ESMO 2025: Neues zum Prostatakarzinom
Bericht:
Dr. Ine Schmale
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Auf der ESMO-Jahrestagung 2025, die in Berlin stattfand, wurde ein breites onkologisches Update gegeben und viele neue Studienauswertungen präsentiert. Im Bereich der urologischen Tumoren wurden für die Therapie des hormonsensitiven metastasierten Prostatakarzinoms viele Fortschritte aufgezeigt.
Metastasiertes hormonsensitives Prostatakarzinom (mHSPC)
CAPItello-281-Studie: AKT-Inhibitor Capivasertib
Bei etwa einem Viertel der Patienten mit bei Diagnose metastasiertem Prostatakarzinom liegt eine PTEN-Defizienz vor, die mit einer schlechten Prognose einhergeht. PTEN ist ein Tumorsuppressorgen, das die Androgenrezeptor(AR)-vermittelte Proliferation der hormonsensitiven Tumorzelle reguliert. Bei PTEN-defizienten Tumorzellen wird die Proliferation – parallel zum AR-Signalweg – über den PI3K/AKT-Signalweg verstärkt. Capivasertib ist ein selektiver Inhibitor der drei AKT-Isoformen AKT1, -2 und -3. In der Phase-III-Studie CAPItello-281 erhielten 1012 Patienten mit PTEN-defizientem de novo metastasiertem hormonsensitivem Prostatakarzinom (mHSPC) Capivasertib + Abirateron/Prednison und Androgendeprivationstherapie (ADT) oder Placebo + Abirateron/Prednison und ADT.1 Primärer Endpunkt war das radiologische PFS (rPFS).
Das rPFS war unter Capivasertib um 7,5 Monate von 25,7 auf 33,2 Monate signifikant verlängert (Hazard-Ratio [HR]: 0,81; 95% CI: 0,66–0,98; p=0,034). Die Zeit bis zur nachfolgenden Therapie (TTNT) konnte numerisch von median 28,5 auf 37,0 Monate (HR: 0,91; 95% CI: 0,75–1,11) und die Zeit bis zum ersten symptomatischen skelettalen Ereignis (SSE) von median 37,3 auf 42,5 Monate verlängert werden (HR: 0,82; 95% CI: 0,66–1,02). Im Median betrug die Zeit bis zur Kastrationsresistenz (CRPC) unter Capivasertib + Abirateron 29,5 Monate vs. 22,0 Monate im Placeboarm (HR: 0,77; 95% CI: 0,63–0,94). In einer explorativen Analyse zeigte sich ein Zusammenhang zwischen der Wirksamkeit der Therapie und dem Anteil PTEN-defizienter Zellen und dem rPFS. Bei einem Cut-off ≥90% betrug die HR 0,81 (95% CI: 0,66–0,98), bei ≥95% war sie 0,75 (95% CI: 0,50–0,94), bei ≥99% 0,71 (95% CI: 0,52–0,97) sowie bei 100% 0,68 (95% CI: 0,48–0,96). Der Unterschied zwischen den Therapiearmen wurde getrieben durch ein schlechteres Abschneiden im Placeboarm, während die Kurven im Capivasertib-Arm nahezu konstant verliefen. Die Nebenwirkungsrate war unter Capivasertib höher als unter Placebo, insbesondere traten Diarrhö, Hyperglykämie und Rash auf.
Fazit
Capivasertib stellt in Kombination mit Abirateron eine potenzielle neue zielgerichtete Therapie für Patienten mit metastasiertem, hormonsensitivem, PTEN-defizientem Prostatakarzinom dar.
ARASAFE-Studie: Docetaxel-Dosierung reduziert
Die Tripeltherapie mit Darolutamid + Docetaxel und ADT ist auf Basis der Daten der Phase-III-Studie ARASENS für Patienten mit mHSPC indiziert. Komplikationen aufgrund einer Docetaxel-induzierten Neutropenie verhindern allerdings die breite Anwendung von Docetaxel-basierten Regimen mit 3-wöchentlicher Applikation (75mg/m2, q3w). In der ARASAFE-Studie wurde deshalb untersucht, ob eine niedrigere Docetaxel-Dosierung (50mg/m2) in 2-wöchentlicher Applikation die Grad-3–5-Nebenwirkungen reduzieren kann.2
Es wurden 250 Patienten in einem Alter von median 67–68 Jahren in die ARASAFE-Studie eingeschlossen. Sie erhielten durchschnittlich 5,6 Dosen (q3w) vs. 10,7 Dosen (q2w) Docetaxel, kumulativ waren dies 842,8 vs. 1073,5mg. Die Häufigkeit von Grad-3–5-Nebenwirkungen wie auch von Grad-3–4-Neutropenien oder Tod (primäre Endpunkte) wurde mit der 2-wöchentlichen Gabe signifikant reduziert. Nebenwirkungen von Grad 3–5 traten bei 78,9% vs. 61,2% der Patienten auf (p=0,0024), Neutropenien von Grad 3–4 oder Tod jedweder Ursache bei 64,1% vs. 24,0% (p<0,0001). Die Wirksamkeit sowie die Lebensqualität werden in der laufenden Studie weiter untersucht.
Fazit
Die ARASAFE-Studie zeigt, dass mit einer modifizierten Docetaxel-Applikation die Sicherheit der Tripeltherapie mit Darolutamid und ADT verbessert werden kann; diese stellt einen möglichen neuen Standard für die Tripeltherapie dar.
PSMAddition-Studie: PSMA-gerichtete Radioligandentherapie
Die Radioligandentherapie beschränkte sich beim Prostatakarzinom bislang auf das kastrationsresistente Setting. In der Phase-III-Studie PSMAddition wurde 177Lu-PSMA-617 nun zusätzlich zu einer ADT + ARPI (Androgenrezeptor-Pathway-Inhibitor) bei Patienten mit PSMA-positivem mHSPC geprüft. Untersucht wurden als wichtigste Endpunkte das rPFS (primärer Endpunkt), die Sicherheit und das Gesamtüberleben (OS). Ein Cross-over vom Kontroll- in den experimentellen Studienarm nach radiologischem Progress war erlaubt und wurde von 16% der Patienten wahrgenommen.
Die Auswertung nach der medianen Nachbeobachtungszeit von 23,6 Monaten zeigte eine signifikante Reduktion des Risikos für das rPFS oder Tod bei zusätzlicher Behandlung mit 177Lu-PSMA-617 zu ADT und ARPI (HR: 0,72; 95% CI: 0,58–0,90; p=0,002). Der Median wurde in beiden Studienarmen nicht erreicht.
Für das OS lag die Hazard-Ratio nach 14,9% vs. 17,3% Ereignissen in den Studienarmen bei 0,84 und zeigte einen Trend für den Vorteil durch die Radioligandentherapie (95% CI: 0,63–1,13; p=0,125). Es sprachen 87,3% vs. 80,8% der Patienten auf die Studienmedikation an, 57,1% vs. 42,3% erreichten eine Komplettremission (CR). Das Risiko für einen PSA-Progress wurde um 58% (HR: 0,42; 95% CI: 0,30–0,59) und das Risiko für die Kastrationsresistenz um 30% (HR: 0,70; 95% CI: 0,58–0,84) reduziert. Es wurden keine neuen Sicherheitssignale beobachtet. Nebenwirkungen traten häufiger mit 177Lu-PSMA-617 als unter der alleinigen hormonellen Therapie auf. Die häufigsten Nebenwirkungen in Verbindung mit 177Lu-PSMA-617 waren ein trockener Mund, Fatigue und Übelkeit. In der Patientenbefragung wurden keine klinisch relevanten Unterschiede bezüglich der Zeit bis zur Verschlechterung der Lebensqualität oder der Schmerzen festgestellt.
Hinweis
Lesen Sie dazu das Interview mit dem Ko-Autor der Studie, Univ.-Prof. Dr. Gero Kramer, auf den folgenden Seiten.
Metastasenfreies rezidiviertes Prostatakarzinom
PRESTO-Studie: Androgenblockade mit ADT + Apalutamid
Patienten mit einem biochemisch-rezidivierten Prostatakarzinom nach radikaler Prostatektomie und einer kurzen PSA-Verdopplungszeit haben ein hohes Risiko, Fernmetastasen zu entwickeln und an der Krebserkrankung zu versterben. In der PRESTO-Studie erhielten diese Prostatakarzinompatienten in drei Studienarmen für die Dauer von 52 Wochen entweder ein GnRH-Analogon oder ein GnRH-Analogon + Apalutamid oder ein GnRH-Analogon + Apalutamid + Abirateron/Prednison.
Der primäre Studienendpunkt war das biochemische PFS (PSA-PFS). Beim ESMO wurden die Ergebnisse zu den sekundären Endpunkten metastasenfreies Überleben (MFS), Zeit bis zu CRPC, PSA-PFS der Population mit wiederhergestelltem Testosteronspiegel (>150ng/dl) und die Sicherheit mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 61,0 Monaten gezeigt.3
Bezüglich des MFS wurde in beiden experimentellen Studienarmen bisher kein signifikanter Unterschied zum Kontrollarm gesehen. Die Zeit bis zur Kastrationsresistenz war in beiden experimentellen Studienarmen signifikant länger verglichen mit dem Kontrollarm (HR: 0,58; 95% CI: 0,36–0,95; p=0,0283 bzw. HR: 0,55; 95% CI: 0,34–0,90; p=0,0176). Die mediane Zeit bis zur Wiederherstellung des Testosteronspiegels betrug mit ADT + Apalutamid 6,4 Monate, mit ADT + Apalutamid + Abirateron/Prednison 6,9 Monate und mit ADT-Monotherapie 6,1 Monate. Bei Patienten mit erholten Testosteronspiegeln war das PSA-PFS in den experimentellen Armen signifikant verlängert gegenüber der alleinigen ADT (HR: 0,72; 95%CI: 0,55–0,93; p=0,0283 bzw. HR: 0,67; 95% CI: 0,50–0,90; p=0,0075). Die mediane Zeit bis zur nächsten Therapie lag bei 47,6 Monaten mit Apalutamid, 52,8 Monaten mit Apalutamid + Abirateron und bei 35,7 Monaten mit alleiniger ADT. Im Vergleich mit der ADT betrug die Hazard-Ratio für Apalutamid + ADT 0,75 (95% CI: 0,56–1,00; p=0,0075) und für Apalutamid + Abirateron/Prednison + ADT 0,64 (95% CI: 0,47–0,86; p=0,0028). Grad 3–4-Nebenwirkungen traten bei 26% und 41% in den experimentellen Studienarmen und 22% im Kontrollarm auf. Ein Therapieabbruch aufgrund von Nebenwirkungen wurde für 1%, 2% und 0,6% der Patienten berichtet.
Fazit
Die kombinierte Androgenblockade mit ADT + Apalutamid über die Dauer von 12 Monaten verbesserte die Wirksamkeit gegenüber alleiniger ADT bei Prostatakarzinompatienten mit PSA-Progress und hohem Rezidivrisiko. Die zusätzliche Behandlung mit Abirateron/Prednison brachte keinen weiteren relevanten Nutzen, aber zusätzliche Nebenwirkungen.
Lokal fortgeschrittenes Prostatakarzinom
ENZARAD-Studie: Enzalutamid + ADT + Bestrahlung
Die Phase-III-Studie ENZARAD untersuchte, ob Enzalutamid zusätzlich zu ADT und Bestrahlung einen Vorteil für Patienten mit Hochrisiko-Prostatakarzinom bringt.5 In der akademisch durchgeführten Studie erhielten 802 Patienten mit lokalisiertem Prostatakarzinom und hohem Rezidivrisiko für die Dauer von 2 Jahren eine ADT und eine Hochdosis-Bestrahlung sowie randomisiert für 2 Jahre Enzalutamid oder für 6 Monate ein konventionelles nichtsteroidales Antiandrogen (NSAA). Als primärer Studienendpunkt wurde zunächst das OS definiert, aufgrund geringer Mortalitätsraten aber später auf das MFS gewechselt. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 8 Jahren war das MFS zwischen den Studienarmen nicht verschieden (HR: 0,88; 95% CI: 0,67–1,15; p=0,34). Nach 8 Jahren lebten 74% vs. 72% der Patienten metastasenfrei. Ohne Krankheitsprogress lebten 67% vs. 62% der Patienten (PFS: HR:0,78; 95% CI: 0,61–0,99; p=0,044). Die 8-Jahres-OS-Rate lag bei 83% vs. 80% (HR: 0,87; 95% CI: 0,63–1,20; p=0,40). Das Prostatakarzinom-spezifische Überleben war mit einer 8-Jahres-Überlebensrate von 97% vs. 96% vergleichbar (HR: 0,90; 95% CI: 0,41–1,97; p=0,79).
In Subgruppenanalysen gab es für die kleine Gruppe der Patienten mit Lymphknotenbeteiligung (Interaktion N0 vs. N1, p=0,04) und die Gruppe mit Becken-Radiatio (Interaktion Radiatio vs. keine, p<0,001) Hinweise auf ein verbessertes MFS mit Enzalutamid. Ein ähnliches Signal wurde für das OS bestätigt.
Fazit
Die meisten Patienten mit lokalisiertem oder lokal fortgeschrittenem Prostatakarzinom, die eine Hochdosis-Bestrahlung und 2 Jahre ADT erhalten, benötigen keine zusätzliche Enzalutamid-Behandlung. Patienten mit positiven Lymphknoten in der konventionellen Bildgebung oder mit anderen Indikationen für eine Becken-Bestrahlung können von der zusätzlichen Enzalutamid-Gabe profitieren.
Quelle:
Jahrestagung der European Society for Medical Oncology (ESMO), 17.–21. Oktober 2025, Berlin und online
Literatur:
1 Fizazi K et al.: A phase III study of capivasertib + abiraterone (abi) vs placebo + abi in patients with PTEN deficient de novo metastatic hormone-sensitive prostate cancer: CAPItello-281. ESMO 2025, Abstr. #2383O 2 Grimm MO et al.: 3-weekly docetaxel 75mg/m2 vs 2-weekly docetaxel 50mg/m2 in combination with darolutamide + ADT in patients with mHSPC: results from the randomised phase III ARASAFE trial. ESMO 2025, Abstr. #LBA92 3 Tagawa ST et al.: Phase III trial of [177Lu]Lu-PSMA-617 combined with ADT + ARPI in patients with PSMA-positive metastatic hormone-sensitive prostate cancer (PSMAddition). ESMO 2025, Abstr. #LBA6 4 Aggarwal R et al.: Final results from PRESTO: a phase III open-label study of combined androgen blockade in patients with high-risk biochemically relapsed prostate cancer (AFT-19). ESMO 2025, Abstr. #LBA88 5 Nguyen PL et al.: Randomised phase III trial of androgen deprivation therapy with radiation therapy with or without enzalutamide for high risk, clinically localised prostate cancer: ENZARAD (ANZUP 1303). ESMO 2025, Abstr. #LBA86
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