Wo stehen wir heute?

Mammografie-Screening in der Schweiz

Jährlich erkranken ungefähr 6500 Frauen in der Schweiz an Brustkrebs, und 1400 Frauen sterben daran. Kürzlich hat die WHO den Brustkrebs zur häufigsten Krebserkrankung erklärt. Aktuell sind weltweit 12% aller neuen Krebserkrankungen auf Brustkrebs zurückzuführen. Die Schweiz steht im Vergleich der Brustkrebsinzidenz mit anderen Ländern der Welt auf Platz 13.

Positiv ist, dass die Mortalität bei Brustkrebs in Europa seit Ende der 1990er-Jahre abgenommen hat. Zurückzuführen ist dies auf die Früherkennung und die bessere Behandlung. Die Früherkennung ist wichtig, weil der Brustkrebs mit zunehmender Grösse auch aggressiver wird.1,2 Studien zeigen ausserdem, dass die Mortalität aufgrund von Brustkrebs mit einem Screening-Programm um 30% abnimmt. In den Schweizer Kantonen, welche das Mammografie-Screening eingeführt haben, hat eine Verschiebung der Stadien zum Zeitpunkt der Diagnose zugunsten des Frühstadiums stattgefunden, auch die Mortalität durch Brustkrebs ist in der Gruppe von Frauen, welche am Screening teilgenommen haben, gesunken. Es wäre wünschenswert, dass in der gesamten Schweiz ein einheitliches Screening-Angebot vorhanden wäre, damit alle Frauen in der Schweiz die gleiche Chance hätten, an einem Früherkennungsprogramm teilzunehmenenn heute muss als unbestritten gelten, dass die Vorteile eines Screening-Programms die Nachteile überwiegen.

Screening in der Schweiz

Nachdem die WHO in den 1990er-Jahren allen Ländern die Einführung eines Mammografie-Screeningprogramms empfohlen hatte, war es die Absicht, ein kantonales Screening in der gesamten Schweiz zu etablieren. Leider wurde dieses Vorhaben trotz der guten Resultate des Mammografie-Screenings in England und Schweden, die beide das Screening in den 1980er-Jahren eingeführt haben, durch kritische Stimmen unterbrochen. Dennoch wurde das Screening in der Westschweiz (Vaud, Genf und Wallis) dann Anfang der 2000er-Jahre eingeführt. In Bern wurde das Screening 2010, in St. Gallen 2013 eingeführt, heute hat die Mehrheit der Kantone ein Mammografie-Screeningprogramm (Abb. 1).

Abb. 1: Früherkennungsmassnahmen in den Schweizer Kantonen

Vorteile des Screenings

Das Ziel der Früherkennung ist die Erkennung des Tumors im frühen Stadium, das heisst zu einem Zeitpunkt, zu dem er noch relativ klein ist. Neuere Studien zeigen, dass die Tumoren im frühen Stadium nicht nur kleiner, sondern auch weniger aggressiv sind und somit die Überlebenschance steigt.1,2

Neue Statistiken aus St. Gallen und Graubünden belegen, dass es seit Beginn des Screenings bei der Erstdiagnose eine markante Verschiebung der Tumorstadien zu den früheren und vor allem zum prognostisch günstigsten Stadium 1 gegeben hat (Abb. 2).

Abb. 2: Stadium und Art des Tumors vor und nach Einführen des Screeningprogrammes in St. Gallen und Graubünden. Zur Verfügung gestellt von R Morant, Krebsliga Ostschweiz

Es wird eine Statistik über die Diagnostik geführt, die falsch positiven und negativen Fälle werden registriert. Auch die Karzinome, die zwischen den Screeningrunden auftreten, werden erfasst. Dadurch ist es möglich, die Diagnostik zu optimieren. Alle Frauen in der Schweiz haben die Möglichkeit, an einem Früherkennungsprogramm teilzunehmen.

Die Behandlung der frühen Stadien des Mammakarzinoms ist sehr viel kostengünstiger als in den späteren Stadien.3

Nachteile des Screenings

Die Strahlenexposition durch die Mammografie ist sehr gering. Sie fällt für die Gesundheit der Frau nicht ins Gewicht.

Bei der ersten Screeningrunde ist noch nicht bekannt, ob Fibroadenome, Hamartome oder Adenosen vorliegen, dies muss also zur Unterscheidung von einem Karzinom abgeklärt werden. Das ist bei der zweiten Screeningrunde nicht mehr der Fall. Bei einer raschen Abklärung ist die Zeit, in welcher die Frau durch die unklare Diagnose beunruhigt ist, limitiert.

Eine Überdiagnose kommt bei invasiven Karzinomen und höhergradigen Karzinomen in situ nicht vor. Hingegen stellen die Vorstufen der malignen Veränderungen eine Herausforderung in der Diagnostik dar, tendenziell ist eher ein weniger aggressives Vorgehen bei diesen Läsionen empfohlen.

Aktuelle Neuigkeiten im Screening

Screeningalter

Nach 40 Jahren nimmt die Brustkrebsinzidenz zu und die Strahlensensibilität des Brustdrüsengewebes ab. Tendenziell ist die Brustkrebsrate bei jüngeren Frauen steigend; jede sechste Frau mit Brustkrebs ist zwischen 40 und 50 Jahre alt. Neue Studien zeigen, dass ein Screening in diesem Alter die Überlebensrate um ca. 25% erhöht.4

Zusätzliche Sonografie

Bei 30% der Frauen liegt eine erhöhte Dichte des Brustdrüsengewebes vor. Es wird diskutiert, ob bei höherer Brustdrüsendichte eine zusätzliche Sonografie erfolgen sollte.

Tomosynthese

Seit über 10 Jahren ist es möglich, bei der Mammografie eine Tomosynthese (Schichtung) durchzuführen. Studien zeigen, dass die Tomosynthese zu einer um 41% höheren Detektionsrate und zu 15% weniger falsch positiven Befunde im Mammascreening führt.5

Künstliche Intelligenz (AI)

Die «Artificial Intelligence» im Mammografie-Screening ist kosteneffektiv, da sie für die Zweitlesung eingesetzt werden könnte. Dies führt laut einer aktuellen Studie auch zu einer um 20% höheren Detektionsrate.6

Risikobasiertes Screening

Frauen mit erhöhtem familiärem Risiko für Brustkrebs werden heute schon in einem eigenen Programm engmaschig untersucht. In gross angelegten Studien wird zurzeit zu einem risikobasierten Screening geforscht. Da das Brustkrebsrisiko neben den individuellen Risikofaktoren auch von Genetik, familiärer Häufung und Brustdichte abhängig ist, ist es sinnvoll, in der Zukunft ein risikoadaptiertes Screening anzustreben.

Zusammenfassung

Es liegt in der Schweiz eine hohe Inzidenz von Brustkrebs vor. Da die Aggressivität der Tumoren mit der Grösse zunimmt, ist eine Früherkennung sinnvoll. Es konnte gezeigt werden, dass die Tumorgrösse bei Detektion im Rahmen eines Screeningprogramms kleiner ist und sich der Tumor in einem früheren Stadium befindet. Die Mortalität durch Brustkrebs wird mit einem Screeningprogramm um ca. 30% gesenkt. In der Schweiz ist das Screeningangebot nicht flächendeckend, was zu einer Ungleichbehandlung führt, mit einer Benachteiligung der Frauen in jenen Kantonen, in welchen ein Screeningprogramm fehlt.

Spannend ist, dass viele neue Optionen für das Mammografie-Screening vorliegen, welche in den nächsten Jahren unbedingt beachtet werden sollten, um das Mammografie-Screening noch besser zu gestalten.

1 Duffy SW et al.: Mammography screening reduces rates of advanced and fatal breast cancers: Results in 549,091 women. Cancer 2020; 126(13): 2971-9 2 Katalinic A et al.: Breast cancer incidence and mortality before and after implementation of the German mammography screening program. Int J Cancer 2020; 147(3): 709-18 3 Schiller-Frühwirth IC et al.: Cost-effectiveness models in breast cancer screening in the general population: a systematic review. Appl Health Econ Health Policy 2017; 15(3): 333-51 4 Hellquist BN et al.: Effectiveness of population-based service screening with mammography for women ages 40 to 49 years: evaluation of the Swedish Mammography Screening in Young Women (SCRY) cohort. Cancer 2011; 117(4): 714-22 5 Friedewald SM et al.: Breast cancer screening using tomosynthesis in combination with digital mammography. JAMA 2014; 311(24): 2499-507 6 Lång K et al.: Artificial intelligence-supported screen reading versus standard double reading in the Mammography Screening with Artificial Intelligence trial (MASAI): a clinical safety analysis of a randomised, controlled, non-inferiority, single-blinded, screening accuracy study. Lancet Oncol 2013; 24(8): 936-44

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