Praxisinhaber:innen – an der Schnittstelle von Medizin und Management
Autoren:
Julian Kolbe
Dr. Alexander Fust
KMU-HSG – Schweizerisches Institut für KMU und Unternehmertum
Universität St. Gallen
Korrespondierender Autor:
Julian Kolbe
E-Mail: julian.kolbe@unisg.ch
Das primäre Anliegen von Dermatologinnen und Dermatologen ist es, Patientinnen und Patienten bestmöglich diagnostisch und therapeutisch zu versorgen.1 Dies zeigt sich auch im Medizinstudium, das sich auf die klinische Ausbildung fokussiert. Wissen zu finanziellen Themen wird im Medizinstudium hingegen nur geringfügig vermittelt.2 Die Lebensrealität bei Praxisinhaberschaft spiegelt jedoch anderes wider: Mediziner:innen stehen vor verschiedenen unternehmerischen Entscheidungen, wofür ihnen jedoch oft die notwendigen Grundlagen und Tools fehlen. Es bedarf somit verstärkt betriebswirtschaftlicher Kenntnisse, um die eigene Praxis erfolgreich führen zu können.3
Ein Unterschied zu Führungskräften aus anderen Branchen ist, dass Medizinerinnen und Mediziner für den grössten Teil der Wertschöpfung selbst verantwortlich sind und die Managementtätigkeiten eine zusätzliche Aufgabe darstellen. Unsere Beobachtungen zeigen, dass von verschiedenen Ärzt:innen das Verständnis vorhanden ist, dass diese Managementaufgaben nebenher gemacht werden. Das zeigt sich in der dafür aufgewendeten Zeit und der Wertschätzung gegenüber diesen Führungsfunktionen. Auch wenn sich dieses Bild langsam wandelt, ist dieser Balanceakt zwischen wertschöpfender medizinischer Arbeit und Unternehmensführung eine grosse Herausforderung. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass eine effektive Praxisführung eine notwendige Kompetenz für Praxisinhaber:innen darstellt. Es stellt sich die Frage, wie eine Arztpraxis finanziell optimiert werden kann, ohne dass die Qualität der Patient:innenversorgung leidet. In diesem Artikel möchten wir zwei Aspekte herausstellen, die helfen können, die Arztpraxis noch besser finanziell führen zu können. Eine Übersicht zu weiteren möglichen Schritten wird in Abbildung 1 visualisiert. Es wird unterteilt in Massnahmen, welche die Einnahmen steigern oder die Ausgaben senken. Ausserdem soll betont werden, dass die genannten wirtschaftlichen Aspekte nicht im Gegensatz zur optimalen Versorgung der Patientinnen und Patienten stehen dürfen. Vielmehr kann durch solides Wirtschaften die Versorgung langfristig und auf hohem Niveau sichergestellt werden, indem etwa die finanziellen Mittel für wichtige Investitionen erwirtschaftet werden können.
Abb. 1: Gewinnoptimierung für eine Arztpraxis (Quelle: KMU-HSG-Ärzteseminar)
Wir möchten im Folgenden auf das Leistungsangebot, die Liquidität und die Abrechnung spezifischer eingehen.
Erweiterung des Leistungsangebots
Durch eine Erweiterung des Dienstleistungsangebots können zusätzliche Behandlungskonzepte angeboten und somit neue Einnahmequellen erschlossen werden. So können ästhetische oder kosmetische Behandlungen, die nicht von der Kasse gedeckt sind und über die traditionelle medizinische Versorgung hinausgehen, das Angebot bereichern. Dies kann die Positionierung als ganzheitlicher Gesundheitsdienstleister und die Kundenbindung stärken. In der Schweiz wird beispielsweise der Markt für Hautbehandlungen gemäss Prognosen bis zum Jahr 2028 jährlich um 5% wachsen.4 Wenn die Behandlungen von geschultem Personal ohne Medizinstudium durchgeführt werden können, werden Ärztinnen und Ärzte ausserdem kaum zusätzlich operativ belastet.5 Als Inspiration kann etwa die Durchsicht von Webseiten anderer dermatologischer Praxen oder ein Austausch mit Branchenkolleginnen und -kollegen dienen.
Mitunter sind derartige Veränderungen mit erheblichen Investitionen verbunden, z.B. in medizinisches Equipment oder das Rekrutieren und die Schulung von Fachkräften. Doch wie können Sie entscheiden, ob sich eine derartige Investition lohnt? Bevor eine Investitionsrechnung durchgeführt oder in Auftrag gegeben wird, können Sie sich an folgenden Fragen orientieren:
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Strategisch: Wollen wir diese Dienstleistung anbieten?
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Operativ: Bringt dieses Angebot die Organisation weiter?
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Humankapital: Sind wir personell dazu in der Lage? Welche Personen und welche Funktionen bräuchte es dazu?
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Finanziell: Wird sich das Angebot finanziell lohnen? In einer Excel-Tabelle können Sie die voraussichtlichen Umsätze pro Quartal oder Jahr einfügen sowie die Kosten schätzen (inkl. Abschreibungen pro Jahr und Marketingaufwände, um das Angebot bekannt zu machen). Bei der Abschreibung können etwa die Anschaffungskosten durch die Nutzungsdauer geteilt werden, um die jährlichen Abschreibungen zu erhalten (lineare Abschreibung als Annahme).
Die Entscheidung für oder gegen eine Erweiterung des Angebots über die medizinische Versorgung hinaus hängt von den individuellen Umständen einer jeden Praxis und Ihrer persönlichen Präferenz ab. Es ist entscheidend, dass die Leistungen authentisch von Ihnen angeboten werden können, die Durchführung der Behandlungen Ihnen Freude bereitet und die Angebote mit der Positionierung der Praxis übereinstimmen.6 Abgesehen von einem attraktiven Leistungsangebot ist die Betrachtung der finanziellen Gesundheit der Praxis unerlässlich. Um den laufenden Praxisbetrieb zu sichern und Investitionen in die Zukunft tätigen zu können, bedarf es einer ausreichenden Praxisliquidität.
Die Liquidität der Dermatologie-Praxis
Die Liquidität einer Arztpraxis ist zentral für die Handlungsfähigkeit. Ohne vorhandene Geldmittel können keine Löhne, Mieten sowie notwendige Investitionen für die Weiterentwicklung der Praxis bezahlt werden.7 Übrigens sind mit der Liquidität zusammenhängende Faktoren in 9 von 10 Fällen die Gründe für einen Konkurs von Schweizer KMU.8
Die Liquidität gilt es fortlaufend zu betrachten, da sich die relevanten Werte ständig dynamisch verändern. Grundsätzlich kann eine Liquiditätsplanung in Form einer Tabelle den nötigen Überblick verschaffen. Ein solcher Liquiditätsplan ist insbesondere dann noch relevanter, wenn die Arztpraxis neu startet, Wachstum inkl. Neuanstellungen plant oder hohe Investitionen tätigen möchte. Es lohnt sich, dies über mehrere Jahre aufzuzeigen, damit der Liquiditätsbedarf klar wird. In diesem Liquiditätsplan können Einnahmen und Ausgaben sowie Geldzuflüsse und Geldabflüsse (z.B. Entnahmen der Inhaberschaft oder Zunahme durch Kredite) systematisch gegenübergestellt werden. Es empfiehlt sich ausserdem, die geplanten Werte mit den realen Werten in monatlichem Abstand zu vergleichen (siehe Abb. 2). Sollten sich die Liquiditätszahlen nicht wie erwünscht entwickeln, können mit genügend zeitlichem Vorlauf diverse Massnahmen ergriffen werden, um gegenzusteuern. Beispielsweise kann der Geldzufluss beschleunigt werden, indem Rechnungen zügig gestellt werden und ein effizientes Mahnwesen etabliert wird. Um einen unnötigen Geldabfluss zu vermeiden, empfiehlt es sich, geplante Anschaffungen sorgfältig zu prüfen und gegebenenfalls zurückzustellen. Eine Übersicht an möglichen Massnahmen finden Sie in Tabelle 1.
Abb. 2: Grundschema Liquiditätsplanung (Quelle: KMU-HSG-Ärzteseminar)
Tab. 1: Massnahmen zur Verbesserung der Liquidität (Quelle: KMU-HSG-Ärzteseminar)
Optimierung der Abrechnung und Rechnungsstellung
Ein mit der Liquidität und der Rentabilität zusammenhängender Punkt sind die Abrechnungen der Leistungen. In der Praxis zeigt sich, dass nicht immer alle erbrachten Leistungen von den Ärztinnen und Ärzten verrechnet werden. Es ist mitentscheidend, das Personal zu den Abrechnungsmodalitäten und der eingesetzten Software zu schulen und Abrechnungen zu kontrollieren. Um zukünftige Honorarpotenziale nicht ungenutzt zu lassen, kann gegebenenfalls eine externe Prüfung der Abrechnungen sinnvoll sein. Des Weiteren ist eine Kontrolle der erzielten Erlöse regelmässig zu empfehlen. Welche Behandlungen sind aus einer gesundheitlichen Sicht angezeigt und wirtschaftlich effektiv? Die Analyse der erzielten Umsätze ermöglicht auch weitere Rückschlüsse, beispielsweise ab welchem Umsatz die Praxis profitabel wirtschaftet.
Aufgrund des Fachkräftemangels verbesserte sich zudem die Verhandlungsposition der Dermatologinnen und Dermatologen. Es lohnt sich in dieser Situation durchzurechnen, ob diese Löhne gerechtfertigt sind. Hier gilt es, nicht nur die Löhne zu kalkulieren und mit dem erbrachten Umsatz in Verbindung zu bringen, sondern auch die Gemeinkosten. Gemeinkosten umfassen die Ausgaben in einem Unternehmen, die nicht direkt einer spezifischen Kostenstelle oder Leistung zugeordnet werden können. Dazu können etwa die Miete, die Buchhaltung, die IT-Kosten oder die Führungsarbeit zählen.
Fazit
In einem Umfeld, in dem Dermatologinnen und Dermatologen zunehmend die Doppelrolle als Medizinerinnen und Mediziner sowie Unternehmerinnen und Unternehmer übernehmen, ist die finanzielle Führung der Praxis von entscheidender Bedeutung. Die erfolgreiche Anwendung unternehmerischer Praktiken im medizinischen Alltag erfordert einen Spagat zwischen wirtschaftlicher Effizienz und der Verpflichtung zur optimalen Patient:innenversorgung. Folgende Punkte können zur Gewinnoptimierung beitragen:
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Leistungsangebot diversifizieren: Neue Einnahmequellen durch Erweiterung des Angebots prüfen. Vorab sind strategische und finanzielle Fragen zu klären.
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Liquidität sichern: Fortlaufende Überwachung der Liquidität durch Planung und Vergleich von Einnahmen und Ausgaben, um finanzielle Engpässe zu vermeiden und Gelder für zukünftige Investitionen zu generieren.
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Abrechnung optimieren: Genauigkeit bei der Abrechnung und effektives Mahnwesen etablieren, unterstützt durch Schulungen und Kommunikation sowie regelmässige Kontrollen.
Unternehmerseminar für Ärzt:innen
Das KMU-HSG (Schweizerisches Institut für KMU und Unternehmertum an der Universität St. Gallen) bietet Seminare für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte. Durch die Vermittlung von massgeschneidertem betriebswirtschaftlichem Wissen sowie von praxisrelevanten Tools wird ein effizienter Transfer der Erkenntnisse in den beruflichen Alltag gewährleistet. Des Weiteren leitet das Institut Erfahrungsaustauschgruppen (Erfa-Gruppen), in denen sich Ärztinnen und Ärzte regelmässig zu aktuellen unternehmerischen und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen austauschen und sich gegenseitig Tipps geben.
Weitere Informationen finden Sie hier:
https://kmu.unisg.ch/de/weiterbildung/gesundheitsbranche/unternehmerseminar-fuer-aerztinnen/
https://kmu.unisg.ch/de/transfer/erfa-gruppen/
Bei Fragen können Sie sich an julian.kolbe@unisg.ch wenden.
Literatur:
1 SGDV: Leitlinien und Empfehlungen. Verfügbar unter: https://www.derma.swiss/fachpersonen/qualitaet-sicherheit/guidelines (letzer Zugriff am 27.3.2024) 2 Sharma AN, Rojek NW: Assessing the financial literacy of dermatology residents: A nationwide survey. J Am Acad Dermatol 2020; 83(2): 638-40 3 Riedel RR (Hg.): Wirtschaftlich erfolgreich in der Arztpraxis: das Einmaleins der Betriebswirtschaft für Ärzte. Deutscher Ärzteverlag, 2009 4 Statista: Hautbehandlung – Schweiz. Statista 2024; https://de.statista.com/outlook/hmo/otc-pharma/hautbehandlung/schweiz#marktindikatoren (letzer Zugriff am 27.3.2024) 5 Bauer-Delto A: Laserleistungen delegieren? ästhetische dermatologie & kosmetologie 2015; 7: 23 6 Werner S, Werner JH: Weisskittel im Hamsterrad: Der unkonventionelle Praxis-Arzt-Ratgeber. BoD - Books on Demand, 2013 7 Frodl A: Praxisführung für Ärzte. Springer,2016 8 KMU-Portal: Immer zahlungsfähig dank Liquiditätsplanung. Verfügbar unter https://www.kmu.admin.ch/kmu/de/home/praktisches-wissen/finanzielles/buchhaltung-und-revision/buchhaltungsplanung/liquiditaetsplanung.html (letzer Zugriff am 27.3.2024) 9 Klein R: Effizientes Mahnwesen im Unternehmen. Verfügbar unter https://www.fuer-gruender.de/wissen/unternehmen-fuehren/buchhaltung/debitorenbuchhaltung/mahnwesen/ ; (letzer Zugriff am 27.3.2024) 10 Schlüter P: Bei Kassenfragen nicht in die Honorarfalle tappen! ästhetische dermatologie & kosmetologie 2012; 4: 40-41 11 Weber J: Gemeinkosten. Gabler Wirtschaftslexikon. Verfügbar unter https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/gemeinkosten-33256 (letzer Zugriff am 27.3.2024)
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