
Trans Patient:innen in der gynäkologischen Sprechstunde
Autor:
Dr. med. Niklaus Flütsch
Praxis für Gynäkologie und Geburtshilfe, Zug
Médecin Adjoint Endokrinologie,
Luzerner Kantonsspital
E-Mail: niklaus.fluetsch@hin.ch
Trans Personen benötigen auch in der gynäkologischen Versorgung eine individuelle, respektvolle und medizinisch kompetente Betreuung. Die Auseinandersetzung mit geschlechtlicher Vielfalt, hormonellen Veränderungen und anatomischen Besonderheiten stellt eine Herausforderung dar – bietet aber auch eine Chance für eine moderne, inklusive Medizin.
Keypoints
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Respektvolle und inklusive Kommunikation: Eine gendergerechte Ansprache und die Verwendung individuell bevorzugter Begriffe schaffen Vertrauen und vermeiden unnötige Belastungen.
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Individuelle Anpassung der Untersuchungstechnik: Die Wahl des passenden Instruments sowie die Möglichkeit zur Selbstanwendung können helfen, die Untersuchung für die betroffene Person angenehmer zu gestalten.
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Anatomische Besonderheiten und Hormonstatus berücksichtigen: Hormonelle und operative Veränderungen beeinflussen die Anatomie der Geschlechtsorgane – diese müssen bei Diagnostik und Interpretation berücksichtigt werden.
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Differenzierte und individuelle Indikationsstellung: Screening und Vorsorge sollten sich am Organstatus, an der Hormontherapie und am individuellem Risiko orientieren.
Die gynäkologische Vorsorgeuntersuchung ist ein wesentlicher Bestandteil der Gesundheitsversorgung und wird in den meisten Ländern routinemässig Frauen ab dem 21. Lebensjahr zur Früherkennung von Brust- und Gebärmutterhalskrebs angeboten. Diese Untersuchungen sollten auch für trans und non-binäre Personen in einer respektvollen und professionellen Umgebung zugänglich sein, unabhängig davon, ob sie sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterzogen haben oder nicht. Die speziellen Bedürfnisse dieser Patient:innengruppe erfordern eine angepasste Herangehensweise, insbesondere aufgrund von hormonellen und operativen Veränderungen der Geschlechtsorgane.
Sowohl auf Patient:innen- als auch auf ärztlicher Seite bestehen hier Vorurteile und Unsicherheiten. Für viele trans Frauen kann der Besuch in einer gynäkologischen Praxis eine affirmative, bestärkende Erfahrung sein, da diese medizinische Umgebung auf Frauen ausgerichtet ist. Untersuchungsstuhl, Umkleidekabine und bereitgestellte Utensilien sind für weibliche Patientinnen vorgesehen, was die Geschlechtsidentität einer trans Frau bestätigen kann.
Für trans Männer (und in geringerem Masse auch für non-binäre Personen) hingegen ist eine gynäkologische Untersuchung oft mit erheblichen psychischen Belastungen verbunden. Einerseits ruft es die unliebsame Erinnerung an den weiblichen Ursprung seiner Geschlechtsorgane ins Gedächtnis. Zum anderen müssen sie sich oft erklären – sei es gegenüber dem medizinischen Personal oder den Patientinnen im Wartezimmer. Neben der Angst vor Diskriminierung und Ablehnung können emotionale Konflikte entstehen, wenn die Untersuchung an Körperregionen durchgeführt wird, die als fremd oder unangenehm empfunden werden. Diese Problematik macht sich auch in der Terminologie bemerkbar, da für viele trans Männer umgangssprachliche Bezeichnungen weniger neutral erscheinen als medizinische Begriffe wie «Vulva», «Klitoris» und «Vagina» und deshalb vermieden werden sollten.
Indikationen für die gynäkologische Untersuchung bei trans Personen
Eine Umfrage unter transmaskulinen Personen zeigte eine grosse Bandbreite an sexuellen Aktivitäten, was individuell berücksichtigt werden und in die Entscheidung zur Häufigkeit der Kontrollen miteinfliessen sollte. Für Personen ohne Zervix ist das Screening nicht (mehr) erforderlich, es sei denn, sie hatten in der Vergangenheit eine HPV-Infektion oder eine Zervixdysplasie. Unklar ist, ob eine vaginale Zytologie für trans Frauen nach geschlechtsangleichender Operation sinnvoll ist, da die Neovagina in der Regel aus transplantierter Epidermis besteht und keine Zervix besitzt. Ein systematisches Prostata-Screening mittels PSA-Bestimmung im Blut erscheint bei trans Frauen wenig sinnvoll, da der PSA-Wert testosteronabhängig ist und unter feminisierender Hormontherapie deutlich erniedrigt sein kann – wodurch eine Prostatakarzinomerkrankung möglicherweise maskiert und später erkannt wird.
Durchführung der gynäkologischen Untersuchung bei trans Personen
Allgemeine Aspekte der Untersuchung
Die Bereitschaft zur gynäkologischen Untersuchung variiert unter trans Personen stark. Um das Wohlbefinden der Patient:innen zu fördern, kann es hilfreich sein, entblösste Körperregionen während der Untersuchung mit Tüchern abzudecken. Dies ist in den angelsächsischen Ländern üblich, jedoch in Kontinentaleuropa weniger verbreitet. Die Wahl des geeigneten Spekulums ist essenziell: Bei trans Männern ohne vaginalen Geschlechtsverkehr sowie trans Frauen mit Neovagina sind oft kleine Virgo-Spekula erforderlich. Alternativ kann ein Endoskop zur Untersuchung einer engen Vagina eingesetzt werden, was jedoch meist nur in gynäkologischen Kliniken möglich ist.
Trans Männer ohne geschlechtsangleichende Operation:
Die Untersuchung bei trans Männern ohne geschlechtsangleichende Operation und non-binäre Personen mit weiblicher Anatomie unterscheidet sich grundsätzlich nicht von der üblichen gynäkologischen Examination. Exogen verabreichtes Testosteron bewirkt eine dosisabhängige Vergrösserung der Klitoris. Die Ovarien sind im Ultraschall häufig inaktiv oder weisen eine polyfollikuläre Struktur auf. Das Endometrium ist fast immer ruhend. Myome oder Zysten treten unter Testosteroneinfluss selten auf, sollten jedoch bei Nachweis weiter abgeklärt werden. Der Östrogenmangel führt zu einer Atrophie der Vaginalschleimhaut sowie zu einer Veränderung des vaginalen Mikrobioms, wodurch das Risiko für Infektionen steigt.
Das Nativpräparat unter dem Mikroskop liefert zusätzlich Informationen über Fehlbesiedelung, Infektionen sowie ein lokales Östrogendefizit. Hier können Estriol-haltige Salben oder Suppositorien Linderung bereiten. Einige trans Männer klagen über wiederkehrende krampfartige Unterbauchschmerzen, die nach der Entfernung des Uterus in den meisten Fällen nachlassen. Auch bei korrekter Testosterontherapie können uterine Blutungen persistieren oder wieder neu auftreten. Eine organische Ursache dafür ist äusserst selten. Bei unauffälligem Endometrium in der Sonografie kann eine Therapie mit einem Gestagen (Norethisteron, Dienogest oder Medroxy-Progesteron) häufig erfolgreich sein.
Eine routinemässige Brustpalpation wird ebenfalls empfohlen. Nach einer bilateralen Mastektomie sollte der Patient darauf hingewiesen werden, dass bei einer nichtonkologischen Operation immer etwas Restdrüsengewebe zurückbleibt und deshalb die Selbstuntersuchung des Operationsgebietes sinnvoll bleibt. Trotz hoch dosierter Testosterontherapie sind Ovulationen dokumentiert worden und Schwangerschaften möglich, weshalb eine angemessene Verhütung erforderlich bleibt.
Trans Frauen nach geschlechtsangleichender Operation:
Bei der gynäkologischen Untersuchung von trans Frauen nach geschlechtsangleichender Operation wird zunächst die äussere Genitalregion inspiziert, wobei die Neoklitoris, die Labien und der Introitus vaginae auf ihre Beschaffenheit und Sensibilität überprüft werden. Die Beurteilung der Neovagina umfasst die Untersuchung der Hautstruktur sowie der Beckenbodenmuskulatur und des Mikrobioms. Die Neovagina sollte durch die Patientin regelmässig dilatiert werden, um ihre Weite und Länge zu erhalten. Da die Prostata bei der geschlechtsangleichenden Operation erhalten bleibt, kann sie durch die Neovagina palpatorisch untersucht werden. Ergänzend kann eine sonografische Beurteilung der Prostata transvaginal, transanal oder transabdominal bei gefüllter Harnblase erfolgen, wobei diese Methode nicht als primäres Screeningverfahren für Prostatakarzinome empfohlen wird.
Ebenfalls kann ein mikroskopisches Nativpräparat wichtige Hinweise auf Infektionen liefern. Zusätzlich können spezifische Keime durch PCR-Nachweise identifiziert werden. Haarfollikel innerhalb der Neovagina können zu lokalen Reizungen führen, was durch regelmässige antiseptische Spülungen oder den Einsatz desinfizierender Vaginalzäpfchen behandelt werden kann.
Das Risiko für die Entwicklung eines Mammakarzinoms steigt unter der feminisierenden Östrogentherapie an, bleibt jedoch unterhalb des weiblichen Durchschnittsrisikos. Es empfiehlt sich deshalb, routinemässig eine Palpation durchzuführen. Inwieweit eine Screening-Mammografie sinnvoll ist, kann mangels Daten nicht beurteilt werden. In der Literatur wird ein Screening bei trans Frauen nach mehrjähriger Hormontherapie empfohlen. Bezüglich der niedrigeren Prävalenz in dieser Patientinnengruppe im Vergleich zu cis Frauen sollte diese Empfehlung auf Expertenbasis durch valide Studien neu evaluiert werden.
Sexuell aktiven trans Frauen und trans Männern mit wechselnden Partnern sollte zudem regelmässig ein Screening auf sexuell übertragbare Infektionen angeboten werden, um mögliche Infektionen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Literatur:
● Giuliano AR et al.: Epidemiology and pathology of HPV disease in males. Gynecol Oncol 2010; 117(2 Suppl): S15-9 ● Stokes-Lampard H et al.: Vaginal vault smears after hysterectomy for reasons other than malignancy: a systematic review of the literature. BJOG 2006; 113(12): 1354-65 ● Nik-Ahd F et al.: Prostate-specific antigen values in transgender women receiving estrogen. JAMA 2024; 332(4): 335-7 ● Parikh U et al.: Breast imaging in transgender patients: What the radiologist should know. Radiographics 2020; 40(1): 13-27 ● J Sterling et al.: Cancer screening in the transgender population: a review of current guidelines, best practices, and a proposed care model. Transl Androl Urol 2020; 9(6): 2771-85 ● Context, Principles and Practice of TransGynecology, Managing Transgender Patients in ObGyn Practice, Cambridge University Press 2023
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