Krankheitsmodifikation: die Zukunft der Psoriasistherapie?
Bericht:
Martha-Luise Storre
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In den vergangenen Jahren haben sich das Verständnis sowie die Therapien der Psoriasis verändert. Das Erreichen von Erscheinungsfreiheit ist keine Seltenheit mehr. Möglich gemacht haben dies moderne Antikörpertherapien. Stellt sich die Frage nach dem nächsten Schritt bei der Psoriasisbehandlung. Ist die Krankheitsmodifikation analog zu anderen chronisch-entzündlichen Erkrankungen möglich?
Die Immunpathogenese der Psoriasis basiert auf einem komplexen Zusammenspiel von genetischer Prädisposition, Umweltfaktoren und Komponenten des angeborenen und adaptiven Immunsystems. Bei der T-Zell-vermittelten Erkrankung fördert eine Fehlregulation des Immunsystems in der Haut Entzündungsreaktionen, was in abnormaler Proliferation von Keratinozyten und hoher Infiltration von Entzündungszellen resultiert.
«Die systemische Entzündung bei Psoriasis ist messbar», erläuterte PD Dr. Dr. med. Felix Lauffer, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein der Technischen Universität München. So könne man zum Beispiel mit einem PET/CT – einer Hybridbildgebung, die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) und Computertomografie (CT) kombiniert – zeigen, dass nicht nur Entzündungen in den Plaques auf der Haut vorliegen, sondern auch in den Gefässen, der Leber und dem Herzen. «Wir wünschen uns daher eine schnelle Kontrolle der entzündlichen Aktivität», so der Dermatologe. Die deutsche S3-Leitlinie zur Therapie der Psoriasis vulgaris empfiehlt ein Stufenschema, das entsprechend dem Schweregrad der Psoriasis von topischen Ansätzen über konventionelle Systemtherapien bis hin zum Einsatz von Biologika führt.1 Liegt eine mittelschwere bis schwere Psoriasis vor, werden die Betroffenen zunächst über längere Zeit mit Phototherapie, topischen Medikamenten oder konventionellen systemischen Immunsuppressiva behandelt. Die Umstellung auf eine Biologikatherapie erfolgt in der Regel erst einige Jahre nach der Diagnose, wenn zum Beispiel kein adäquates Ansprechen erreicht wird. «Wir haben für die Behandlung der Psoriasis fantastische Medikamente zur Hand, mit denen wir Psoriasis Area and Severity Index (PASI) 90 oder PASI100 erreichen können – und das häufiger bei Betroffenen, die weniger Vortherapien erhalten haben», sagte Lauffer. Hier rücke das Konzept des «hit hard and early» in den Fokus der Forschung.
Best Practice aus anderen Indikationen
Aus anderen entzündlichen Erkrankungen gibt es bereits positive Beispiele für diesen Ansatz, wie Lauffer präsentierte. So zeigte eine bereits im Jahr 2004 publizierte Studie für die rheumatoide Arthritis (RA) Vorteile einer frühen Intervention mit einer kombinierten Therapie aus Sulfasalazin, Methotrexat und Hydroxychloroquin vs. Sulfasalazin als Monotherapie.2 In beiden Armen durfte Prednisolon ergänzend angewendet werden. Die 195 Teilnehmenden hatten die Diagnose RA vor weniger als zwei Jahren erhalten. Neben Krankheitsscores erfasste die Studie, wie viele Arbeitstage verpasst wurden oder ob eine frühere Berentung aufgrund der Erkrankung notwendig war. «Die Ergebnisse zeigen, dass unter der Kombinationstherapie die rheumatoide Erkrankung bezogen auf die Arbeitstage oder Berentung besser kontrolliert wurde und die Betroffenen stärker profitierten», ordnete der Experte die Daten ein.
Auch beim Morbus Crohn gibt es Untersuchungen, die positive Effekte einer frühen, hochpotenten Therapie zeigen: So erhielten in einer multizentrischen, randomisierten Studie 133 Morbus-Crohn-Patient:innen mit einer erst kürzlich erfolgten Diagnose entweder eine kombinierte Immunsuppression (Infliximab und Azathioprin plus Kortikosteroide bei Bedarf) oder eine konventionelle Step-up-Therapie (Kortikosteroide gefolgt von Azathioprin und Infliximab).3 Die kombinierte Immunsuppression erwies sich als effektiver hinsichtlich einer Remission (Abb. 1). Zudem konnte in dieser Gruppe ein reduzierter Gebrauch von Kortikosteroiden beobachtet werden. Die Autor:innen folgern daraus, dass eine intensivere Behandlung zu einem frühen Zeitpunkt zu besseren Outcomes führt.
Abb. 1: Am Beispiel von Morbus Crohn zeigt sich der positive Effekt des «Hit hard and early»-Konzepts (modifiziert nach D’Haens G et al., 2008)3
Das entzündliche Gedächtnis der Haut
Wie lässt sich dieses Konzept nun auf die Psoriasis übertragen? «Eine frühzeitige therapeutische Intervention ist bei Psoriasis durch die zur Verfügung stehenden Medikamente möglich und wir können damit die entzündliche Aktivität schnell beenden», berichtete Lauffer. Dadurch erhoffe man sich neben der Vermeidung von Komorbidität im Sinne eines psoriatischen Marsches auch eine gewisse Krankheitsmodifikation: In diesem Zusammenhang werde viel über das entzündliche Gedächtnis der Haut diskutiert. Bei einer chronischen Entzündungsreaktion wie der Psoriasis entsteht eine Th17-Immunantwort. Dies könne zu einer Differenzierung von sogenannten «tissue resident memory T-cells» (Trm) führen, die dann im Vergleich zu regulatorischen T-Zellen überwiegen. Die Forschung mit Trm sei relativ komplex, so der Experte. Es gebe sowohl CD4+ als auch CD8+ Trm, die unter anderem durch Auto- oder Umweltantigene stimuliert werden.
«Ob diese Zellen wirklich über Jahre resident sind oder ob es sich um eine ständige Repopulation handelt, kann man sicherlich diskutieren», meinte Lauffer. Eine Studie untersuchte anhand von Hautbiopsien die Anzahl von CD4+ und CD8+ Trm in läsionaler bzw. nicht läsionaler Haut.4 Es zeigte sich, dass in den Psoriasisplaques deutlich mehr dieser Zellen vorhanden waren. Trm sind abhängig von Zytokinen, was einen therapeutischen Angriffspunkt ermöglicht. Die Studie verglich anschliessend mit dem Interleukin(IL)-17A-Inhibitor Secukinumab und dem IL-23-Inhibitor Guselkumab zwei in der Psoriasistherapie etablierte Behandlungsschemata. «In dieser Untersuchung reduzierten sich über 24 Wochen die Trm effektiver unter einer IL-23-Therapie als unter IL-17», erläuterte der Dermatologe. Dies liege darin begründet, dass IL-23 als regulatorisches Zytokin zum Erhalt dieser Population notwendig sei. IL-17 als Effektorzytokin hatte laut Lauffer im Beobachtungszeitraum hingegen keinen vergleichbaren Effekt auf die T-Zellen.
Im klinischen Setting untersucht die noch laufende GUIDE-Studie5, ob eine IL-23-Inhibition signifikante Effekte im Sinne einer Krankheitsmodifikation hat. Die Teilnehmenden erhalten für ein Jahr den Antikörper Guselkumab, gefolgt von einer Absetzphase. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf dem Ansprechen von Patient:innen mit einer kurzen Krankheitsdauer. Erste Auswertungen zeigen, dass diese Patient:innenpopulation eine bessere Response aufweist als Betroffene mit längerer Krankheitsdauer (43,7% vs. 28,1%, p<0,001) (Abb. 2).6
Abb. 2: IL-23-Inhibition: besseres Ansprechen bei kürzer bestehender Psoriasis (modifiziert nach Schäkel K et al., 2022)6
Komorbidität verhindern
Eine frühzeitige antientzündliche Therapie sei auch hinsichtlich der Vermeidung von Komorbidität interessant: «Schwer von Psoriasis Betroffene leben im Schnitt drei bis vier Jahre kürzer», rief Lauffer ins Gedächtnis. Dies gehe auf Begleiterkrankungen des kardiovaskulären Systems sowie auf das metabolische Syndrom zurück. Eine Studie mit über 10000 Patient:innen, die zuvor einen Myokardinfarkt (MI) erlitten hatten und nun mit Canakinumab (Anti-IL-1β) oder Placebo behandelt wurden, konnte positive Effekte einer antientzündlichen Therapie auf das kardiovaskuläre System zeigen.7 «Solche Daten haben wir leider konkret für die bei Psoriasis zum Einsatz kommenden Präparate noch nicht», bedauerte der Experte. Es gebe jedoch retrospektive Auswertungen von zum Beispiel Krankenkassendaten, die aber immer mit einigen Limitationen hinsichtlich eines nicht erfassten Schweregrades oder Komorbidität einhergehen. So konnte in einer solchen Analyse eine Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse unter einer Anti-TNF-α-Therapie versus Phototherapie gezeigt werden.8 Eine Studie mit Patient:innen mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis konnte unter einer antientzündlichen Therapie mit Secukinumab eine verbesserte Endothelfunktion nachweisen.9«Dies ist ein indirekter Hinweis, dass möglicherweise durch eine frühzeitige Therapie positive Effekte für das kardiovaskuläre System erzielt werden können», ordnete Lauffer die Ergebnisse ein.
Umsetzung in der Praxis
Im Praxisalltag stehe der Fülle der therapeutischen Möglichkeiten das Wirtschaftlichkeitsgebot gegenüber. Aus diesem Grund würden häufig konventionelle Systemtherapeutika eingesetzt, auch wenn ein First-Line-Biologikum infrage käme, erläuterte Lauffer: «Wir sollten schwer Betroffene mit einem PASI über 20 direkt auf ein Biologikum einstellen, ebenso wie Patienten, die eine zentrale Psoriasisarthritis mit einem axialen Befall haben.» Es gebe eine Patient:innenklientel, bei der eine schnelle Krankheitskontrolle durch einen direkten Einsatz von Biologika erreicht werden könne. Dies müsse jedoch durch Langzeitstudien weiter belegt werden, schlussfolgerte der Experte.
Quelle:
Vortrag «Hit hard and early – auch in der Psoriasistherapie?» von PD Dr. Dr. med. Felix Lauffer im Rahmen des Symposiums «Psoriasis – (k)ein therapeutisches Problem?», 52. DDG-Tagung, 27. April 2023, Berlin
Literatur:
1 Nast A et al.: Deutsche S3-Leitlinie zur Therapie der Psoriasis vulgaris, adaptiert von EuroGuiDerm – Teil 1: Therapieziele und Therapieempfehlungen. J Dtsch Dermatol Ges 2021; 19(6): 934-51 2 Puolakka K et al.: Impact of initial aggressive drug treatment with a combination of disease-modifying antirheumatic drugs on the development of work disability in early rheumatoid arthritis: a five-year randomized followup trial. Arthritis Rheum 2004; 50(1): 55-62 3 D’Haens G et al.: Early combined immunosuppression or conventional management in patients with newly diagnosed Crohn’s disease: an open randomised trial. Lancet 2008; 371(9613): 660-7 4 Mehta H et al.: Differential changes in inflammatory mononuclear phagocyte and T-cell profiles within psoriatic skin during treatment with guselkumab vs. secukinumab. J Invest Dermatol 2021; 141(7): 1707-1718.e9 5 Eyerich K et al.: IL-23 blockade with guselkumab potentially modifies psoriasis pathogenesis: rationale and study protocol of a phase 3b, randomised, double-blind, multicentre study in participants with moderate-to-severe plaque-type psoriasis (GUIDE). BMJ Open 2021; 11(9): e049822 6 Schäkel K et al.: Data presented at EADV 2022, Mailand 7 Ridker PM et al.: Antiinflammatory therapy with canakinumab for atherosclerotic disease. N Engl J Med 2017; 377(12): 1119-31 8 Wu JJ et al.: The risk of cardiovascular events in psoriasis patients treated with tumor necrosis factor-α inhibitors versus phototherapy: An observational cohort study. J Am Acad Dermatol 2018; 79(1): 60-8 9 von Stebut E et al.: Impact of secukinumab on endothelial dysfunction and other cardiovascular disease parameters in psoriasis patients over 52 weeks. J Invest Dermatol 2019; 139(5): 1054-62
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