„Männer spüren doch nie etwas?!“
Unsere Gesprächspartnerin:
Dr. Claudia Heller-Vitouch
Dermatovenerologin, Ärztliche Leiterin Pilzambulatorium Hietzing, Wien
Regional Director der International Union Against Sexually Transmitted Infections - European Branch (IUSTI-Europe)
E-Mail: ordination@heller-vitouch.at
Das Interview führte Sabine Mack
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Fragt man Patientinnen, die von einer STI betroffen sind, ob der Partner auch Beschwerden hat, bekommt man nicht selten die Antwort: „Es haben doch immer wir Frauen die Beschwerden und die Männer spüren eigentlich gar nichts.“
Liebe Frau Dr. Heller-Vitouch, ist diese Einschätzung korrekt?
C. Heller-Vitouch: Bei Erkrankungen im Genitalbereich spüren die Männer sehr wohl etwas, sehr häufig sind sie mehr betroffen von den Symptomen. Bei vielen Erkrankungen im Genitalbereich ist eher der Mann der Symptomträger und die Frau spürt nichts.
Wie sieht die Symptomverteilung bei der Trichomoniasis vaginalis aus?
C. Heller-Vitouch: Bei der Trichomoniasis spürt tatsächlich eher die Frau die Symptome, der Mann ist häufig der symptomfreie Überträger. Das lag früher sehr häufig auch an der Diagnose: Wir konnten die Trichomoniasis nur entweder mit einem Nativ-Präparat diagnostizieren, bei dem die Sensitivität nicht hoch ist, oder mit einer Kultur. Diese hatte eine sehr viel bessere Sensitivität, aber war dennoch für die Diagnose bei Männern zu wenig sensitiv. Gleichzeitig haben Männer weniger Beschwerden. Die Trichomoniasis war früher eine von den wenigen STI, bei denen eine empirische Therapie, eine Mitbehandlung, befürwortet wurde: Wenn die Frau betroffen ist und Beschwerden hat, dann ist der Mann sehr wahrscheinlich auch infiziert. Er merkt aber möglicherweise nichts. Zusätzlich würden wir mit den Methoden, die wir zur Verfügung haben, auch bei einer Partnerkontrolle die Infektion wegen zu geringer Sensitivität ggf. nicht feststellen. Wenn wir jetzt mit einer besonders sensitiven PCR untersuchen, können wir die Trichomoniasis beim Mann nachweisen.
Insgesamt ist die Trichomoniasis die häufigste nicht virale sexuell übertragbare Infektion weltweit, nicht aber bei uns. Sie ist wesentlich häufiger in Osteuropa und in nicht weißen ethnischen Gruppen. Bei der Therapie ist die Antibiotikatherapie zu nennen, nicht nur bei den charakteristischen Symptomen: schaumiger Fluor, starker Pruritus, Ausfluss. Wir geben Metronidazol wie in den Leitlinien der Österreichischen Gesellschaft für STD und dermatologische Mikrobiologie festgelegt: als äquivalente Therapie entweder die Einzeldosistherapie mit 2g Metronidazol oder die Therapie mit zweimal täglich 400–500mg Metronidazol über 5–7 Tage. Laut Studienlage zeigt die protrahierte Therapie über 7 Tage eine höhere Heilungsrate auf und wesentlich weniger Therapieversager als die Single-Shot-Therapie.
Wie sieht es bei der Gonorrhö aus?
C. Heller-Vitouch: Wir reden hier über eine Infektion, bei der die Männer die Symptomträger sind: purulenter Ausfluss, starke Schmerzen beim Urinieren. Bei der unkomplizierten Gonorrhö treten die Symptome in ca. 90% der Fälle bei den Männern auf, dementsprechend ist das eine Blickdiagnose. Man sollte aber auf jeden Fall eine Diagnostik anstreben, aus meiner Sicht auch eine Diagnostik mittels Kultur, nicht nur eine PCR, weil bei der Gonorrhö immer wieder ein großes Resistenzproblem besteht.
Bei Frauen treten die Symptome in unter 50% der Fälle auf, weil die Infektion großteils an der Zervix stattfindet. Die Zervix ist mit wenigen Nervenenden ausgestattet. Dort gibt es keine Schmerzen, keine Symptome, daher bemerkt die Frau oftmals nichts. Wenn Symptome auftreten, dann ggf. ein leichtes Brennen beim Urinieren, das oft als Harnwegsinfekt missgedeutet wird, oder etwas Aufluss. Das ist auch der Grund, weshalb die Gonorrhö bei der Frau häufiger als beim Mann unentdeckt bleibt und dann Komplikationen auftreten können: Aufsteigen der Infektion, Ausbilden einer Endometritis, Salpingitis, Lymphangitis, Verklebung, eine ektopische Schwangerschaft oder auch Infertilität. Bei einer unbemerkten Infektion kann es auch zu einer disseminierten Gonokokkeninfektion kommen, einer Bakteriämie mit hohem Fieber, einem diskreten Hautausschlag, bei dem kleine Papeln und Pusteln auftreten, die an jeder Körperstelle möglich sind, häufig an Handflächen oder Füßen. Auch Tendosynovitis, bei der die Gelenke massiv betroffen sind, septische Arthritis, Endokarditis und Meningitis können auftreten, durchaus medizinische Notfälle. Dieses Krankheitsbild sieht man eigentlich fast nur bei Frauen, weil bei Männern die Infektion durch die Symptome frühzeitiger erkannt und behandelt wird. Besteht eine Gonorrhö in der Schwangerschaft zum Termin der Geburt, kann beim Neugeborenen eine Gonoblennorhö auftreten kann: eine Infektion der Augen des Neugeborenen – ebenfalls ein medizinischer Notfall, weil es zu Hornhautulkus kommen kann, zur Perforation der Hornhaut und zu Erblindung. In Österreich wird nach wie vor die „Credé’sche Prophylaxe“ durchgeführt, wenn eine Schwangere keinen Negativ-Befund mitbringt. Es werden meist Antibiotika in die Augen des Neugeborenen eingeträufelt, um eine Gonoblennorrhö rechtzeitig zu verhindern.
Wie sieht es bei der Syphilis aus?
C. Heller-Vitouch: Es gibt eine ständig ansteigende Kurve, sowohl in Österreich als auch in Europa. In den Vereinigten Staaten ist v.a. ein massiver Anstieg von Syphilis bei heterosexuellen Frauen zu beobachten. Man spricht dort von einer heterosexuellen Syphilisepidemie. Demgegenüber ist es in Europa eher so, dass MSM („men having sex with men“) betroffen sind und hier ein eindeutiger Anstieg zu verzeichnen ist. Man kann nicht ganz genau sagen, was die Ursachen sind. Eine mögliche Erklärung ist, dass durch die Behandelbarkeit einer HIV-Infektion, die keine tödliche Erkrankung mehr darstellt, der Umgang mit Safer Sex sorgloser geworden ist, sodass auch andere sexuell übertragbare Erkrankungen wieder vermehrt übertragen werden können. Hier gibt es Ansätze, die absoluten Risikogruppen mit einer Postexpositionsprophylaxe mit Doxycyclin zu versorgen. Auf der Website der ÖGSTD findet sich hierzu ein Statement, das ich meinen Kolleg:innen ans Herz legen möchte. Meiner Ansicht nach ein wichtiges Thema, weil man – das haben Studien gezeigt – die Übertragung von Syphilis und Chlamydien und bis zu einem gewissen Grad auch von Gonorrhö hintanhalten kann. Wobei Gonorrhö aufgrund der Resistenzproblematik in den Studien unterschiedliche Ergebnisse erzielt hat. Aber für Syphilis und Chlamydien funktioniert es auf jeden Fall. Auf der anderen Seite muss man eine eventuelle Resistenzproblematik im Auge behalten, wenn man Antibiotika mehr oder weniger prophylaktisch verabreicht, und auch die Auswirkungen auf das Mikrobiom. Man sollte sorgfältig abwägen und nur wirklich Hochrisikopatientengruppen anvisieren. Auch bei der Syphilis liegen die Symptome eindeutig beim Mann. Der Primäraffekt bei der Syphilis ist der harte Schanker an der Eintrittsstelle von Treponema pallidum, und das ist beim Mann natürlich in erster Linie das äußere Genital, perianal – es gibt auch extragenitale Schanker, aber bei der Frau ist wieder der Zervikalbereich betroffen, die Zervix, die Vagina, ein Bereich, den man nicht sieht. Bei der Syphilis kommt hinzu, dass dieser Primäraffekt in aller Regel schmerzlos ist, auch beim Mann, aber der Mann sieht ihn und nimmt ihn wahr, wohingegen eine Frau das erste Stadium nicht bemerkt. Der harte Schanker heilt nach wenigen Wochen symptomlos ab, was aber nicht heißt, dass die Syphilis weg ist, sie kann in weitere Stadien übertreten. Auch hier spürt also die Frau i.d.R. nichts, die Symptome hat der Mann. Und wenn sie nichts spürt, kann sie im Rahmen einer Schwangerschaft den Erreger auf das ungeborene Kind übertragen. Daher wird auch in den USA derzeit ein dramatischer Anstieg der kongenitalen Syphilis beobachtet. In Österreich wurde der Eltern-Kind-Pass neu lanciert und es ist gelungen, den Syphilis-Test hier beizubehalten. Mithilfe eines Screeningtests im Rahmen einer Blutabnahme wird festgestellt, ob die Schwangere betroffen ist. Es gibt europäische Länder, aus denen wieder kongenitale Syphilis gemeldet wird, aber v.a. in Amerika besteht diese Epidemie. Das ist dramatisch, weil verhinderbar. Die Therapie der Syphilis ist an und für sich immer noch mit Penicillin möglich. Treponema pallidum hat keine Resistenzen entwickelt.
Abb. 1: Von links nach rechts: Gonorrhö, Trichomoniasis, Primäraffekt Syphilis
Was können Sie uns zum Thema Chlamydien berichten?
C. Heller-Vitouch: Chlamydien sind in diesem Kontext sehr wichtig, weil sie eine häufige Infektion sind. Seit den 1990er-Jahren gibt es einen Anstieg und es gibt Prävalenzschätzungen v.a. in den jungen Bevölkerungsgruppen – 18- bis 26-Jährige – von 3% bis sogar 7%. Die Risikofaktoren sind mangelnder Kondomgebrauch, multiple Partner, aber eben auch ein junges Alter. Bei Männern sind die Symptome Ausfluss, nicht so putrid wie bei der Gonorrhö, eher mukopurulent, und Dysurie. Frauen sind zu 70–95% komplett asymptomatisch. Wenn bei ihnen Symptome auftreten, dann eine mukopurulente Zervizitis, Kontaktblutung, Urethritis, Dysurie, Beschwerden wie z.B. Zwischenblutungen oder Unterbauchbeschwerden. Da die Frauen meist keine Symptome haben, können Komplikationen auftreten, z.B. die „pelvic inflammatory disease“. Das passiert bei 10–15% aller Frauen mit einer endozervikalen Infektion. Hier kann es zu chronischen Unterbauchbeschwerden kommen, aber in weiterer Folge auch zu ektopen Schwangerschaften und zu Infertilität. Chlamydieninfektionen sind einer der Hauptgründe für ungewollte Kinderlosigkeit. Daher fordern Gynäkolog:innen schon lange flächendeckende Screening-Angebote für junge Frauen. Auch hier ist ein Screening in der Schwangerschaft sinnvoll, denn wenn eine unbemerkte Chlamydieninfektion vorliegt, bestehen bei einer Schwangerschaft einerseits ein erhöhtes Abortrisiko und ein erhöhtes Frühgeburtsrisiko, andererseits kommt es bei einer intrapartalen Transmission auf das Neugeborene in 40% zu einer Konjunktivitis. Letztere ist nicht so dramatisch wie bei der Gonorrhö. Bei der Gonorrhö kann sie mehr oder weniger unmittelbar nach der Geburt auftreten, bei Chlamydien am 5. bis 14. Lebenstag, in 10% der Fälle kann dann eine interstitielle Pneumonie beim Neugeborenen auftreten. Auch das ist ein medizinischer Notfall, was für ein Screening spricht. Man sollte auch im Blick haben, dass die Frau eventuell keine Symptome hat – was auch wichtig ist in der Beratung der Männer. Denn die haben Beschwerden, lassen Abstriche machen und werden dann behandelt. Ihnen sollte man – wenn ein positives Ergebnis da ist – einschärfen: „Bitte informieren Sie Ihre PartnerINNEN.“ Es gibt vielleicht keine stabile fixe Partnerschaft. Es wäre wichtig – auch wenn kein intensiver Kontakt mehr besteht –, die ehemalige Partnerin zu informieren, damit sie sich untersuchen lassen kann.
Wie ist die Situation bei Adenoviren?
C. Heller-Vitouch: Auch hier hat die Beschwerden mehr oder weniger nur der Mann. Es handelt sich um eine Kombination von einer Meatitis, einer Entzündung der vordersten Harnröhre/des Harnröhreneingangs, mit einer Konjunktivitis. Adenoviren sind nicht sehr häufig, aber sie kommen immer wieder vor und sind an sich – wenn man sie kennt – eine schöne Blickdiagnose. Adenoviren haben eine saisonale Häufung im Herbst und Winter. Sie werden hauptsächlich durch kondomlosen Oralverkehr übertragen. Die Frau hat in einem solchen Fall die Keime im Rachen, hat ggf. eine leichte Verkühlung und merkt ansonsten nichts, kann die Keime aber bei dieser Sexualpraktik übertragen – wie übrigens generell auch Gonokokken und die Syphilis bei Oralverkehr übertragen werden können. Das muss man auch immer in Betracht ziehen. Insbesondere eine pharingeale Gonorrhö macht bei der Frau eigentlich kaum Beschwerden. Ich habe eine Zeit lang Männer mit Gonorrhö gefragt: Haben Sie ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt? Meist beteuerten sie dann: Nein, hatten sie nicht, sondern es war immer geschützter Verkehr. Wenn man dann nachfragt: Oralverkehr? – „Na ja, das schon.“ Seit Bill Clinton wissen wir: Auch Oralverkehr ist Sex. Oralverkehr gilt im Sinne der Infektiosität als Sexualverkehr und ist bei den Adenoviren der häufigste Übertragungsweg. Sie heilen übrigens komplikationslos von selbst ab, eine Therapie ist nicht notwendig.
Wie sieht es bei einer Vaginose aus?
C. Heller-Vitouch: Die bakterielle Vaginose ist keine Vaginitis, sondern ein Zustand der Vaginalflora. Die Symptome sind ein cremiger, grauweißer Fluor, ganz charakteristisch, wie „aufgeschlagenes Joghurt“, Dysurie, oft auch Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und ganz charakteristisch von den Frauen angegebener fischiger Geruch, der dann häufig nach dem Geschlechtsverkehr auftritt – durch die Amine, die freigesetzt werden. Es wird diskutiert, ob die bakterielle Vaginose überhaupt als STI zu werten ist, weil sie im Prinzip nur eine Überwucherung bestimmter anaerober Keime darstellt. Ich denke schon, dass man sie hier einstufen kann. Einige Studien zeigen, dass die bakterielle Vaginose unter WSW („women having sex with women“) sehr häufig beide Partnerinnen betrifft. Es gibt Risikofaktoren wie Sex ohne Kondom, aber keinen Hinweis dafür, dass die Partnermitbehandlung das Rezidivgeschehen reduziert. Die bakterielle Vaginose ist ein Symptomenkomplex, der an und für sich recht gut mit Antibiotika zu behandeln ist. Man kann sie lokal behandeln, mit einer Dalacin-Creme oder Dalacin per os. Hier spielen sicher auch hormonelle Aspekte eine Rolle. Es handelt sich um eine Symptomatik, die bei älteren Frauen häufiger auftritt. In der nicht östrogenisierten Vagina nehmen auch andere Bakterien überhand. Es sind stets Bakterien in der Vagina nachweisbar. Aber sehr früh, vor der Menarche, und sehr spät sind andere Bakterien in der Vagina nachweisbar als dazwischen in der Phase der Östrogenisierung. Es besteht in vielen Fällen bei der bakteriellen Besiedelung keine Behandlungsnotwendigkeit. Wenn die Patientin Beschwerden hat und unter dem Geruch leidet, wird man eine Behandlung anbieten. Wenn sie sagt, ich merke nicht viel, und nur der ph-Wert in der Vagina steigt, ist es nicht unbedingt notwendig zu behandeln. In der Schwangerschaft – das zeigen Studien – ist bei bakterieller Vaginose die Frühgeburtlichkeit erhöht und man sollte ggf. behandeln.
Was kann man in diesem Kontext zu HPV sagen?
C. Heller-Vitouch: Die HPV-Infektion ist ein wichtiger Faktor, von dem beide Geschlechter gleichermaßen betroffen oder auch nicht betroffen sind, weil die HPV-Infektion in einem extrem hohen Prozentsatz unbemerkt verläuft. Die Prävalenz einer HPV-Besiedelung in der sexuell aktiven Bevölkerung ist enorm hoch: 80–90% „lifetime risk“. Diese Besiedelung ist aber bei beiden Geschlechtern meist unsichtbar. Zusätzlich kommt es in den allermeisten Fällen zu einer spontanen Clearance und zwar bei 80% innerhalb von 3 Jahren und bei 90% nach 7 Jahren, v.a. bei jungen Frauen. Das heißt, in 90% der Fälle macht eine HPV-Besiedelung nichts aus. Nur eine persistierende Infektion mit HPV 16, also mit High-Risk-HPV, birgt ein gewisses Risiko, dass sich innerhalb einer längeren Latenzzeit zervikale intraepitheliale Neoplasien entwickeln oder in weiterer Folge unbehandelt nach 10–20 Jahren ein invasives Zervixkarzinom entsteht. Das sind ganz wichtige Fakten in der Beratung der Patientinnen und Patienten. Denn es gibt eine entsprechende Impfung! Wenn die Impfung vor Aufnahme der sexuellen Aktivität erfolgt, schützt sie vor der Infektion mit den Viren, die mit der neuen HPV-Impfung abgedeckt sind, 7 HPV-High-Risk- und 2 HPV-Low-Risk-Typen, und zwar zu einem enorm hohen Prozentsatz. Die Immunogenität ist wesentlich höher durch die Impfung als nach einer natürlichen Infektion, weil es dadurch in den meisten Fällen gar nicht zu einer Virämie und damit zu keiner Antikörperbildung kommt. Die HPV-Impfung ist ein Segen und sie wird die Inzidenz des Zervixkarzinoms deutlich senken. Das kann man jetzt schon sehen, was die Kondylome betrifft, die Genitalwarzen. Das zeigen australische Studien. Die Australier waren hier Vorreiter, sie haben 2007 sofort nach Zulassung der Impfung mit einem nationalen Impfprogramm begonnen. Österreich war hier leider zu spät dran. Jetzt haben wir Gott sei Dank aufgeholt. Wir sind jetzt wieder international mit im Rennen, haben aber etliche Jahre verloren. Tatsache ist, dass man in Australien, wo die Impfung direkt umgesetzt wurde, bei den durchgeimpften Jahrgängen fast kein Auftreten von Genitalwarzen mehr beobachten kann. Die Erwartung ist hoch – 70% der Zervixkarzinome sind auf HPV 16 und 18 zurückzuführen, durch zusätzliche Beifügung der „virus-like particles“ für die weiteren High-Risk-Typen konnte der Schutz noch erhöht werden. Der Schutz durch die Impfung ist enorm gut. Wir haben es hierzulande mittlerweile geschafft, dafür in der Bevölkerung Awareness zu schaffen. Die Menschen wissen, dass HPV Krebs verursachen kann, und sie wissen, dass die HPV-Impfung davor schützt. Das ist wichtig, damit die Durchimpfungsrate zunimmt. Nur wenn sie über 75% erreicht, kann man einen bevölkerungsrelevanten Effekt erzielen. Das ist bei uns immer noch nicht erreicht. Kampagnen sind weiterhin wichtig. Was passiert aber parallel zu solchen Kampagnen? Die Menschen assoziieren u.U. „HPV = Krebs“, weil sie nicht ausreichend informiert werden, nämlich darüber, dass nicht jede HPV-Besiedelung automatisch auch bedeutet, dass sie Krebs entwickeln werden. Die Aufklärung sollte auch in diese Richtung gehen, weil HPV v.a. bei den älteren Jahrgängen, die eben noch nicht in den Genuss der Impfung gekommen sind, auch Angst und Sorgen auslösen kann. Es kann auch das Sexualleben negativ beeinflusst werden, wenn die Patientin/der Patient erfährt, sie/er ist HPV-positiv, ohne zu bedenken, dass die Durchseuchung enorm hoch ist und er/sie einfach zu dieser Bevölkerungsgruppe gehört, die es jetzt weiß, weil ein Test gemacht wurde. Man sollte die Patient:innen gut begleiten, zumal es ja keine kausale Therapie gegen HPV gibt. Man sollte die Patient:innen aktiv durchführen durch die spontane Clearance. Natürlich ist es so, dass sich in einigen Fällen etwas entwickeln kann, dann muss eine Konisation gemacht werden usw. Das heißt, selbstverständlich muss man weiter engmaschig kontrollieren, aber trotzdem mit der Entlastung der Patientin/des Patienten, dass das nicht automatisch bedeutet, dass auf jeden Fall Krebs auftreten wird.
Zu HPV gibt es eine Neuerung im österreichischen Impfplan: Bis 31. Dezember 2025 können auch die bis 30-Jährigen kostenfrei geimpft werden. Die Krankenkasse zahlt auch Impfungen nach einer Konisation bis zum 45. Lebensjahr. Das ist ein bisschen umstritten, denn die Impfung ist rein prophylaktisch, nicht therapeutisch. Aber es gibt Studien, die herausgefunden haben, dass die Rezidivquote nach einer Konisation geringer ist, wenn die Frau unmittelbar nach der Operation gegen HPV geimpft wird. Daher wird das jetzt auch in Österreich angeboten.
Gibt es zum Thema Pilzinfektionen noch etwas zu ergänzen?
C. Heller-Vitouch: „Quality of Life“-Untersuchungen zeigen, dass die Belastung der Patientin gleichzusetzen ist mit der von Patient:innen, die unter Migräne leiden. Immer wiederkehrende Infektionen haben erheblichen Einfluss auf den Lebensalltag der Frauen, auf das Sexualleben, aber auch auf Freizeitaktivitäten wie Sauna oder Schwimmbad. Wenn eine chronisch rezidivierende Vaginose vorliegt, hat es Sinn, den Mann einmal mit zu kontrollieren, um zu sehen, ob hier an der Glans oder eventuell im Ejakulat eine Candidainfektion vorliegt. Ist das nicht der Fall, darf man den Mann außen vor lassen. Oft berichten die Frauen, dass sie nach dem Sexualkontakt eine Episode haben, das ist aber i.d.R. eher auf die mechanische Belastung beim Kontakt zurückzuführen. Um das zu erkennen, kann man den Frauen den Rat geben, erst einmal ein Kondom zu verwenden. In den allermeisten Fällen tritt die Infektion bei ihnen trotzdem auf und das ist dann oft ein Eye Opener. Es gibt Host-Faktoren, wahrscheinlich eine Art lokale Abwehrschwäche im Vaginalbereich, die dem Pilz erlaubt, immer wieder zu überwuchern und sich über Gebühr zu vermehren, sicher auch hormonelle Faktoren, Diabetes spielt z.B. eine Rolle. Es gibt auch Virulenzfaktoren, also Pilze, die den Übergang von der Sprosszelle zu den Hyphen vollziehen, denn so entstehen dann die Symptome.
Das Stresslevel bei Frauen mit einer vulvovaginalen Candidose ist messbar erhöht, weil eine vulvovaginale Candidose Stress macht und nicht weil der Stress eine vulvovaginale Candidose macht. Natürlich beeinflusst ein über Gebühr vorhandener Dysstress das Immunsystem. Ich lehne es aber ab, das allein auf diesen Faktor zurückzuführen, weil das aus meiner Sicht der Patientin quasi die Schuldhaftigkeit überstülpt, die Botschaft wäre: „Wenn sie sich nur anders verhalten würde, würde das nicht auftreten.“ Das Verhalten allein kann die vulvovaginale Candidose nicht bereinigen. Auch gibt es keine Studie, die belegen würde, dass zuckerfreie Diäten einen Einfluss auf das Rezidivgeschehen haben.
Quelle:
Vortrag „,Die Männer spüren doch nie etwas!‘ – STDs im Gendercheck“ im Rahmen von Spectrum Dermatologie kompakt, 16. März 2024, Wien
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