© LUKS

Zervixdysplasie in der Schwangerschaft

Auffällige Krebsvorsorgeabstriche während der Schwangerschaft stellen eine Herausforderung dar. Die schwangerschaftsbedingten Veränderungen der Zervix können die kolposkopische Beurteilung erschweren. Ausserdem führen sie häufig zu einer emotionalen Belastung der werdenden Mutter. Daher ist ein an diese spezielle Situation angepasstes Management essenziell.

Keypoints

  • Auffällige zytologische oder kolposkopische Befunde in der Schwangerschaft sollten differenzialkolposkopisch abgeklärt werden. Dabei steht der Ausschluss eines bestehenden Karzinoms im Vordergrund.

  • Eine Probenentnahme kann prinzipiell in jedem Schwangerschaftsalter durchgeführt werden, vorzugsweise in der 16.−20. SSW. Eine endozervikale Kürettage ist kontraindiziert.

  • Da von einer geringen Progressionswahrscheinlichkeit auszugehen ist, sollte die operative Behandlung der Dysplasie postpartal erfolgen.

  • Die kolposkopische Beurteilung in der Schwangerschaft kann erschwert sein. Bei Verdacht auf eine Dysplasie sollte alle 12 Wochen eine Verlaufskontrolle mittels Zytologie und Differenzialkolposkopie in einer zertifizierten Dysplasiesprechstunde stattfinden. Postpartal ist die Kontrolle nach frühestens 6−8 Wochen empfehlenswert.

Fallpräsentation und Vorgehen bei auffälligen zytologischen Befunden

Eine 32-jährige Erstgravida wird in der 10. Schwangerschaftswoche (SSW) wegen erstmalig auffälligem Pap-Abstrich (Pap III-p, ASC-H) zur Differenzialkolposkopie zugewiesen. Anamnestisch keine vulvovaginalen Beschwerden, seit 2 Wochen kein Nikotinkonsum mehr, keine familiäre Karzinombelastung.

Untersuchungsbefund: Unauffällige Vulvoskopie. Adäquate Kolposkopie mit grosser atypischer Transformationszone, Typ 2. Intensive und rasche Essigreaktion mit weit nach ektozervikal reichenden «major changes» in allen vier Quadranten: grobes Mosaik (11−3 Uhr), grobe Punktierung (12−1 Uhr). «Ridge sign» bei 5−8 Uhr. Zudem ektozervikal zartes Mosaik bei 9 und 11 Uhr. Keine atypischen Gefässe, kein Anhalt für Invasion.

Wiedervorstellung in der 20. SSW zur Probenentnahme bei 1 und 3 Uhr. Histologie: hochgradige squamöse intraepitheliale Läsion (HSIL) der Portio, zervikale intraepitheliale Neoplasie (CIN) 3. HPV-high-risk-positiv (HPV-31).

Zytologische Verlaufskontrolle in der 32. SSW: Pap IV a-p, ASC-H. Bei stabilem kolposkopischem Befund (Abb.1) mit nach Spreizen vollständig einsehbarer Transformationszone ohne Anhalt für Invasion wird auf eine erneute Probenentnahme verzichtet. 8 Wochen postpartal zeigt sich kolposkopisch eine leicht regrediente Ausdehnung der Dysplasie (Pap III D2, ASC-H). Mittels Biopsie wird die Verdachtsdiagnose HSIL, CIN 3 bestätigt und die operative Therapie geplant.

© LUKS

Abb. 1: 31. SSW: atypische Transformationszone mit «Major change»-Veränderungen

Die Prävalenz von auffälligen zytologischen Abstrichbefunden in der Gravidität beträgt 1−8%, die von histologisch gesicherten hochgradigen squamösen intraepithelialen Läsionen (HSIL) liegt bei etwa 0,4%, was der Häufigkeit bei nicht schwangeren Frauen entspricht.5−7,9 Die Transformationszone ist mit zunehmendem Schwangerschaftsalter durch die ektozervikale Verlagerung besser einsehbar. Jedoch können folgende physiologische Veränderungen der graviden Portio die kolposkopische Beurteilung erschweren:7,8

  • erhöhte Schleimproduktion

  • prolabierende Vaginalwände

  • verstärkte Durchblutung mit prominenter Gefässzeichnung

  • Pseudopigmentierung

  • Dezidualisierung des Zervixstromas, Dezidualpolypen (Abb. 2)

  • ödematöse Hypertrophie

  • veränderte Jod- und Essigreaktion

  • ungünstige Untersuchungsbedingungen im letzten Trimenon

© LUKS

Abb. 2: 14. SSW: Dezidualpolyp, nebenbefundlich Zervizitis und «Major change»-Veränderungen bei 3–5 Uhr

Daher sollte die Abklärung von dysplasieverdächtigen Befunden in der Schwangerschaft vorzugsweise in einer DKG/AG-CPC-zertifizierten Dysplasiesprechstunde stattfinden.3 Die Indikation zur Biopsie besteht – analog zum Vorgehen bei nicht schwangeren Patientinnen – bei zytologischem Invasionsverdacht oder kolposkopisch abnormen respektive suspekten Befunden. Eine Probenentnahme ist prinzipiell in jedem Schwangerschaftsalter möglich, vorzugsweise aber in der 16.–20. SSW, und ist generell mit einem erhöhten Blutungsrisiko verbunden. Zur Blutungsstillung kann neben der Kompression auch die sogenannte «Monsel’s-Lösung» (Eisen-III-Subsulfat-Lösung) genutzt werden. Durch die Verwendung von Tranexamsäuretupfern oder -tampons, Silbernitratstiften oder mit einer Naht kann meist ebenfalls eine suffiziente Hämostase erzielt werden. Die Durchführung einer endozervikalen Kürettage ist in der Schwangerschaft kontraindiziert. Eine diagnostische Exzision ist lediglich dann empfehlenswert, wenn ein invasives Geschehen zytologisch oder mittels Biopsie nicht ausgeschlossen werden kann.3

In einer aktuellen Metaanalyse von Chen et al. 2021 zum Verlauf einer HSIL in der Schwangerschaft wurden 10 Studien analysiert.1 Für die höhergradigen Dysplasien werden Regressionsraten von etwa 40% beschrieben sowie ein insgesamt geringes Progressionsrisiko von ungefähr 1%.

Fazit

Bei auffälligen zytologischen Befunden in graviditate sollte eine kolposkopische Abklärung in einer zertifizierten Dysplasiesprechstunde erfolgen. Vordergründiges Ziel beim Management von Dysplasien in der Schwangerschaft ist der Ausschluss eines invasiven Geschehens durch die differenzialkolposkopische Diagnostik. Eine diagnostische Exzision sollte lediglich durchgeführt werden, falls ein Karzinom zytologisch oder mittels Biopsie nicht ausgeschlossen werden kann.

Zusammenfassend kann es aufgrund des geringen Progressionsrisikos als ausreichend sicher bewertet werden, präinvasive Läsionen im Verlauf der Schwangerschaft zu kontrollieren und die Therapie der Dysplasie auf den Zeitraum nach der Geburt zu verlagern.

Eine hochgradige squamöse intraepitheliale Läsion der Portio in der Schwangerschaft sollte alle 12 Wochen mittels Zytologie und Kolposkopie kontrolliert werden. Die postpartale Kontrolle sollte frühestens nach 6−8 Wochen stattfinden.3

Die Inhalte dieses Artikels waren Thema eines Vortrags beim 2. Luzerner Frühsommer-Symposium, 19. Mai 2022, Luzern.

1 Chen C et al.: Natural history of histologically confirmed high-grade cervical intraepithelial neoplasia during pregnancy: meta-analysis. BMJ Open 2021; 1(8): e048055 2 Coppolillo EF et al.: High-grade cervical neoplasia during pregnancy: diagnosis, management and postpartum findings. Acta Obstet Gynecol Scand 2013; 92(3): 293-7 3 Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Prävention des Zervixkarzinoms, Langversion 1.1, 2020, AWMF Registernummer: 015/027OL, http://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/zervixkarzinom-praevention/ (abgerufen am: 24.07.2022) 4 Fader AN et al.: Cervical dysplasia in pregnancy: a multi-institutional evaluation. Am J Obstet Gynecol 2010; 203(2): 113.e1-6 5 Fehm T et al.: Management von Zervixdysplasien und Zervixkarzinom in der Schwangerschaft. Frauenheilkunde up2date 2022; 16: 41-55 6 Goldnau C, Hillemanns P: HPV-Infektion in der Schwangerschaft. Gynäkologe 2016; 49: 599-606 7 Gomez Y et al.: Predictive factor involved in postpartum regressions of cytological/histological cervical high-grade dysplasia diagnosed during pregnancy. J Clin Med 2021; 10(22): 5319 8 Lellé RJ, Küppers V: Kolposkopie in der Praxis. 2. Aufl. Heidelberg: Springer, 2014 9 Scheungraber C: Management von Dysplasien in der Schwangerschaft. Kongresszeitschrift zur 23. Jahrestagung der AGCPC, 24.–26.09.2015, Omnimed Verlag, gyn (20) 2015

Back to top