Bringt die Genforschung den Durchbruch für die Parkinsontherapie?
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Die Parkinsonkrankheit ist eine komplexe Erkrankung mit einer Vielfalt an Symptomen und Verläufen und kann dievielfältige Ursachen haben. Seit etwa 25 Jahren ist bekannt, dass auch genetische Faktoren das Erkrankungsrisiko erhöhen können. In den letzten Jahren haben technische Fortschritte der genetischen Ursachenforschung einen bedeutenden Schub gegeben.
Neben dem altersbedingten Nachlassen von zellulären Funktionen sowie Lebensstil und Umweltfaktoren tragen auch genetische Veränderungen zur Entstehung der Parkinsonkrankheit bei. Dabei unterscheiden Forschende klassische seltene Mutationen, z.B. in den Genen SNCA, LRRK2, Parkin und PINK1, von den – häufiger vorkommenden –genetischen Risikofaktoren. Der derzeit wichtigste Vertreter für solch einen Risikofaktor sind Veränderungen im GBA1-Gen. Neueste Forschungsarbeiten zeigen, dass genetische Varianten in GBA1 nicht nur in Europa, Nordamerika und Asien, sondern auch häufig beiPatient:innen mit schwarzafrikanischer Abstammung vorkommen und somit weltweit relevant sind.1„Die Aufklärung genetischer Ursachen kann für Menschen mit Parkinson von großer Bedeutung sein, zum Beispiel, um den Verlauf abzuschätzen, etwa die Wahrscheinlichkeit, dass kognitive Störungen auftreten“, erläutert Prof. Dr. Kathrin Brockmann, Leiterin der Parkinson Ambulanz am Universitätsklinikum Tübingen
Unterschiedliche Stoffwechselwege führen zur Parkinsonerkrankung
Um ursachenspezifische Therapien zu entwickeln, ist es wichtig, die unterschiedlichen genetischen Subtypen klinisch und auch biologisch noch besser zu beschreiben und zu stratifizieren. Hierzu haben sich zahlreiche internationale Konsortien etabliert (z.B. MDSGene, MJFF Global Genetics Parkinson’s Disease Cohort oder Global Parkinson’s Genetics Program [GP2], MJFF PRKN-PINK1 Consortium). Da die heterogene Krankheitsentstehung bei Parkinson ein Zusammenspiel genetischer und externer Faktoren ist, ist auch die Entwicklung von Biomarkern wichtig, um zwischen den jeweils beteiligten Stoffwechselwegen und den zugrunde liegenden Pathologien unterscheiden zu können und gezielt zu bestimmen, welche Menschen höchstwahrscheinlich von einem bestimmten Therapieansatz profitieren.
Neuer Test im Blut und Hirnwasser zur Früherkennung
Ein zentraler Angriffspunkt für modifizierende Therapien ist, neben einzelnen molekularen Defekten, das bei der Parkinsonkrankheit fehlgefaltete Eiweiß Alpha-Synuclein. Seit Kurzem ist es mithilfe eines neuen sogenannten „alpha-synuclein seed amplification assay“ (SAA) erstmals möglich, das Vorhandensein von fehlgefaltetem Alpha-Synuclein individuell mit einer 95%igen Genauigkeit zu messen. „Der neue Test ist ein Meilenstein für die Parkinsonforschung und die Entwicklung neuer Therapien. Er könnte eine frühe und vor allem genaue Diagnose ermöglichen, bevor das Gehirn zu stark geschädigt ist“, so Prof. Brockmann. Am besten gelingt dies aktuell im Hirnwasser. Neueste Analysen konnten zeigen, dass dies auch im Blut sowie in anderen biologischen Materialien wie Haut und Schleimhaut möglich zu sein scheint.2
SynNeurGe: neue biologische Klassifikation der Parkinsonerkrankung
Basierend auf all diesen neuen Forschungserkenntnissenarbeiten Forschende weltweit derzeit daran, eine neue Klassifikation der Parkinsonkrankheit zu erstellen. Denn die bisher primär klinische Einteilung wird dem heutigen Wissen über die komplexen Pathomechanismen und die biologische Heterogenität nicht mehr gerecht. Die neue Klassifikation soll nun auf rein biologischen Merkmalen basieren. Dabei werden drei Kernelemente als Biomarker Einzug erhalten: Nachweis von Alpha-Synuclein, Nachweis von Neurodegeneration und Nachweis von genetischen Varianten.3,4Eine erste europaweite und aus Deutschland koordinierte klinische Studie in einer biologisch stratifizierten Kohorte testet den gegen Alpha-Synuclein gerichteten Antikörper Prasinezumab von Roche an Patient:innen mit einer GBA1-Mutation, um die Entwicklung kognitiver Defizite in dieser dafür vulnerablen Patientengruppe zu verzögern (PreCoDe).
„Die Verwendung einer solchen biologischen Klassifikation wird Fortschritte in der Grundlagen- und der klinischen Forschung in Richtung einer individuellen Präzisionsmedizin weiter voranbringen“, ist Prof. Brockmann überzeugt. „Dies ist essenziell für die Entwicklung spezifischer und kausal in den Krankheitsprozess eingreifender Therapiestrategien – in der Hoffnung, damit das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen oder gar zu stoppen.“
Quelle:
Deutscher Kongress für Parkinson und Bewegungsstörungen, 25. bis 27. April 2024, Rostock
Literatur:
1Rizig M et al.: Genome-wide association identifies novel etiological insights associated with parkinson‘s disease in African and African admixed populations. Preprint. medRxiv. 2023;2023.05.05.23289529. Published 2023 May 7. doi:10.1101/2023.05.05.23289529 2 Okuzumi A et al.: Propagative α-synuclein seeds as serum biomarkers for synucleinopathies. Nat Med 2023;29(6):1448-55 3 Simuni T et al.: A biological definition of neuronal α-synuclein disease: towards an integrated staging system for research. Lancet Neurol 2024;23(2):178-90 4 Höglinger GU et al.: A biological classification of Parkinson’s disease: the SynNeurGe research diagnostic criteria. Lancet Neurol 2024;23(2):191-204
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