
Diabetes und Leber
Bericht:
Claudia Benetti, Medizinjournalistin
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Viele Menschen mit Adipositas oder Typ-2-Diabetes entwickeln im Verlauf eine mit metabolischer Dysfunktion assoziierte Fettlebererkrankung (MASLD). Die MASLD wird immer noch zu selten diagnostiziert, da eine etablierte spezifische Therapie bislang fehlt. Warum sich dies ändern wird und welche Rolle die modernen Antidiabetika dabei spielen, erklärte Prof. Dr. med. Roger Lehmann vom Universitätsspital Zürich am FOMF Diabetes Update Refresher.
Der vor allem auf Deutsch etwas sperrige Ausdruck «mit metabolischer Dysfunktion assoziierte steatotische Lebererkrankung» («metabolic dysfunction-associated steatotic liver disease», MASLD) ersetzt die früher gebräuchliche Bezeichnung «nichtalkoholische Fettlebererkrankung» (NAFLD). «Die neue Terminologie ist passender, unter anderem deshalb, weil ein gelegentlicher Alkoholkonsum im Rahmen einer gesunden mediterranen Ernährung weit verbreitet ist», so Lehmann. Als Obergrenze gilt ein Alkoholkonsum von 20g/d für Frauen und 30g/d für Männer (Abb.1).1
Bei der MASLD handelt es sich um eine exzessive Fettakkumulation in der Leber aufgrund einer Insulinresistenz. Von einer Steatose spricht man, wenn mehr als 5% der Hepatozyten betroffen sind. Für die Diagnose einer MASLD müssen andere Ursachen und eine alkoholische Fettlebererkrankung ausgeschlossen werden. Die MASLD kann sich über einen Zeitraum von 8 bis 13 Jahren von der reinen Steatose mit zunehmender Fibrose über die Steatohepatitis (MASH) bis zur Leberzirrhose und zum hepatozellulären Karzinom weiterentwickeln.2
Risikofaktoren für MASLD
Die MASLD tritt besonders häufig bei Menschen mit Übergewicht/Adipositas und solchen mit Typ-2-Diabetes (T2D) auf. «Bei Letzteren haben jene mit einer schweren Insulinresistenz (SIRD-Subtyp) ein besonders hohes Risiko für die Entwicklung einer MASLD. SIRD ist auch der Diabetessubtyp, der mit dem höchsten Risiko für eine chronische Nierenerkrankung und für Herzinsuffizienz einhergeht», erklärte der Spezialist.
Eine prospektive US-amerikanische Studie zeigt, dass bei Erwachsenen mit T2D die Prävalenz der MASLD 69,6% beträgt. 13,6% haben eine MASH und 6,8% eine Zirrhose.3 «Die am häufigsten mit einer MASLD assoziierten Risikofaktoren sind Hyperlipidämie/Dyslipidämie und Hypertriglyzeridämie mit einer Prävalenz von je 83%, Adipositas mit 80%, Hypertonie mit 78%, das metabolische Syndrom mit 71% sowie der Diabetes mit 54%», sagte Lehmann.4–7 «Auch schlanke und normalgewichtige Personen können eine MAFLD entwickeln, wenn sie mindestens zwei metabolische Abnormitäten aufweisen (Abb.1).8
Abb. 1: Definition und Klassifikation der steatotischen Lebererkrankungen (modifiziert nach EASL-EASD-EASO Clinical Practice Guidelines 2024)1
Risikofaktoren für Weiterentwicklung zu MASH und Leberfibrose
Durch zunehmende Fibrosierung der Leber entwickelt sich aus der MASLD eine MASH und schliesslich eine Leberzirrhose. Faktoren, die das Fortschreiten der Fibrose begünstigen, sind Komponenten des metabolischen Syndroms (BMI >30kg/m2, T2D, Hypertonie) und Alter >60 Jahre.9
«Je höher der Fibrosegrad, desto höher sind auch die leberassoziierte Sterblichkeit und die Gesamtmortalität»,10 so der Referent. Mit zunehmendem Fibrosegrad nimmt auch die Geschwindigkeit der Progression zu. So kommt es bei je etwa 20% der Patient:innen mit einer F3-Fibrose innert zwei Jahren zu einer Progression zu einer F4-Fibrose resp. von einer F4-Fibrose zu leberassoziierten Komplikationen wie Aszites, Enzephalopathie, Varizenblutung oder einer Zunahme des Child-Pugh-Scores um >2 Punkte.11
Die MASLD ist heute die häufigste chronische Lebererkrankung. Ihre Prävalenz hat von 25% im Jahr 2016 auf aktuell über 30% zugenommen und auch die Inzidenz steigt kontinuierlich.1 Trotzdem wird die MASLD immer noch zu selten diagnostiziert. «Auch wenn es bisher keine etablierte spezifische Therapie für die MASLD gibt, möchte ich Sie für die MASLD sensibilisieren. Mit einer frühzeitigen Reduktion der Steatose kann das Risiko für MASH und Zirrhose nämlich deutlich gesenkt werden», so der Appell von Lehmann ans Publikum.
Abb. 2: Diagnostische Kriterien für eine MASLD (adaptiert nach Eslam et al. 2020)8
Lifestyle und Medikamente
Einen günstigen Effekt auf die Leber haben Lifestylemassnahmen wie eine Ernährung mit Reduktion der Kalorien und der Alkoholzufuhr (<30g/d für Männer, <20g/d für Frauen) sowie Vermeiden von fruktosehaltigen Nahrungsmitteln und Getränken, regelmässige körperliche Aktivität und Gewichtsabnahme. Bei einem Gewichtsverlust von über 10% verschwindet die Steatohepatitis in 90% der Fälle.12
Auch die modernen Antidiabetika wirken sich günstig auf die Leber aus. Für SGLT2-Hemmer bieten Studien Real-Life-Evidenz dafür, dass diese Substanzen ein plausibler therapeutischer Ansatz sind, um eine Verschlechterung der Leberfunktion bei MASLD zu verhindern. Dabei sind sie effektiver als Pioglitazon und ähnlich wirksam wie die GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP1-RA).13
Der GLP-1-RA Semaglutid führte in einer Studie bereits in niedrigen Dosierungen (0,1–0,4mg/d s.c.) zu einer Verbesserung der MASH, jedoch ohne Verbesserung des Fibrosegrads.14 In der höheren Dosierung von 2,4mg 1x/Woche s.c. reduzierte Semaglutid deutlich die Leberfibrose ohne Verschlechterung der MASH.15 In der noch laufenden ESSENCE-Studie wird Semaglutid 2,4mg 1x/Woche s.c. bei Erwachsenen mit MASH untersucht. Die ersten Ergebnisse nach 72 Wochen ergaben unter Semaglutid im Vergleich zu Placebo eine Reduktion der Leberfibrose ohne Verschlechterung der Steatohepatitis bei 37,0% vs. 22,5% und zum Verschwinden der Steatohepatitis ohne Verschlechterung der Fibrose bei 62,9% vs. 34,1%.16
Praxistipp
Werden Patient:innen mit Typ-2-Diabetes leitliniengerecht bereits frühzeitig mit einem SGLT2-Hemmer oder einem GLP-1-RA behandelt, wird auch die Steatose frühzeitig mitbehandelt.Der duale GIP-/GLP-1-RA Tirzepatid reduzierte die MASH ebenfalls deutlich ohne Verschlechterung der Fibrose, je nach Dosierung um bis zu 62%.17 Noch potenter erwiesen sich in Untersuchungen der Tripel-GLP-1-/GIP-/Glukagon-Rezeptor-Agonist Retatrutid sowie der duale Glukagon-/GLP-1-RA Suvodutid. Retatrudid reduzierte bei 80–90% der Proband:innen das Leberfett auf unter 5%.18 Unter Suvodutid verloren die Proband:innen in der höchsten untersuchten Dosierung (4,8mg 1x/Woche s.c.) im Schnitt 18,7% Gewicht.19 In einer anderen Studie verbesserte die Substanz bei bis zu 83% der Patient:innen die MASH ohne Verschlechterung der Fibrose und bei bis zu 87% den Leberfettgehalt (≥30% Reduktion).20
«Zusammenfassend kann man sagen, dass mit den Rezeptoragonisten, angefangen vom Monoagonisten Semaglutid über den dualen Agonisten Tirzepatid zum Tripelagonisten Retatrutid die Gewichtsreduktion immer grösser, die Diabetesprävention immer besser und die Reduktion der Leberverfettung immer ausgeprägter ist», so Lehmann.
In Zukunft dürften mit dem TSH-Rezeptor-Beta-Agonisten Resmetirom, der in den USA bereits zugelassen ist, und dem FGF-21-Agonisten Pegozafermin auch potente Medikamente spezifisch für die Leberfibrose auf den Markt kommen.
Quelle:
FOMF Diabetes Update Refresher, 7. bis 9. November 2024, Zürich
Literatur:
1 European Association for the Study of the Liver et al.: J Hepatol 2024: 81: 492-542 2 De Alwis NMW, Day CP: J Hepatol 2008; 48 (Suppl. 1): S104-12 3 Mittal N et al.: Aliment Pharmacol Ther 2024; 59: 1571-8 4 Golabi P et al.: Medicine (Baltimore) 2018; 97: e0214 5 Kanwar P et al.: Clin Liver Dis 2016; 20: 225-43 6 Loomb R et al.: Hepatology 2012; 56: 943-51 7 Younossi ZM et al.: Hepatology 2016; 64: 73-84 8 Eslam M et al.: J Hepatol 2020; 73: 202-9 9 Wong RJ et al.: Aliment Pharmacol Ther 2017; 46: 974-80 10 Dulai PS et al.: Hepatology 2017; 65: 1557-65 11 Sanyal A et al.: EASL Annual Meeting 2017. OP #GS-004 12 Vilar-Gomez E et al.: Gastroenterology 2015; 149: 367-78 13 Sungho B et al.: American Diabetes Association 84th Scientific Session 2024; P1400 14 Newsome PN et al.: N Engl J Med 2021; 394: 1113-24 15 Loomba R et al.: Lancet Gastroenterol Hepatol 2023; 8: 511-22 16 Novo Nordisk Company Announcement: 2024 Nov 1. https://www.novonordisk.com/news-and-media/news-and-ir-materials/news-details.html?id=171971 ; letzter Zugriff 28.1.2025 17 Loomba R et al: N Engl J Med 2024; 391: 299-310 18 Sanyal AJ et al.: Nat Med 2024; 30: 2037-48 19 Le Roux CW et al.: Lancet Diabetes Endocrinol 2024; 12: 162-73 20 Sanyal AJ et al.: N Engl J Med 2024; 391: 311-9