Unklarer Schwangerschaftssitz und ektope Schwangerschaft
Autorinnen:
Dr.med.univ. Sabrina Einig
Prof. Dr.med. Gwendolin Manegold-Brauer
Abteilung für gynäkologische Sonographie und Pränataldiagnostik
Frauenklinik
Universitätsspital Basel
E-Mail: sabrina.einig@usb.ch
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Der unklare Schwangerschaftssitz ist eine Situation in der Frühschwangerschaft, bei der Reevaluation notwendig ist, bis eine definitive Diagnose gestellt werden kann. Dies stellt eine Herausforderung sowohl für das behandelnde Team als auch für die betroffenen Frauen dar.
Keypoints
Von einer PUL spricht man, wenn bei positivem Schwangerschaftstest weder intra- noch extrauterin eine Schwangerschaft darstellbar ist.
Bei 6-20 % der PUL handelt es sich um eine EUG.
Die Diagnostik der PUL erfolgt mittels einer Kombination aus transvaginalem Ultraschall, initialem Progesteron-Wert und Beta-HCG-Wert nach 0 und 48 Stunden.
Hilfreich für das Management der PUL ist die Einteilung in Hochrisiko- (≥ 5 % EUG-Risiko) und Niedrigrisiko-Situationen (< 5 % EUG-Risiko) .
Mathematische Risikokalkulationen wie das M6-Modell sind hilfreich, um das EUG-Risiko abzuschätzen.
Hintergrund der Schwangerschaft mit unklarem Sitz
Die Schwangerschaft mit unklarem Sitz («pregnancy of unknown location», PUL) beschreibt eine Situation, in der bei einer Frau mit positivem Schwangerschaftstest inder transvaginalen Ultraschalluntersuchung (TVUS) weder eine intra- noch eine extrauterine Schwangerschaft darstellbar ist.
Die PUL bezeichnet eine Phase in der Frühschwangerschaft, die eine Reevaluation notwendig macht, bis eine definitive Diagnose gestellt werden kann. Wenn der Sitz der Schwangerschaft unklar ist, gibt es fünf mögliche Outcomes:1,2
-
eine normale intrauterine Schwangerschaft
-
ein Frühabort
-
eine nicht intakte PUL
-
eine extrauterine/ektope Schwangerschaft (Extrauteringravidität, EUG)
-
eine persistierende PUL
Da die EUG eine signifikante Morbidität und Mortalität mit sich bringt, sind die engmaschige Überwachung einer PUL und die frühzeitige Diagnose einer ektopen Schwangerschaft sehr wichtig. In einigen Fällen lässt sich der Schwangerschaftssitz nie eindeutig belegen. Wenn der Beta-HCG-Wert persistiert oder inadäquat steigt, spricht man von einer persistierenden PUL. Sinkt das Beta-HCG auf 0, ohne dass man die Schwangerschaft je visualisiert hat, handelt es sich um eine nicht intakte PUL.
Da die persistierende PUL und die EUG ein hohes Risiko für Komplikationen haben, ist eine Behandlung nötig. Die nicht intakte PUL hat ein niedriges Risiko und therapeutische Interventionen sind nicht notwendig.
Die Rate an Schwangerschaften, die als PUL kategorisiert werden, variiert stark zwischen 5% und 42%. Das primäre Tool für die Diagnostik von EUG und PUL ist der TVUS.3–6 Die meisten Schwangerschaften, die zu Beginn als PUL kategorisiert werden, entwickeln sich im Verlauf zu intrauterinen Schwangerschaften. Trotzdem besteht häufig die Sorge, man könnte eine EUG übersehen.
Mögliche sonografische Befunde in der Frühschwangerschaft
Bei ca. 6–20% der PUL besteht eine ektope Schwangerschaft.1 Die EUG ist definiert als Schwangerschaftssitz ausserhalb des Cavum uteri. Dabei ist die häufigste Lokalisation die tubare EUG oder Eileiterschwangerschaft (93–98%). Im Bereich der Tube lässt sich nach isthmischer (13%), ampullärer (75%) EUG und EUG im Fimbrientrichter (12%) unterscheiden.7 Als Ätiologie werden Kombinationen aus eingeschränktem embryonalem Transport durch die Tube aufgrund mechanischer Faktoren und Veränderungen der tubaren Umgebung, die eine verfrühte Implantation begünstigen, diskutiert.8
Neben der tubaren EUG sind auch Sectionarben-Schwangerschaften, interstitielle Schwangerschaften und Zervix-Schwangerschaften mögliche Formen der EUG. Diese sind seltener, jedoch mit einer hohen Morbidität vergesellschaftet und benötigen ein komplexeres Management.9 Eine Rarität stellt die heterotope Schwangerschaft dar, also das simultane Auftreten einer intra- und einer extrauterinen Schwangerschaft.10
Diagnostik
Ultraschalldiagnostik der EUG
Durch die Fortschritte in der hochauflösenden transvaginalen Sonografie können heute die meisten EUG präoperativ dargestellt werden. In einer prospektiven Studie mit über 5000 Teilnehmer:innen, darunter 120 mit tubarer EUG, betrug die Detektionsrate der EUG 73,9% im Rahmen der initialen Ultraschalluntersuchung. Bei seriellen Untersuchungen betrug die Sensitivität sogar 98,3%.11
Es gibt zwei Zeichen im TVUS, die wegweisend für die Diagnostik der tubaren EUG sind. Das sogenannte «Blob-Sign» beschreibt eine inhomogene nichtzystische Masse im Bereich der Adnexloge, die sich separat vom Ovar bewegen lässt. Es lässt sich bei bis zu 60% der tubaren EUG darstellen.1 Das «Bagel-Sign» ist der zweite wegweisende Befund in der Ultraschalldiagnostik. Hierbei lässt sich eine Ringstruktur, die dem leeren Gestationssack entspricht, im Bereich der Adnexe darstellen (Abb. 1). Diese ist in ca. 20% der Fälle auffindbar. In weiteren 20% lässt sich eine embryonale Struktur darstellen. Wenn eine positive Herzaktion in der EUG nachweisbar ist, handelt es sich um eine vitale EUG.1,12
Abb. 1: «Bagel-Sign» im Ultraschall
Bezüglich der Endometriumdicke gibt es keine Dicke, die spezifisch für die Diagnose einer EUG wäre. Die Darstellung von freier Flüssigkeit im Douglas-Raum kommt in 28–56% der Fälle von EUG vor. Relevant ist die freie Flüssigkeit, wenn sie über den Fundus uteri hinaus vorkommt. Hinweiseauf ein ausgeprägtes Hämatoperitoneum ist das Vorhandensein von Flüssigkeit im vesikouterinen Raum, im Morison-Pouch oder im Koller-Pouch.1
Tab. 1: Mögliche Lokalisationen der Frühschwangerschaft (modifiziert nach Barnhart K et al.)2
Laborchemische Diagnostik
Beta-HCG
Singuläre Bestimmungen von Beta-HCG sind für die Diagnostik einer EUG ungenügend. Ebenso sind bestimmte Cut-off-Werte wenig evidenzbasiert, zum Beispiel Beta-HCG zwischen 1500 und 2000IU/l, bei denen eine intrauterine Schwangerschaft sonografisch darstellbar sein sollte.
In der Realität ist die Situation häufig komplexer. Tatsächlich ist es möglich, dass bei einem Beta-HCG >2000IU/l das Cavum uteri leer erscheint, trotz intakter intrauteriner Schwangerschaft. Bei einem Beta-HCG-Wert von 1500IU/l lassen sich ca. 80% und bei einem Beta-HCG-Wert von 2000IU/l ca. 91% aller Schwangerschaften sonografisch darstellen.13 Sonderfälle sind auch Mehrlingsschwangerschaften mit deutlich höheren Beta-HCG-Werten oder eingeschränkte Ultraschallbedingungen, zum Beispiel aufgrund von Uterusmyomen.
Als Hilfsmittel wird der Verlauf des Beta-HCG herangezogen. Die weithin verbreitete «Faustregel», das Beta-HCG müsse sich bei einer intakten intrauterinen Schwangerschaft innerhalb von 48 Stunden verdoppeln, liess sich in Studien nicht bestätigen. Es sind Fälle von intakten intrauterinen Schwangerschaften beschrieben, in denen das Beta-HCG nach 48 Stunden lediglich um 53% gestiegen ist.12
Mithilfe der Beta-HCG-Ratio (48-Stunden-Beta-HCG/0-Stunden-Beta-HCG) kann man das Outcome einer Schwangerschaft einschätzen. Bei einer Ratio unter 0,87 handelt es sich am ehesten um eine nicht intakte PUL. Bei Werten zwischen 0,87 und 1,66 sind eine ektope Schwangerschaft oder eine persistierende PUL wahrscheinlich, bei Werten über 1,66 handelt es sich am ehesten um eine intakte Schwangerschaft.14
Progesteron
Das Serum-Progesteron ist ein Indikator dafür, ob die Schwangerschaft intakt ist oder nicht. Bei einem Wert über 20ng/l handelt es sich am ehesten um eine intakte intrauterine Schwangerschaft. Bei Werten unter 5ng/ml lieg am ehesten eine nicht intakte PUL vor. Wenn das Progesteron jedoch sehr niedrig ist, können die Intervalle von Kontrolluntersuchungen vergrössert werden, da es sehr unwahrscheinlich ist, dass eine Behandlung notwendig sein wird.15
Management
Im Klinikalltag stellen das Management und die korrekte Triagierung einer PUL eine Herausforderung dar. Wenn aufgrund einer Symptomatik eine PUL festgestellt wird, ist meist eine Kontrolle in 48 Stunden indiziert. Für die Triagierung ist die Einteilung in Hochrisiko- und Niedrigrisiko-Konstellationen hilfreich. Mit einer Kombination der diagnostischen Mittel (Ultraschall, Serum-Beta-HCG und Progesteron) und mithilfe von mathematischen Risikokalkulationen (zum Beispiel dem M6-Modell), kann entschieden werden, wann die nächste Kontrolle stattfinden sollte.
Das M6-Modell wurde auf Basis eines Projekts mit über 2000 Teilnehmer:innen in einem multizentrischen Setting entwickelt und validiert, um bei Frauen mit PUL zwischen einer Hochrisiko- (EUG-Risiko ≥5%) und einer Niedrigrisikosituation (<5% EUG-Risiko) zu unterscheiden.16 Der Algorithmus steht in Form einer App («Early Pregnancy App») zur Verfügung, bei der eine Angabe der Werte des initialen Progesterons und des Beta-HCG bei 0 und 48 Stunden benötigt wird. Abhängig vom errechneten Risiko für eine ektope Schwangerschaft wird entschieden, wann die nächste Kontrolle stattfinden sollte (Abb. 2).16 So ist ein mögliches Vorgehen im Falle einer Hochrisikosituation, Verlaufskontrollen alle 48 Stunden zu planen, bis eine Diagnose gesichert werden kann. In der Niedrigrisikosituation hingegen kann die nächste Verlaufskontrolle nach sieben Tagen geplant werden.
Abb. 2: Das M6-Modell (modifiziert nach Bobdiwala S et al.)16
Literatur:
1 Kirk E et al.: Diagnosing ectopic pregnancy and current concepts in the management of pregnancy of unknown location. Hum Reprod Update 2014; 20(2): 250-61 2 Barnhart K et al.: Pregnancy of unknown location: a consensus statement of nomenclature, definitions, and outcome. Fertil Steril 2011; 95(3): 857-66 3 Jurkovic D et al.: Diagnosis and management of ectopic pregnancy. BMJ 2011; 342:d3397 4 Condous G et al.: Diagnostic accuracy of varying discriminatory zones for the prediction of ectopic pregnancy in women with a pregnancy of unknown location. Ultrasound Obstet Gynecol 2005; 26(7): 770-5 5 Cordina M et al.: Introduction of a single visit protocol in the management of selected patients with pregnancy of unknown location: a prospective study. BJOG 2011; 118(6): 693-7 6 Kirk E et al.: Rationalizing the follow-up of pregnancies of unknown location. Hum Reprod 2007; 22(6): 1744-50 7 Bouyer J et al.: Sites of ectopic pregnancy: a 10 year population-based study of 1800 cases. Hum Reprod 2002; 17(12): 3224-30 8 Shaw J et al.: Current knowledge of the aetiology of human tubal ectopic pregnancy. Hum Reprod Update 2010; 16(4): 432-44 9 Jurkovic D et al.: First-trimester diagnosis and management of pregnancies implanted into the lower uterine segment Cesarean section scar. Ultrasound Obstet Gynecol 2003; 21(3): 220-7 10 Fernandez H et al.: Ectopic pregnancies after infertility treatment: modern diagnosis and therapeutic strategy. Hum Reprod Update 2004; 10(6): 503-13 11 Kirk E et al.: The diagnostic effectiveness of an initial transvaginal scan in detecting ectopic pregnancy. Hum Reprod 2007; 22(11): 2824-8 12 Condous G et al.: The accuracy of transvaginal ultrasonography for the diagnosis of ectopic pregnancy prior to surgery. Hum Reprod 2005; 20(5): 1404-9 13 Connolly A et al.: Reevaluation of discriminatory and threshold levels for serum β-hCG in early pregnancy. Obstet Gynecol 2013; 121(1): 65-70 14 Condous G et al.: Failing pregnancies of unknown location: a prospective evaluation of the human chorionic gonadotrophin ratio. BJOG 2006; 113(5): 521-7 15 Verhaegen J et al.: Accuracy of single progesterone test to predict early pregnancy outcome in women with pain or bleeding: meta-analysis of cohort studies. BMJ 2012; 345:e6077 16 Bobdiwala S et al.: Triaging women with pregnancy of unknown location using two-step protocol including M6 model: clinical implementation study. Ultrasound Obstet Gynecol 2020; 55(1): 105-14
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