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Breast Care Nurses

Herausforderungen und Chancen in der Versorgung von Brustkrebspatient:innen

Brustkrebs ist mehr als eine medizinische Diagnose, er verändert Lebenswelten. Damit Patient:innen den Weg durch Diagnostik, Therapie und Nachsorge gut bewältigen, braucht es spezialisierte Pflegeexpert:innen, die Orientierung, Sicherheit und Vertrauen geben. Die Breast Care Nurse ist dabei weit mehr als Begleitung. Sie ist eine zentrale Verbindung im interprofessionellen Team, stärkt den Informationsfluss zwischen allen Berufsgruppen und bezieht auch Angehörige aktiv in den Behandlungsprozess ein.

Die Versorgung von Brustkrebspatient:innen braucht spezialisierte Pflege

Brustkrebs ist mit aktuell 6902 Neuerkrankungen pro Jahr (Stand Oktober 2025) die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Österreich. Die Diagnose trifft Betroffene oft unerwartet und mitten im Leben, in welchem Beruf, Familie und Verpflichtungen weiterlaufen. Während das medizinische Team die Therapie plant, beginnt für die Patient:innen eine Phase hoher emotionaler Belastung, geprägt von Angst, Unsicherheit und einer Flut an Informationen. Zwischen medizinischen Fachgesprächen, Diagnostik und organisatorischen Anforderungen bleibt häufig wenig Raum, um das Gesagte zu verarbeiten oder individuelle Fragen zu stellen. Hier kommt spezialisierte Pflege ins Spiel. Breast Care Nurses (BCNs) begleiten Patient:innen vom Zeitpunkt der Diagnose über Operation und systemische Therapien bis hin zur Nachsorge. Sie schaffen Orientierung in einer komplexen Behandlungssituation, fördern das Verständnis für Therapieabläufe und stärken die Selbstwirksamkeit der Patient:innen. Durch diese kontinuierliche Begleitung wird nicht nur die Adhärenz verbessert, sondern auch die emotionale Stabilität der Betroffenen gefördert. BCNs tragen damit wesentlich dazu bei, dass die medizinische Behandlung im Alltag verständlich, umsetzbar und lebbar wird. Dies leistet einen zentralen Beitrag zu Qualität und Menschlichkeit in der onkologischen Versorgung.

Die Rolle der Breast Care Nurse im interprofessionellen Team

Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist im Bereich Brustkrebs keine optionale Ergänzung, sondern Voraussetzung für eine qualitativ hochwertige Versorgung – und sie beginnt bereits vor der eigentlichen Diagnose. Schon in der Phase der Abklärung und Diagnosenfindung wirken Radio-log:innen, Chirurg:innen, Onkolog:innen, Patholog:innen, Psychoonkolog:innen und Pflege eng zusammen. In dieser sensiblen Zeit werden nicht nur Befunde erhoben, sondern auch Ängste geschürt, Fragen gestellt und erste Informationen vermittelt. Hier übernimmt die Breast Care Nurse (BCN) eine entscheidende Rolle: Sie sorgt dafür, dass Patient:innen in dieser frühen Phase nicht zwischen Terminen und Fachsprachen verloren gehen. Sie erklärt Abläufe, übersetzt medizinische Information in verständliche Sprache und schafft durch ihre kontinuierliche Präsenz Vertrauen, oft noch bevor die endgültige Diagnose feststeht. Nach Diagnosestellung begleitet die BCN den weiteren Behandlungsweg und wirkt als Bindeglied innerhalb des interprofessionellen Teams. Sie koordiniert Abläufe, achtet auf Kontinuität der Informationen und bringt pflegerische wie psychosoziale Perspektiven in Besprechungen und Tumorboards ein. Durch regelmäßigen Austausch mit Ärzt:innen und Therapeut:innen trägt sie wesentlich dazu bei, dass Therapieentscheidungen ganzheitlich getroffen und Patient:innenbedürfnisse berücksichtigt werden. Ihre Arbeit endet dabei nicht an der Grenze der Klinik. Die BCN bezieht Angehörige aktiv ein, vermittelt Unterstützungsmöglichkeiten und sorgt dafür, dass Patient:innen und ihr Umfeld die nächsten Schritte verstehen und umsetzen können. Internationale Leitlinien, wie jene der European Society of Breast Cancer Specialists (EUSOMA), führen die BCN als verpflichtendes Mitglied zertifizierter Brustzentren. Studien belegen, dass ihre Einbindung nicht nur die Patient:innenzufriedenheit, sondern auch Kommunikation, Teamklima und Versorgungsqualität signifikant verbessert.Die Arbeit der Breast Care Nurse zeigt, dass erfolgreiche Versorgung von Brustkrebsbetroffenen dort beginnt, wo Berufsgruppen nicht nebeneinander, sondern miteinander handeln, von der ersten Abklärung bis hin zur Nachsorge.

Kommunikation als pflegerische Kernkompetenz

Kommunikation ist in der onkologischen Pflege weit mehr als ein Mittel zur Informationsweitergabe. Sie ist eine klinische Intervention mit direkter Auswirkung auf Sicherheit, Adhärenz und Lebensqualität von Betroffenen. Gerade im Kontext von Brustkrebs, wo Diagnosen plötzlich das gesamte Leben infrage stellen, wird deutlich, dass Patient:innen Informationen nicht nur erhalten, sondern auch verstehen, verarbeiten und in ihren Alltag integrieren müssen. BCNs nehmen hier eine zentrale Rolle ein. Sie übersetzen komplexe medizinische Inhalte in verständliche Sprache, wiederholen und strukturieren Informationen, die Patient:innen in Stresssituationen häufig nur bruchstückhaft aufnehmen können. Gleichzeitig geben sie Rückmeldung an das interprofessionelle Team, wenn Missverständnisse oder Unsicherheiten auftreten. Ein wichtiger Bestandteil dieser Kommunikation ist das Prinzip des „teach-back“: Patient:innen werden gebeten, mit eigenen Worten zu erklären, was sie verstanden haben und welche Schritte als Nächstes folgen. Dadurch können Verständnislücken unmittelbar erkannt und geschlossen werden. Diese Methode stärkt Selbstwirksamkeit und reduziert nachweislich Therapieabbrüche und Medikationsfehler.Neben der sachlichen Ebene ist Kommunikation auch emotionaler Anker. BCNs schaffen Räume, in denen Patient:innen und Angehörige Sorgen und Ängste ansprechen können, ohne bewertet zu werden. Durch aktives Zuhören, validierende Rückmeldungen und gezielte Gesprächsführung fördern sie Vertrauen und psychische Stabilität. Regelmäßige, strukturierte Gespräche über Symptome, Alltagsbelastungen oder Coping-Strategien sind nicht nur Ausdruck empathischer Pflege, sondern auch ein Instrument zur Früherkennung von beginnender Überforderung oder Nebenwirkungen wie Fatigue. Über standardisierte Tools wie das NCCN Distress Thermometer lassen sich psychosoziale Belastungen frühzeitig identifizieren. Werden sie konsequent genutzt, können BCNs rasch psychoonkologische oder soziale Unterstützungsangebote einleiten, bevor Belastungen chronisch werden. Kommunikation in der onkologischen Pflege ist somit kein ergänzender „soft skill“, sondern Teil einer evidenzbasierten, strukturierten und sicherheitsrelevanten Versorgungsstrategie.

Herausforderungen im Symptom- und Nebenwirkungsmanagement

In der onkologischen Praxis zeigt sich, dass die Herausforderungen für Patient:-innen stark davon abhängen, in welcher Krankheitsphase sie sich befinden. Das Symptom- und Nebenwirkungsmanagement verlangt daher von Pflegeexpert:innen nicht nur Fachwissen, sondern auch Anpassungsfähigkeit und Empathie.

Frühes Stadium – „early breast cancer“

Im frühen Setting stehen Frauen meist mitten im Leben. Sie sind berufstätig, Mütter, Partnerinnen, oft in sozialer Verantwortung. Die Diagnose trifft sie unvermittelt und zwingt sie, ihre gewohnte Lebensstruktur neu zu ordnen. Hier dominieren Fragen wie:

  • „Wie sage ich es meinen Kindern?“

  • „Wann kann ich wieder arbeiten?“

  • „Was bedeutet das für meine Fruchtbarkeit?“

Neben der psychischen Belastung entstehen spezifische körperliche Herausforderungen durch systemische Therapien: Übelkeit, Erbrechen, Haarausfall, Fatigue, Hautreaktionen oder Konzentrationsstörungen. Viele Patient:innen müssen lernen, Therapie und Alltag zu koordinieren: Therapiezyklen, regelmäßige Laborkontrollen, Nebenwirkungen und soziale Verpflichtungen gleichzeitig zu bewältigen. Pflege-expert:innen unterstützen Patient:innen dabei, Sicherheit im Umgang mit der Therapie zu gewinnen, Routinen zu etablieren und trotz Behandlung ein Stück Normalität zu bewahren.

Metastasiertes Stadium – Leben mit einer „chronischen“ Erkrankung

Bei Betroffenen mit metastasiertem Brustkrebs sind die Herausforderungen anders, aber nicht geringer. Hier geht es weniger um Rückkehr in den alten Alltag, sondern um Leben mit der Erkrankung, um den Umgang mit chronischen Symptomen, Fatigue, Polypharmazie und wiederkehrenden Therapiewechseln. Viele Patient:in-nen berichten über eine zunehmende „treatment fatigue“, das Gefühl, von der Dauertherapie körperlich und seelisch erschöpft zu sein. Symptome wie Diarrhö, Übelkeit oder Neutropenie müssen nicht nur medizinisch, sondern auch psychosozial aufgefangen werden. Die Prioritäten verschieben sich. Lebensqualität, Selbstbestimmung und Familie stehen im Vordergrund. BCNs begleiten Patient:innen in dieser Phase häufig über Monate oder Jahre und kennen deren persönliche Situation genau. Sie unterstützen beim Symptom-Monitoring, koordinieren Hilfsangebote und fördern Coping-Strategien. Gerade in der metastasierten Situation zeigt sich die Bedeutung einer kontinuierlichen, niederschwelligen Begleitung. Regelmäßige telefonische oder persönliche Check-ins verhindern Eskalationen und schaffen Vertrauen.

Fazit: ganzheitliche Versorgung als gemeinsame Aufgabe

Die Versorgung von Menschen mit Brustkrebs ist heute anspruchsvoller denn je. Medizinische Fortschritte erweitern die therapeutischen Möglichkeiten, gleichzeitig werden Behandlungswege komplexer und die Bedürfnisse der Patient:innen individueller. Zwischen Diagnostik, Therapieentscheidungen, Nebenwirkungsmanagement und psychosozialer Begleitung entsteht ein dichtes Netz an Aufgaben, das nur im interprofessionellen Team getragen werden kann. Pflegeexpert:innen nehmen darin eine zentrale und unverzichtbare Rolle ein. Sie sind nicht nur Beobachter:innen, sondern aktive Gestal-ter:innen des Behandlungsprozesses mit klinischem Wissen, Kommunikationserfahrung und einem tiefen Verständnis für die Lebensrealität der Patient:innen. Ihr Beitrag reicht von der Symptomkontrolle über Information und Koordination bis hin zur emotionalen Stabilisierung. Eine qualitativ hochwertige onkologische Versorgung braucht Strukturen, die diese Expertise anerkennen und fördern. Dazu gehören ausreichende zeitliche und finanzielle Ressourcen, feste Ansprechpart-ner:innen, Weiterbildungsmöglichkeiten und die Einbindung spezialisierter Pflege in Entscheidungsprozesse auf Augenhöhe. Am Ende geht es nicht nur um Therapien, sondern um Lebensqualität und um Patient:innen, die verstehen, mitreden und mitentscheiden können, und um Pflege, die diesen Weg mit Wissen, Empathie und Verlässlichkeit begleitet, als konstanter Faktor in einem sich stetig wandelnden System.

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