5‘-Triphosphate RNA is the ligand for RIG-I. Science 2006; 314(5801): 994-7 4 Heidegger S et al.: RIG-I activation is critical for responsiveness to checkpoint blockade. Sci Immunol 2019; 4(39): eaau8943 5 Gopalakrishnan V et al.: Gut microbiome modulates response to anti-PD-1 immunotherapy in melanoma patients. Science 2018; 359(6371): 97-103

Keypoints

  • Nukleinsäure-Erkennungsrezeptoren des angeborenen Immunsystem spielen eine wichtige Rolle für klinisch etablierte Immuntherapien.

  • Expressionslevel dieser Rezeptoren im Tumorgewebe sind potenzielle prädiktive Biomarker zur Patientenselektion vor Checkpoint-Inhibition.

  • Spezifische Agonisten von Nukleinsäure-Rezeptoren zur Induktion antitumoraler Immunreaktionen befinden sich in früher klinischer Testung.

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